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Nigeria
Zurück zur Muttersprache

In Nigeria ist Englisch die offizielle Sprache. Doch nicht einmal ein Drittel spricht sie auch. Die älteste Universität des Landes will deshalb Yoruba stärken, eine der drei großen indigenen Verkehrssprachen. Das erfreut sich zunehmender Beliebtheit, die Zahl der Studierenden wächst.

Von Katrin Gänsler |
    Schülerinnen und Lehrerinnen der Muslim Girl's High School in Ijebu Ode, Nigeria. An die staatliche Sekundarschule, eine reine Mädchenschule, gehen überwiegend muslimische Schülerinnen im Alter von 11 bis 18 Jahren.
    In nigerianischen Schulen findet der Unterricht auf Englisch statt, auf dem Schulhof ist der Gebrauch der Muttersprache teilweise untersagt. (picture alliance / dpa - Hannibal Hanschke)

    Oyenike Ajiboye, Samuel Oke und Titilope Keshinro diskutieren das, was sie am Studium gerade am meisten nervt. An ihrer Hochschule, der Universität Ibadan, wird wieder gestreikt. In ganz Nigeria passiert das fast in jedem Semester, was das Studium oft über Jahre verlängert. Dabei möchten die drei gerne ihren Master-Abschluss ohne Verzögerung machen.
    Nach dem Bachelor in Linguistik studieren sie Yoruba, eine der drei großen indigenen Verkehrssprachen Nigerias. Gesprochen wird sie im Südwesten von etwa 40 Millionen Menschen sowie in der Grenzregion im Nachbarland Benin. Die Studierende Oyenike Ajiboye erlebt gerade ein wachsendes Interesse an der Sprache.
    "Seit einiger Zeit befassen sich immer mehr Menschen mit Yoruba, selbst wenn sie die Sprache gar nicht richtig sprechen. Deswegen wollte ich als Muttersprachlerin mehr über die Sprache erfahren, sie besser lernen und andere dazu ermutigen.
    "Englisch und Französisch haben keinen höheren Stellenwert"
    Das zunehmende Interesse spiegeln auch die Zahlen des Yoruba-Sprachzentrums der Universität Ibadan. Es ist Nigerias älteste Hochschule, die 1948 gegründet wurde. Aktuell sind 50 Studierende im Bachelor- und Master-Programm eingeschrieben. Für die Aufnahme des Studiums ist muttersprachliches Niveau Voraussetzung. Dazu kommen Doktoranden.
    Außerhalb des Zentrums muss der Leiter, Professor Oye Taiwo, dennoch viel Werbung für Yoruba machen. "Wir Linguisten sind Fürsprecher unserer Sprachen. Wir erklären, wie wichtig unsere Muttersprachen sind. Und wir sagen: Englisch und Französisch haben keinen höheren Stellenwert als unsere Muttersprachen."
    Yoruba ist keine Mundart, sondern eine vollwertige Sprache
    Diese Einstellung aus der Kolonialzeit hat sich bis heute gehalten und ist besonders bei Akademikern und Bildungsaufsteigern verbreitet. Professor Taiwo: "Die Elite glaubt: Je mehr sie Englisch mit ihren Kindern spricht, desto besser werden sie in dieser Sprache. Wir erklären, dass das so nicht stimmt."
    Laut Professor Taiwo fördert stattdessen das Aufwachsen mit zwei Sprachen den Spracherwerb. Immerhin: An weiterführenden Schulen werden Yoruba, Haussa oder Igbo – das sind die beiden anderen großen Verkehrssprachen – als Fremdsprachen unterrichtet. Der normale Unterricht findet jedoch auf Englisch statt. Mitunter ist der Gebrauch der Muttersprache auf dem Schulhof sogar verboten. Oyenike Ajiboye empört das:
    "Von Anfang an sollen wir denken, dass Yoruba eine Mundart, keine vollwertige Sprache ist. Aber das sehe ich nicht so. Zu verstehen, dass man einer Gruppe angehört, die dieselbe Sprache spricht, das ist ein Geschenk."
    Job-Perspektiven durch Muttersparche
    Indigene Sprachen schaffen jedoch nicht nur Identität, sondern bieten zunehmend Job-Perspektiven. Absolventen arbeiten als Fachlehrer an weiterführenden Schulen oder im Medienbereich. Es sind vor allem Radio-Sender, die mehrere Sprachen im Programm haben. Samuel Oke hat jedoch eine andere Idee. Nach seinem Abschluss möchte er technische Neuerungen mit der Sprache seiner Vorfahren verbinden:
    "Kauft man ein technisches Gerät, kann man die Sprache dafür einstellen. Yoruba ist in der Regel nicht dabei. Gewinnt die Sprache an Bedeutung, dann werden Unternehmen nachziehen und Yoruba als Spracheinstellung anbieten. Damit lassen sich wiederum Kunden gewinnen."

    Englisch ist zwar offizielle Sprache Nigerias. Laut Schätzung des Ethnologue, einer jährlichen Publikation zu den Sprachen der Welt, spricht sie jedoch nicht einmal jeder dritte Nigerianer. Umso wichtiger ist die Stärkung indigener Sprachen, findet Samuel Oke. "Meine Eltern sprechen gar kein Englisch. Deshalb bin ich dazu gezwungen, Yoruba zu sprechen, selbst wenn ich nicht will. Heute spreche ich aber auch mit meinen Kollegen Yoruba – meine Sprache."