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Nie mehr Zika oder Gelbfieber
Genetische Kettenreaktion gegen Stechmücken

Sie werden nur fünf Millimeter groß, aber Stechmücken sind die gefährlichsten Tiere der Welt. Mückenstiche töten jährlich etwa eine halbe Million Menschen durch Übertragung von Malaria, Gelbfieber, Zika und anderen Krankheiten. In Zukunft könnten die gefährlichen Stechmücken durch eine neue Form der Genmanipulation, genannt Gene Drive, ausgerottet werden.

Von Michael Lange | 26.08.2016
    Eine Wissenschaftlerin hält zwei Glasröhrchen in die Höhe, darin schwimmen Larven der Asiatischen Tigermücke.
    Durch Genmanipulation unschädlich machen: Larven der Asiatischen Tigermücke. (picture alliance / dpa / Ahmad Yusni)
    Immer wieder versuchen Wissenschaftler, mit Gentechnik Stechmücken zu bekämpfen. Vorrübergehend können sie dabei Erfolge vorweisen. Aber letztlich werden sich die natürlichen Wildtypmücken immer durchsetzen, erklärt der Insekten-Spezialist Mark Hoddle. Er leitet das Zentrum für angewandte biologische Kontrolle an der Universität von Kalifornien in Riverside.
    "Genmanipulierte Mücken verdrängen zunächst die einheimischen Populationen. Bald leben kaum noch wilde Stechmücken in dieser Region, aber dann wandern bald wieder Wildtyp-Mücken von außen ein. Die genmanipulierten Tiere sind den natürlichen im Konkurrenzkampf unterlegen und schließlich verschwinden sie wieder aus dem Ökosystem."
    Nur ein paar Straßen weiter auf dem gleichen Campus leben Stechmücken, die das ändern sollen. Der Insektenforscher Omar Akbari hat für sie ein besonders sicheres Insektarium eingerichtet:
    "Wie Sie sehen, haben wir zwei selbstschließende Türen eingebaut. Sie sind absolut dicht, so dass keine Insekten heraus oder hinein kommen."
    27 Grad Celsius, hohe Luftfeuchtigkeit. Die Bedingungen sind ideal für die Ägyptische Tigermücke Aedes Aegypti. Leicht zu erkennen an den hellen Streifen. Diese Stechmücken übertragen Zika, Gelbfieber, Dengue- und andere Krankheiten. Akbari
    "Ich puste nur ein wenig CO2 in diesen Kasten hinein. Und schon kommen die Stechmücken in Fahrt.
    Sehen Sie? Sie reagieren auf das CO2 in der Atemluft. Sie wollen mein Blut."
    Ein Mitarbeiter des Gesundheitsministeriums von El Salvador bekämpft Mücken.
    Der Einsatz von Insektiziden könnte sich erübrigen, wenn Gene Drive in der freien Natur zum Einsatz kommt. (picture alliance / EPA / Oscar Rivera)
    Omar Akbari experimentiert mit einer besonderen Form der Genmanipulation, genannt Gene Drive. Damit lassen sich nicht nur einzelne Individuen manipulieren, sondern Populationen oder sogar ganze Arten. Möglich wurde Gene Drive durch das Gentechnik-Verfahren CRISPR/Cas9. Damit konstruierten die Forscher eine Art Gen-Kopierer im Innern der Zellen. Er kopiert sich selbst bei jeder geschlechtlichen Fortpflanzung:
    "Mit dieser Technologie können wir die Mendelschen Regeln austricksen. Normalerweise findet sich ein Gen nach der Fortpflanzung bei der Hälfte der Nachkommen. Gene Drive sorgt dafür, dass alle Nachkommen ein bestimmtes Gen erhalten. Gene können sich damit explosionsartig in einer Population ausbreiten. Und wir können jede gewünschte Eigenschaft verbreiten."
    Zusammen mit Gene Drive könnten die Forscher Gene in das Erbgut der Mücken einschleusen, die den Zika-Erreger bekämpfen. Die Tiere könnten fortan den Erreger nicht mehr übertragen. Durch Gene Drive würden sich die Anti-Zika-Gene immer weiter ausbreiten.
    Die Forscher könnten aber auch dafür sorgen, dass alle Nachkommen der Mücken Männchen sind. Die Weibchen sterben schließlich aus und mit ihnen die gesamte Art. Bestimmte Stechmücken ließen sich so für immer ausrotten, erklärt Omar Akbari:
    "Wenn Sie eine biologische Art weltweit vernichten wollen, zum Beispiel Aedes aegypti, den Zika-Überträger, dann ist das jetzt möglich. Die neue Technik verbreitet sich selbst in einer Art Kettenreaktion. Irgendwann bricht die ganze Population zusammen - und schließlich haben Sie die Art ausgerottet."
    Krankheiten wie Zika, Gelbfieber oder Dengue lassen sich mit Gene Drive weit effektiver bekämpfen als mit allen bisherigen Methoden. Davon ist Omar Akbari überzeugt. Aber es gibt auch Risiken. Ganze Ökosysteme könnten sich durch den Start einer genetischen Kettenreaktion für immer verändern.
    Mehr dazu in Wissenschaft im Brennpunkt am Sonntag, 28. August 2016 um 16:30 Uhr. Titel: "Die Gen-Bombe - Kettenreaktion gegen Zika, Malaria und Co."