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Nobelpreis
Die ewig Nominierten

Oft nominiert, aber nie prämiert: Es gibt viele Wissenschaftler, die den Nobelpreis verdient hätten und dennoch nie mit der begehrten Trophäe ausgezeichnet wurden. Einige von ihnen scheinen ihrer Zeit zu weit voraus gewesen zu sein. Andere waren schlichtweg unbeliebt.

Von Volker Mrasek | 07.12.2016
    Eine Medaille mit dem Konterfei von Alfred Nobel.
    Wer seiner Zeit zu sehr voraus ist, hat es möglicherweise schwerer einen Nobelpreis zu erhalten (picture alliance / dpa - Kay Nietfeld)
    Ferdinand Sauerbruch. Legendärer deutscher Chirurg. Erfinder einer Unterdruckkammer für Operationen am offenen Brustkorb Anfang des 20. Jahrhunderts. Und seinerzeit auch dem Komitee für den Medizin-Nobelpreis in Stockholm bestens bekannt.
    "Zwischen 1912 und 1951 wurde er etwa sechzigmal vorgeschlagen."
    Kein anderer Chirurg sei damals so oft nominiert worden, sagt Nils Hansson, Medizin-Historiker an der Universität Düsseldorf. Sauerbruch ging dennoch am Ende leer aus. Einer von vielen, die zwar oft nominiert, aber nie prämiert wurden. Hansson hat das alles selbst recherchiert, im Archiv der Nobel-Stiftung in Stockholm:
    "Also, es gibt bereits recht viele Studien über Nobelpreisträger. Ich interessiere mich vor allem für die Kandidaten, die trotz vieler Nominierungen am Ende doch nicht den Preis bekommen haben."
    Die Nobel-Stiftung gibt ihre Unterlagen nur peu à peu frei - erst 50 Jahre nach einer Preisverleihung:
    "Ich kenne die Akten bis 1965-66 mittlerweile. In der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts gibt es für den Medizin-Preis allein etwa 6.000 Nominierungen."
    Französischer Mikrobiologe wurde über 150 Mal nominiert
    Die große Mehrzahl der Vorgeschlagenen schafft es also nicht aufs Podest. Den Vogel schießt dabei ein Franzose ab: Gaston Ramon. Der Mikrobiologe und Veterinärmediziner entwickelte in den 20er Jahren einen Massenimpfstoff gegen Diphterie - und wurde ab 1930 immer wieder für den Medizin-Nobelpreis nominiert, insgesamt über 150 Mal. Doch auch Ramon schaffte es nie:
    "Grundsätzlich kann man sagen bei vielen Kandidaten gerade auch für die ersten Jahrzehnte des 20. Jahrhunderts, dass es in jedem Land oft einen sogenannten favorite son gab. Also ein Wissenschaftler, der besonders viele Nominierungen von den Landsleuten bekommt. Gaston Ramon wäre ein Beispiel dafür, Ferdinand Sauerbruch ist ein anderes Beispiel."
    Daran störte man sich offenbar in Stockholm. Laut Nils Hansson bevorzugte das Nobel-Komitee immer Kandidaten mit Unterstützern aus vielen Ländern, die auch international wahrgenommen wurden.
    Begründer der Quantenmechanik ging ebenfalls leer aus
    Der nie dekorierte deutsche Forscher mit den häufigsten Nominierungen ist der Physiker Arnold Sommerfeld. Bei ihm promovierten die späteren Nobelpreisträger Werner Heisenberg und Wolfgang Pauli.Nach dem Ersten Weltkrieg war er an der Universität München. Sommerfeld entwickelte das Bohr'sche Atommodell weiter und zählt zu den Begründern der Quantenmechanik. Mehr als achtzigmal war er für den Physik-Nobelpreis nominiert. Und wurde doch nie ausgezeichnet.
    Der Wissenschaftshistoriker Robert Marc Friedman von der Universität Oslo kann heute sagen, woran das lag. Und zwar am Starrsinn eines Mitglieds im Nobel-Komitee zu der Zeit, wie Friedman auf Anfrage schreibt:
    "Carl Wilhelm Oseen war das einflussreichste Komitee-Mitglied in den 20er und 30er Jahren und gegen Sommerfeld. Oseen war ziemlich intelligent, aber auch ziemlich arrogant.
    Er vertraute seiner eigenen Meinung viel mehr als anderen und hielt nichts von den neuen formalistischen mathematischen Modellen des Atoms. Oseen war auch der Grund, warum Heisenberg später so lange auf seinen Nobelpreis warten musste. Er schätzte einfach nicht die Art, wie Heisenberg seine Physik betrieb."
    Knieprothese über vierzig Jahre zu früh entwickelt
    Eitelkeit kann also auch Nobel-Träume platzen lassen! Was noch? Nach den historischen Studien von Nils Hansson:
    "Man sollte auch nicht zu visionär sein."
    Das galt zum Beispiel für Themistokles Gluck. Der Berliner Arzt entwickelte bereits im Jahr 1890 eine Knieprothese. Er implantierte Gelenkköpfe aus Elfenbein und fixierte sie mit Zement - eine Methode, die erst nach dem Zweiten Weltkrieg den Durchbruch schaffen sollte:
    "Er war seiner Zeit voraus. Und erst viel später, 1933, als er dann vorgeschlagen wurde, galt seine Arbeit bereits als zu alt."
    Eines ist jedenfalls klar: Es gab viele Forscher, die den Nobelpreis verdient gehabt hätten und doch nie mit der begehrten Trophäe ausgezeichnet wurden.