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Drei Entscheiderinnen

Im Filmmusical „Mary Poppins´ Rückkehr“ gibt es ein Wiedersehen mit dem berühmten Kindermädchen. Die Frau eines Bestsellerautors steht im Mittelpunkt des Beziehungsdramas „Die Poesie der Liebe“. Der exzentrischen Modedesignerin Vivienne Westwood widmet sich der Dokumentarfilm „Westwood“.

    Emily Blunt is Mary Poppins, Joel Dawson is Georgie, Pixie Davies is Annabel and Nathanael Saleh is John in Disney’s MARY POPPINS RETURNS, a sequel to the 1964 MARY POPPINS, which takes audiences on an entirely new adventure with the practically perfect nanny and the Banks family.
    Mary Poppins kehrt zurück: Die britisch- US-amerikanische Schauspielerin Emily Blunt spielt in der Fortsetzung von "Mary Poppins" (1964) die Hauptrolle (UNIT / Walt Disney Company)
    Das gefalle ihr überhaupt nicht. Sie könne sich nicht erinnern, so einen Mist entworfen zu haben. Das sei widerlich.
    Es ist der Abend vor der London Fashion Week. Vivienne Westwood wirft einen Blick auf ihre fertige Kollektion. Immer wieder entfahren ihr dabei unflätige Worte und man ahnt, dass es weder für die Models noch für die Schneiderinnen ein Zuckerschlecken ist, mit der stets leicht überspannten Chefin zusammenzuarbeiten. Eine ihrer Mitarbeiterinnen erzählt, dass sie sich alles genau notiert und deswegen gedacht habe … Vivienne Westwood fällt ihr ins Wort: Sie solle nicht so viel denken. Das hier gefalle ihr jedenfalls gar nicht und sie wisse nicht, ob sie diesen Mist überhaupt zeigen wolle.
    Wahrscheinlich sind es solche Szenen, die Vivienne Westwood nach Sichtung von Lorna Tuckers Porträt veranlasst haben, sich ebenso wenig freundlich über diesen Film zu äußern. Der sei nur Mittelmaß. Im Gegensatz zu ihr selbst.
    Lebendiges Porträt einer Modeikone
    Nun, verglichen mit der vielschichtigen und dynamischen Doku über ihren verstorbenen Kollegen Alexander McQueen, die vor drei Wochen in die Kinos kam, kratzt "Westwood" von Lorna Tucker eher an der Oberfläche. An Lebendigkeit aber fehlt es auch diesem Porträt einer Modeikone nicht. Denn von Beginn an gefällt sich die mittlerweile 77-jährige Vivienne Westwood in der Rolle der Drama-Queen. Sie inszeniert immer wieder sich und ihre Umgebung und vergisst es auch nicht, die Filmemacherin einzunorden.
    Sie solle sie einfach reden lassen. Das wäre am besten. Sonst müsse sie bei jeder Frage darüber nachdenken: "Muss ich mich jetzt wirklich damit befassen? Müssen wir wirklich jedes Detail besprechen?"
    Und so wird hier unterhaltsam, aber etwas unstrukturiert Anekdotisches mit der Arbeitsweise der Modedesignerin kombiniert. Keine Frage: Das Ergebnis ist besser als Mittelmaß.
    "Westwood": akzeptabel
    "Ein großartiger Schriftsteller hat uns für immer verlassen."
    Am Anfang das Ende: die Trauerfeier für den Bestseller-Autor Victor Adelman.
    "Nicht nur sein riesiges Werk bleibt uns erhalten. Victor hinterlässt uns auch seine Frau Sarah, die immer an seiner Seite war."
    Dass Sarah auch entscheidenden Anteil am Erfolg ihres Mannes hatte – das ist die Idee hinter dem Film "Die Poesie der Liebe". Regisseur und Drehbuchautor Nicolas Bedos hat hier den Spruch "Hinter jedem erfolgreichen Mann steht eine starke Frau" aufgegriffen. In der Rahmenhandlung versucht ein Biograf Sarahs Einfluss zu ergründen.
    "Was mich eigentlich interessiert, sind Sie. Man weiß nur sehr wenig über Sie."
    "Das würde sicher alle langweilen."
    "Wie bitte?"
    "Schriftsteller sind doch allen egal. Und ihre Frauen erst recht."
    Figuren nicht immer ganz stimmig
    Sarah wird sie dennoch erzählen – die Geschichte ihrer wechselvollen Beziehung mit Victor. Es ist eine Art Hass-Liebe, die hier in Rückblenden zum Leben erweckt wird. Sehr schnell zeigt sich, dass Sarah diejenige ist, die mit ihren Ideen und Anmerkungen die Romane Victors erst zu den gefeierten literarischen Werken macht.
    "Er gefällt mir sehr."
    "Alles?"
    "Alles."
    "Und was nun?"
    "Wie – was nun?"
    "Deine Änderungen."
    "Darf ich?"
    "Ich bin ganz Ohr."
    "Also gut: Seite 1 – der Absatz mit dem Kleid im Präsens."
    "Den ganzen Absatz?"
    "Ja, das wirkt ausdrucksstärker. Und dann ist alles in Ordnung. Bis Seite 2."
    Es steckt eine Menge Humor in diesem episch angelegten Film, der seine Figuren allerdings nicht immer ganz stimmig präsentiert, insbesondere in den Szenen, in denen die Darsteller viel zu überkandidelt auftreten. Mit Bravour aber bewältigt die 32-jährige Doria Tillier als Sarah ihre erste Hauptrolle.
    "Die Poesie der Liebe": zwiespältig
    "Du liebe Zeit! Du bist es wirklich. Du bist ja kaum älter geworden."
    "Bitte! Wie überaus ungehobelt. Über das Alter einer Frau spricht man nicht, Michael." "Das habe ich dir ja wohl beigebracht."
    "Tut mir leid."
    "Du bist wieder da."
    Ja, es ist fast so, als sei sie nie weg gewesen. Wenn als Höhepunkt von "Mary Poppins´ Rückkehr die Uhr im Glockenturm vom Palace of Westminster zurückgedreht wird, ist das ein perfektes Sinnbild für die Fortsetzung. Dass zwischen beiden Filmen 54 Jahre liegen sollen, mag man kaum glauben.
    Eskapismus, der Spaß macht
    Diese Perfektion ist gleichzeitig auch ein kleiner Makel. Denn zu sehr bemüht sich Regisseur Rob Marshall darum, dem Original gerecht zu werden und den alten Zauber verströmen zu lassen. Anders ausgedrückt: Es gibt nicht eine originale und damit originelle Idee in "Mary Poppins´ Rückkehr". Das beginnt schon damit, dass Mary Poppins erneut vom Himmel geschwebt kommt.
    "Was führt dich hierher nach all den Jahren?"
    "Dasselbe wie beim ersten Mal: Ich komme, um die Banks-Kinder zu versorgen."
    "Uns?"
    "Oh ja, euch auch."
    Mit "Mary Poppins´ Rückkehr" ist es wie mit "Star Wars: Das Erwachen der Macht" vor drei Jahren: Der Film tut alles dafür, nostalgische Gefühle aufkommen zu lassen. Dabei wird sein Eskapismus mit einer solchen Unbeschwertheit zelebriert, wie sie das Kino schon lange nicht mehr gesehen hat.
    "Ich dachte, wir würden uns nie wiedersehen."
    "Es ist wunderbar dich zu sehen."
    "In der Tat. Das ist es."
    "Mary Poppins´ Rückkehr": empfehlenswert