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Neues Album von Hurts
Durchgestylt und auf Zeitgeist getrimmt

Theo Hutchcraft und Adam Anderson, besser bekannt als Hurts, sind die Pop-Überflieger der laufenden Dekade: Ihr melodramatischer Düster-Sound hat für zwei äußerst erfolgreiche Alben, ausverkaufte Tourneen und jede Menge Singles in den internationalen Charts gesorgt. Eine Bilanz, die das Duo mit seinem neuen Werk "Surrender" gerne noch ausbauen würde.

Von Marcel Anders |
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    Die Band Hurts mit Sänger Theo Hutchcraft tritt am 12.09.2015 bei der Aufzeichnung der TV-Show - SWR3 New Pop Festival - das Special - im Festspielhaus Baden-Baden (Baden-Württemberg) auf. (picture alliance / dpa / Uli Deck)
    "Es ist ein sehr mutiges und tapferes Album. Einfach, weil es in eine völlig neue Richtung geht. Denn wir wollten uns nicht selbst wiederholen. Deshalb haben wir uns bemüht, etwas Frisches zu machen, mit dem wir als Band expandieren. Und ich denke, das ist uns gelungen."
    An Selbstbewusstsein mangelt es Theo Hutchcraft nun wirklich nicht. Dabei wirft der aktuelle Sound der Briten jede Menge Fragen und Zweifel auf. Denn Hurts 2015 sind so durchgestylt und auf Zeitgeist getrimmt wie nie zuvor – mit zehn Songs, die zwischen elektronischer Tanzmusik, kurz EDM, und sinfonischem Bombast pendeln. Und leider auf dieselbe Software und dieselben Effekte setzen, wie die gesamte moderne Popwelt. Logische Folge: "Surrender" mangelt es an Eigenständigkeit und Originalität. Dafür versprüht es eine derart penetrante gute Laune, dass es fast schmerzt. Eine Entwicklung, für die Theo eine ganz simple Erklärung hat.
    "Wir umarmen hier die heiteren Seiten des Lebens – also die Tatsache, dass es auch gut und nicht immer nur schlecht ist. Und das hat eigentlich immer in uns gesteckt. Es ist nur so, dass wir das in den letzten Jahren stärker gefühlt haben – und es sich folglich auch in der Musik niederschlägt. Denn die reflektiert unser Innenleben. Und ehrliche Songs zu machen, war immer unser Hauptanliegen. Deswegen ist dieses Album so optimistisch – es zeigt unsere aktuelle Stimmung."
    Kein Mangel an Selbstbewusstsein
    Überspitzt formuliert heißt das: Der Erfolg der letzten Jahre hat Hurts keineswegs gut getan. Lag der Charme der ersten Alben "Happiness" und "Exile" noch in einer intensiven Düster-Stimmung und einer kantigen Low-Budget-Produktion, so ist diesmal alles aalglatt und überproduziert. Was sich in auch in schicken weißen Anzügen, in Model-Freundin, regelmäßigen Ausflügen nach Ibiza und Kollaborationen mit Super-Star-DJ Calvin Harris manifestiert. Mit Harris hatten Hurts Ende 2013 ihre erste Nummer 1 in den britischen Singles-Charts: "Under Control". Und seitdem ist nichts mehr, wie es mal war. Auch wenn Theo das bewusst herunterspielt:
    "Das war ein reines Spaß-Projekt. Also kein Ausgangspunkt für irgendetwas, sondern eine einmalige Sache. Wenn auch eine unglaubliche. Denn es war witzig, Leute in Nachtclubs zu beobachten, wie sie zu einem Hurts-Stück tanzen. Das hatten wir noch nie zuvor gesehen. Einfach, weil wir bis dato nie in solche Läden gegangen sind. Und Calvin schreibt tolle Pop-Songs – was wir ja auch immer versuchen. Von daher sind wir uns durchaus ähnlich."
    Independent- und Mainstream-Klänge gleichen sich
    Vermeintliche Gegensätze, die sich anziehen und befruchten. Eine Theorie, die Hurts – bewusst oder unbewusst – mit "Surrender" unterstreichen. Sie zeigen, wie weitläufig und tolerant der Begriff "Pop-Musik" heute ist – und wie ähnlich sich Independent- und Mainstream-Klänge geworden sind. Eben dass alles eins ist und ideologische Schranken kaum noch existieren. Was sich – so Theo – auch an seinen Texten festmachen lässt.
    "Die Songs handeln von dem, was du selbst darin erkennst. Sie sind vollkommen offen – und beziehen sich nicht nur auf eine Sache. Deshalb erörtern wir den Inhalt auch nicht gerne – zumal er völlig irrelevant ist. Bei meinen Lieblingspopsongs ist es immer so, dass ich mir da eine Bedeutung zurechtlege. Und wenn der betreffende Künstler sagt: "Es geht um dies oder das", ist mir das egal – weil ich mich längst für etwas anderes entschieden habe. Darin liegt die Schönheit."
    Ob es sich Hurts damit zu leicht machen oder ob sie her zu viel von ihrem Publikum verlangen, ist das große Fragezeichen hinter "Surrender". Wobei sich Theo Hutchcraft aber gegen allzu kritische Stimmen und eine zu starke Vereinnahmung durch eine bestimmte Zielgruppe wehrt. Für ihn waren Hurts nie auf eine Schiene festgelegt. Und der Erfolg der ersten beiden Alben hat ihnen eine Freiheit gegeben, die das Duo gezielt auslebt – und genießt. EDM hin oder her.
    "Wir sind eine Popband. Und wenn Leute uns genau das vorwerfen - und den Begriff Pop als etwas Negatives erachten – haben sie unsere Musik nie verstanden. Denn wir haben von Anfang an nichts anderes gemacht. Schon der erste Song, den wir je veröffentlich haben, war ein tanzbarer Popsong. Von daher hat sich in unseren Köpfen eigentlich nichts verändert, sondern wir haben immer an der Grundidee dieser Band festgehalten – und finden sie nach wie vor spannend."
    So viel von und zu Theo Hutchcraft von Hurts, die ihr drittes Album "Surrender" veröffentlicht – und gleichzeitig ihr Tournee für Februar 2016 angekündigt haben. Mit vier Deutschland-Konzerten in Köln, München, Berlin und Wiesbaden.