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Naturidentische Gentechnik
DNA punktgenau verändern

Mit neuen Labor-Methoden wie dem Verfahren Crispr-Cas lassen sich pflanzeneigene Gene direkt gezielt editieren. Das Ergebnis ist von einer natürlichen Mutation so gut wie nicht zu unterscheiden. Britische Forscher konnten jetzt zeigen, dass solche Veränderungen stabil an nachfolgende Generationen vererbt werden. Ob die neue Züchtungsmethode in Europa größer zum Einsatz kommt, ist fraglich.

Von Lucian Haas |
    Neue Techniken der Genmanipulation erlauben es, DNA punktgenau zu verändern. Besonders gut geht das mit einer erst vor drei Jahren entwickelten Methode namens Crispr-Cas. In molekularbiologischen Forschungslaboren ist sie schon zum Standardwerkzeug geworden. Crispr-Cas hat das Zeug, auch die Grüne Gentechnik zu revolutionieren.
    "Die Grüne Gentechnik stand immer in der Kritik, weil sie niemals wirklich präzise war. Wenn wir Gene in das Genom von Pflanzen einfügen, konnten wir bisher nicht genau kontrollieren, wo sie tatsächlich eingebaut werden. Mit Crispr-Cas als neuer Technologie haben wir jetzt die Möglichkeit, Gene an einem präzisen Ort einzusetzen. Oder wir zielen auf ein vorhandenes Gen und erzeugen punktgenau eine kleine Mutation. Diese Präzision ist von entscheidender Bedeutung."
    Wendy Harwood ist Pflanzengenetikerin am John Innes Centre, einem Institut für molekulare Pflanzenforschung im britischen Norwich. Dort erprobt sie gemeinsam mit Kollegen, inwieweit Crispr-Cas als neue Methode in der Pflanzenzucht dienen könnte. Versuche mit Gerste und Brokkoli verliefen bereits erfolgreich. Die Forscher erzeugten per Crispr-Cas jeweils kleine Mutationen in einem der Gene der Pflanzen. Bei der Gerste ging es darum, die Keimruhe der Samen zu beeinflussen, bei Brokkoli den festen Sitz der Samenkapseln zu verändern. Im Zentrum der Studie stand allerdings die Frage, ob solche gezielt erzeugten Mutationen in den Pflanzen stabil erhalten bleiben.
    "Die Veränderungen sind dauerhaft und werden an nachfolgende Generationen der Pflanzen vererbt. Wir haben nur sehr kleine Mutationen erzeugt, zwischen einer und sechs Basen des DNA-Codes. Solche Veränderungen könnten auch auf natürliche Weise auftreten. Es ist genau die Art von Veränderungen, wie sie über Jahre hinweg mit einer Technik namens Mutationszüchtung erreicht wurden. Und die gilt als eine konventionelle Züchtungstechnik."
    Bei der Mutationszüchtung werden ganze Pflanzen oder deren Samen mit speziellen Chemikalien behandelt oder harter Röntgenstrahlung ausgesetzt. Es geht darum, zufällige Mutationen im Erbgut auszulösen. Neue Pflanzensorten, die auf diese Weise entstehen, müssen nicht als gentechnisch verändert gekennzeichnet werden. Analog hält Wendy Harwood auch die Varianten, die sie gezielt mithilfe von Crispr-Cas erzeugt, nicht für kennzeichnungsbedürftig.
    Zwar müssen bei der Crispr-Cas-Methode wie bei der herkömmlichen Grünen Gentechnik erst einmal fremde Gene in die Pflanzen eingeschleust werden. Sie lösen den gezielten Mutationsvorgang aus. Doch am Ende des Züchtungsprozesses können die Fremdgene durch normale Kreuzung wieder entfernt werden. Es bleiben nur die veränderten pflanzeneigenen Gene erhalten, so die Forscherin.
    "Wir brauchen die Fremdgene, damit das System funktioniert. Die Fremdgene werden im Erbgut der Pflanzen aber weit entfernt von dem pflanzeneigenen Gen eingebaut, das wir verändern wollen. Sie sitzen auf einem anderen Chromosom. Kreuzen wir die Pflanzen, können die jeweiligen Chromosomen voneinander getrennt werden. So erhalten wir am Ende auch Pflanzen, die in ihrem Erbgut nur noch die gewünschte Mutation des eigenen Gens, aber keine Fremd-DNA mehr enthalten."
    Solche mutierten Pflanzen lassen sich kaum von natürlichen Mutanten unterscheiden. Wendy Harwood rechnet damit, dass Crispr-Cas in Zukunft zu einem der wichtigsten Verfahren für die Pflanzenzucht werden könnte. Ob es so kommt, ist allerdings auch eine Frage der Politik.
    "Wir warten derzeit auf eine Entscheidung der EU-Kommission, ob neue Technologien zur Gen-Editierung wie Crispr-Cas genauso reguliert werden wie die herkömmliche Grüne Gentechnik. Für uns ähnelt das Ergebnis von Crispr-Cas sehr stark der klassischen Mutationszüchtung und natürlichen Mutationen. Da macht es wenig Sinn, solche Methoden wie die klassische Gentechnik gesetzlich zu regeln. Wenn es doch so käme, würde das hohe Hürden und Kosten für die Züchtungsunternehmen bedeuten. Das könnte den Einsatz dieser Technik in Europa verhindern."
    Gentechnik-Kritiker, darunter Umweltverbände wie Greenpeace oder der BUND, plädieren dafür, Crispr-Cas keinen Freibrief zu erteilen. Sie fordern, dass die mit diesem Verfahren gezüchteten Pflanzen ebenso als gentechnisch verändert gekennzeichnet werden müssten. Die Grundsatzentscheidung der EU-Kommission in dieser Frage soll in den nächsten Wochen fallen.