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Neue Weltbank-Standards
"Verwässerung der bestehenden Regeln"

Die Weltbank will mit ihren Umwelt- und Sozialstandards den Schutz der Menschenrechte und der Ökosysteme garantieren. Mit den geplanten neuen Richtlinien sei aber genau das Gegenteil der Fall, sagte Korinna Horta von der Nichtregierungsorganisation Urgewald im DLF-Interview.

Korinna Horta im Gespräch mit Susanne Kuhlmann |
    Blick auf das Gebäude der Weltbank in Washington.
    Die Nichtregierungsorganisation Urgewald wirft der Weltbank vor, durch die Novellierung der Sozial- und Umweltstandards bisher international geltende Regeln herabzusetzen. (Peter Kreysler)
    Susanne Kuhlmann: Arme Länder bei ihrer wirtschaftlichen Entwicklung zu unterstützen und den Menschen eine bessere Zukunftsperspektive zu bieten, das ist die Aufgabe der Weltbank. Wenn Projekte unterstützt werden, die Gemeinschaften letzten Endes ärmer machen als vorher und ihre Umwelt zerstören, dann ist dieses Ziel verfehlt.
    Die Nichtregierungsorganisation Urgewald ist unzufrieden mit den neuen Standards, die sich die Weltbank für Projekte gesetzt hat, die sie unterstützt. Am Telefon in Lissabon ist Korinna Horta, die sich bei Urgewald mit internationaler Klima-, Wald- und Menschenrechtspolitik befasst. Guten Tag, Frau Horta!
    Korinna Horta: Guten Tag, Frau Kuhlmann.
    "Die bestehenden Regelungen werden ausgehölt"
    Kuhlmann: Der neue Rahmen, den sich die Weltbank gegeben hat, passe nicht zur Aussage ihres Präsidenten, der sagte, die neuen Richtlinien sollten nicht schwächer sein als die alten. Welche Veränderungen machen Sie denn aus?
    Horta: Entgegen der Versprechungen des Weltbankpräsidenten, die bestehenden Regeln zum Schutz von Mensch und Umwelt nicht aushöhlen zu wollen, ist der neue und wohl endgültige Entwurf der neuen Weltbank Umwelt- und Sozialstandards eine tatsächliche Verwässerung von den bestehenden Regeln. Die Weltbank hat vor ungefähr vier Jahren angefangen, ihre Umwelt- und Sozialstandards zu überarbeiten, und eine Erweiterung und Verbesserung der Standards und vor allem die Schaffung von Mechanismen für eine bessere Umsetzung der Standards wäre ja auch durchaus sinnvoll und eine gute Sache gewesen.
    Aber leider ist dies nicht geschehen und was wir jetzt vorliegen haben, höhlt die bestehenden Regeln dermaßen aus, dass sie sich praktisch von verbindlichen Regeln, die bisher bestehen, auch wenn sie oft nicht in der Praxis richtig umgesetzt worden sind, in mehr oder weniger ein freiwilliges System von Standards verwandeln. Der ganze Text ist mit Ausnahmeklauseln gefüllt, Standards brauchen nur dann angewendet zu werden, wenn dies auch technisch und finanziell möglich ist, und Ähnliches.
    "Länder können ihre eigenen Standards anwenden"
    Kuhlmann: Welche Belege und welche konkreten Beispiele haben Sie denn dafür?
    Horta: Wir haben im Moment noch einen Entwurf vorliegen, der erst am 4. August, also schon innerhalb von wenigen Tagen vom Weltbank-Verwaltungsrat noch bewilligt werden muss. Deutschland ist eine der wichtigsten Stimmen auf diesem Verwaltungsrat und wir hoffen, dass sich da noch Deutschland und andere Länder zusammentun werden, um einige der schlimmsten Aushöhlungen der bestehenden Standards letztendlich zu vermeiden.
    Ein Problem zum Beispiel mit dem, was wir jetzt vorliegen haben, ist, dass die Weltbank in Zukunft auch einfach erlauben will, dass die Länder ihre eigenen Standards anwenden anstatt Weltbank-Standards. Wir gehen ja davon aus, es geht um oft milliardenschwere Investitionen in große Infrastruktur-Projekte. Länder könnten dann ihre eigenen Standards anwenden. Das ist ja auch eigentlich eine gute Idee.
    Nur müsste dann die Weltbank auch klar machen, welche Kriterien sie denn gebraucht, um zunächst einmal sicherzustellen, dass die ländereigenen Standards auch denen der Weltbank entsprechen und dass die ländereigenen Standards schon eine Vorgeschichte haben, die zeigt, dass sie auch tatsächlich angewendet worden sind und nicht nur bloß auf dem Papier stehen.
    "Kleinbauern sind ermordet worden"
    Kuhlmann: Vom Anführer weltweiter Entwicklung zum Bremser. Ein Vorwurf lautet ja, die Weltbank verletze Menschenrechte. Wer hat das wo beobachtet?
    Horta: Leider haben sich die Fälle in der letzten Zeit auch sehr gehäuft, unbeabsichtigt wahrscheinlich, dass Weltbank-Finanzierungen zu einer Verschärfung der Menschenrechtssituation und Menschenrechtsverletzungen beitragen. Nehmen wir zum Beispiel den Landwirtschaftssektor. Ein Beispiel wäre die Finanzierung einer Palmöl-Firma in Honduras, die einem der mächtigsten Männer im Land gehört. Bei dieser Investition in die Erweiterung des Palmöls werden Kleinbauern von ihrem Land vertrieben und einige Kleinbauern, die dagegen protestiert haben und versucht haben, sich zu organisieren, sind ermordet worden.
    Ein anderes Beispiel wären Weltbankkredite an Usbekistan, an die Baumwoll-Produktion dort. Man finanziert weiterhin diese Baumwoll-Produktion, obwohl bekannt ist, dass auf den Baumwollfeldern Usbekistans Zwangs- und Kinderarbeit existieren.
    Ich selber habe jahrelang die weltbankfinanzierten Ölfelder im südlichen Tschad begleitet. Die betroffenen Dörfer dort sind nicht nur einer großen Umweltverseuchung ausgesetzt; sie haben auch den Zugang zu Land und zu Wasser verloren und von der vorher bestehenden Armut sind sie in die absolute Misere gedrängt worden.
    Kuhlmann: Frau Horta, vielen Dank für diese Beispiele. - Das war Korinna Horta von der Nichtregierungsorganisation Urgewald. Danke schön nach Lissabon.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.