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Niederländische Islamisten und ihr umstrittener Vorbeter Fawaz

Aufgeheizt war die Stimmung auch vor einem Jahr in den Niederlanden, als ein fanatischer Islamist den prominenten Regisseur Theo van Gogh auf offener Straße ermordete. Seither sind nicht nur die Einwanderungs- und Aufenthaltsgesetze verschärft worden. Auch das gesellschaftliche Klima hat sich verändert. Muslimische Gemeinden klagen über kollektive Ausgrenzung. Daran haben Leute wie Imam Fawaz indes ihren Anteil. Er gilt als Exponent des politischen Islam. Kerstin Schweighöfer hat den umstrittenen Vorbeter besucht.

    Zufrieden begutachtet Imam Fawaz zusammen mit seinem Assistenten einen Stapel Bücher auf seinem Schreibtisch, die aus Beirut eingetroffen sind. Ihre Einbände sind prächtig verziert mit arabischen Kalligraphien in leuchtenden Farben.

    Er würde ja gerne ein paar Exemplare ausleihen, schmunzelt der groß gewachsene, stattliche Syrer. Aber dazu müsste man schon arabisch können.

    Braunes Gewand, weiße Kopfbedeckung, dichter rötlich schimmernder Bart: Kein Zweifel - Imam Fawaz strahlt Autorität aus. 1991 musste er die Vereinten Arabischen Emirate verlassen, weil er sich während des Golfkriegs kritisch über die Amerikaner äußerte. Seitdem predigt der 41-Jährige in der Assunnah-Moschee in Den Haag. Junge Muslime sehen zu ihm auf, hängen geradezu an seinen Lippen. Beim Freitaggebet drängen sich die Gläubigen in langen Reihen vor der Moschee, bis auf die Strasse hinaus. Als Musterbeispiel gelungener Integration allerdings lässt sich der orthodoxe Vorbeter nicht bezeichnen: Nach fast 15 Jahren spricht er immer noch kein Nederlands:

    "Stimmt", meint er mit einem entwaffnenden Lachen auf Niederländisch. Dafür habe er zu wenig Zeit und auch zu wenig Kontakte mit Niederländern. Was natürlich ebenfalls nicht gut sei.

    Doch nicht nur deshalb ist er bei den niederländischen Behörden umstritten: Denn auch in Den Haag lässt er seiner Kritik an den Amerikanern freien Lauf, wettert gegen die Irak-Politik von Präsident Bush und macht auch aus seiner Abneigung gegen den israelischen Ministerpräsidenten Sharon kein Hehl. Der Geheimdienst behält ihn im Auge, seitdem ein Politmagazin enthüllte, wie er bei einer Predigt einen Fluch über Sharon und Bush aussprach. Für viele Niederländer, nicht nur den rechtspopulistischen Politiker Geert Wilders ist er ein Hassprediger (lacht). Fawaz selbst kann darüber nur lachen.

    Er habe Allah lediglich darum gebeten, mit Bush und Sharon abzurechnen. Das sei ganz normal, Bush selbst spanne denselben Gott ja auch vor seinen Karren und bitte ihn bei der Bekämpfung seiner Feinde um Unterstützung!

    Andererseits jedoch spricht sich Fawaz ausdrücklich gegen jegliche Gewalt aus. Glaubt man seinen Anhängern, hat er bereits eine ganze Reihe junger Muslime davon abgehalten, in die militante Szene abzugleiten. Er kanalisiere ihre Wut, heißt es, bei ihm fühlten sie sich verstanden. So gelang es Fawaz nachweislich, zwei Mädchen ins Gewissen zu reden, die in den Bann der so genannten "Hofstad-Gruppe" geraten waren, einer Terrorzelle, der auch der van Gogh-Mörder Mohammed Bouyeri angehörte. Der Imam sorgte dafür, dass die Mädchen sich von der Gruppe lösten und bei der Polizei aussagten. Dadurch beschaffte er der Justiz wichtiges Beweismaterial.
    Aber, so betont er, das habe er nicht getan, um dem Staat zu Diensten zu sein, sondern weil er sich dazu verpflichtet gefühlt hätte. Viele niederländische Politiker jedoch würden muslimische Jugendliche mit ihren diskriminierenden Bemerkungen und immer strikteren Gesetzen den Extremisten geradezu in die Arme treiben. Allen voran Ausländerministerin Rita Verdonk, die ein Schleier-Verbot einführen und alle Ausländer abschieben möchte, wenn sie sich auch nur des geringsten Delikts schuldig gemacht haben.

    Es habe da doch gerade einen Orkan mit dem gleichen Namen gegeben, meint Fawaz. So wie der über Amerika, fege Rita Verdonk über Holland hinweg.

    Aber, betont er und wird wieder ernst: Man müsse gerecht bleiben. Viele muslimische Jugendliche würden ins kriminelle Milieu abgleiten und zu Dieben werden, zu Drogenhändlern oder zu Zuhältern. Dem müsse ein Riegel vorgeschoben werden. Da habe die Gemeinschaft der Muslime ebenso aktiv zu werden wie bei der drohenden Radikalisierung. Wer Respekt für sich reklamiere, müsse auch selbst den Kriterien der Gesellschaft gerecht werden, meint er, während sein Assistent mahnend auf die Uhr blickt: Gleich müssen sie zum Gebet.

    Imam Fawaz ist zuversichtlich: Lange Zeit hätten die Niederländer ihre muslemischen Mitbürger geflissentlich ignoriert, meint er beim Aufstehen. Seit dem Mord an Theo van Gogh, den er zutiefst verurteilt, würden sie sich erstmals bewusst mit dem Islam auseinandersetzen. Immer öfter komme es zu echten Diskussionen - Grundvoraussetzung für gegenseitiges Verständnis. Worauf er sein Büro abschließt und sich mit einem höflichen Lächeln zum Gebet verabschiedet.