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Neu im Kino
In der Neuen Welt, unter Wasser und am Zeichentisch

Diese Woche erscheint ein Film direkt auf DVD und BluRay, der es eigentlich in die Kinos hätte schaffen müssen. "The Immigrant" mit Marion Cotillard und Joaquin Phoenix - eine absolut empfehlenswerte Migrationsgeschichte. Ebenfalls sehenswert: der U-Boot-Film "Black Sea" und die Dokumentation "Die Böhms".

28.01.2015
    Ein Frauenfilm. Und eine Migrationsgeschichte, die als Zitat eines Klassikers des Männerkinos beginnt. 1921. Ein Schiff fährt in "The Immigrant" an der Freiheitsstatue vorbei. Sehnsuchtsvolle Blicke der Einwanderer, die vor der Gewalt im alten Europa flüchteten. Die sepiafarbenen Eingangsbilder von James Grays Film erinnern an die Szene, wenn der junge Vito Corleone im Coppolas "Der Pate" nach New York kommt und später hier sein Glück findet. Doch Ewa, James Grays junge Polin, findet das nicht. Im Gegenteil. Zunächst wird sie bei der Ankunft in Ellis Island von ihrer Schwester getrennt. Die muss in Quarantäne. Ist ihr Husten nach einem halben Jahr nicht verschwunden, wird sie wieder ausgewiesen.
    "Ja, du musst viel Geld zahlen, um sie von der Insel zu holen. - Oder die Beine breit machen."
    James Gray erzählt also nicht vom Gelobten Land, nein, "The Immigrant" ist eine dunkle Leidensgeschichte, in deren Mittelpunkt die grandiose Marion Cotillard als Ewa steht, die in die Fänge eines zwielichtigen Mannes gerät, der eine Mischung aus Zuhälter und Impresario einer Tanz-Show ist.
    Joaquin Phoenix nach "The Yards", "Helden der Nacht" und "Two Lovers" das vierte Mal in einem James-Gray-Film. Ewa jedenfalls, still, leise, merkwürdig abgewandt von dieser brutalen Welt mit ihrer wie surrealen madonnenhaften Anmutung, sie wird in in viele dunkle Abgründe eintreten müssen. Um zu überleben.
    "Auf dem Schiff hierher, da gibt es kein Essen. Wir sind alle wie Tiere auf einem Haufen. Und diese Männer haben mich zu Dingen gezwungen."
    Doch am Ende, und damit wird Ewa in diesem Sozialmelodram zur wahren Kinoheldin, hatte die junge Frau immer nur eines im Auge: ihre Schwester wiederzufinden. Dass es ihr nur darum geht, das glaubt man Marion Cotillard in jedem Filmbild dieses Frauenporträts.
    "The Immigrant" von James Gray, bei uns als DVD-Premiere herausgekommen: eindrucksvoll und empfehlenswert.
    Männerkino. Das von Gier und Boshaftigkeit erzählt.
    "Nur 90 Meter unter der Oberfläche. Das ist erreichbar."
    Da liegt in Kevin McDonalds Film "Black Sea" das alte Nazigold, da, in den dunklen Tiefen des Schwarzen Meeres. Und dahin [...]
    "Ich hätte gerne ein U-Boot."
    Wird Jude Law als ehemaliger U-Boot-Kapitän mit seiner russisch-englischen Crew tauchen. Doch recht bald erweist sich der Trip als Himmelfahrtskommando.
    "Jeder Mann kriegt denselben Anteil."
    Jeder dieser Männer ist dem anderen ein Wolf.
    "Gleiche Anteile für alle? Wieso?"
    Frauen tauchen in "Black Sea" nicht auf - es sei dann als Traumfantasie von Robinson. Dieser U-Boot-Kommandant trägt keine gebügelte Uniform à la Sean Connery in "Jagd auf Roter Oktober", nein, Jude Law spielt seine durchaus ambivalente Figur als gefrusteten, vor unterdrückter Wut kochenden Mann in Jeans und Jogging-Jacke, gequält vom Verlust seiner Frau und seines Kindes. Jude Laws erdig wirkender schottischer Akzent macht die Figur gegenüber der quasi bereinigten Synchronfassung übrigens im Original um Einiges vielfältiger.
    In jedem Fall: Alles Macho- und Männergehabe - und diese erzählerische Volte macht Kevin McDonalds Film sehr spannend - fliegt den Protagonisten in diesem U-Boot-Kammerspiel gepflegt um die Ohren. Am Ende zählen nicht die Goldbarren, sondern es wird nur die Frage gehen, wer es schafft, aus den Tiefen des Schwarzen Meeres an die Oberfläche zu steigen.
    "Black Sea" von Kevin McDonald: gradliniges Genrekino, spannend und empfehlenswert.
    Maurizius Staerkle-Drux´ dokumentarisches Porträt der Kölner Architektendynastie Böhm ist ebenfalls ein Männerfilm, allerdings mit einer Frau als mythischem Zentrum: Gottfried Böhms Frau Elisabeth, die während der Dreharbeiten starb.
    Trotzdem bleibt "Die Böhms" ein Film über vier Männer, den inzwischen 9-jährigen Vater und die drei Böhm-Söhne, die ebenfalls Architekten sind. Sohn Paul beispielsweise entwarf die Kölner Zentralmoschee. Diese drei Söhne erscheinen im Film wie gebannt von der Genialität des Vaters Gottfried. Der einzige deutsche Architekt immerhin, der 1986 den renommierten Pritzker-Preis bekam. Und als Vater immer noch einen riesigen Schatten wirft:
    "Ich kann gar nicht sagen, was für einen Respekt ich vor dem Zeug habe, was er gerade jetzt macht. - Wobei ich leider nicht so ganz oder lang nicht an die Qualität vom Vater ran reiche."
    Zwei Jahre hat Maurizius Staerkle-Drux diese vier Böhm-Männer begleitet. Aber es scheint, als könnte sich auch der Filmemacher nicht aus dem Bann dieses übermächtigen Vaters, seiner quasi Hauptfigur, lösen. Der Dokumentarfilm "Die Böhms" wird so fast hinterrücks zu einer Psychostudie, in der die im schlechtesten Sinne fesselnde Macht eines Patriarchen sichtbar wird. So sanft, nett und innovativ der auch sein mag.
    "Die Böhms - Architektur einer Familie" von Maurizius Staerkle-Drux: doppelbödig und empfehlenswert.