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Nobelpreisträger für Medizin
"Höflich, aber hartnäckig"

Yoshinori Ohsumi trete bescheiden auf, wirke eher schüchtern und habe keine Dünkel, sagen seien Forscherkollegen. Als Post-Doch in den USA hatte er es nicht immer leicht. Sein Forschungsgebiet der Autophagie war ganz neu und lange interessierte sich fast keiner dafür. Ohsumis Hartnäckigkeit wurde nun belohnt - mit dem Nobelpreis für Medizin 2016.

Von Volker Mrasek |
    epa05568021 A photo of Yoshinori Ohsumi of Japan is shown on a screen at the Nobel Forum in Stockholm, after the Committee announcement he won the 2016 Nobel Prize in Medicine, in Stockholm, Sweden, 03 October 2016. The Japanese investigator is to receive the Nobel Prize for Medicine for his research into autophagy, the Karolinska Institute of Stockholm announced in their media release. EPA/STINA STJERNKVIST SWEDEN OUT |
    Der 71-jährige Japaner tritt bei seinen Vorträgen stets höflich und bescheiden auf. (TT NEWS AGENCY)
    Vielleicht ist Yoshinori Oshumi ja unter anderem von Gregory Peck geprägt worden. Der Japaner trägt den Bart genauso wie der US-Schauspieler in seiner berühmten Rolle als Captain Ahab im Spielfilm Moby Dick: Kinn und Wangen bedeckt, aber die Lippen frei.
    Es könnte durchaus sein, denn in den 70er-Jahren forschte Oshumi zeitweilig in New York, an der Rockefeller University. Dort arbeitete er im Labor von Gerald Edelman, der damals kurz vorher den Medizin-Nobelpreis bekommen hatte. Jetzt wurde Oshumi selbst ausgezeichnet. Der Apfel scheint also auch in diesem Fall nicht weit vom Stamm zu fallen.
    Interessiert, höflich und bescheiden
    Anders als der grimmige Captain Ahab tritt der 71-jährige Japaner bei seinen Vorträgen aber stets höflich und bescheiden auf. So hat ihn auch Thomas Wollert immer erlebt. Wie Oshumi arbeitet der deutsche Forscher auf dem Gebiet der Autophagie, am Max-Planck-Institut für Biochemie in Martinsried bei München. Die Nachricht vom Nobelpreis für Oshumi erreichte Wollert heute aber ganz woanders: im Urlaub an der dänischen Nordseeküste.
    "Er ist auf vielen wissenschaftlichen Konferenzen als Redner eingeladen. Man unterhält sich auf diesen Konferenzen häufig und er ist ein sehr höflicher, zuvorkommender, interessierter Wissenschaftler, der eher etwas schüchtern wirkt. Er trägt nicht sehr dick auf, was er geleistet hat in der Wissenschaft und nimmt sich da sehr zurück. Er beschreibt eher sachlich seine Forschungsergebnisse, diskutiert die und macht das Ganze in einer sehr bescheidenen Art und Weise."
    Der frischgebackenene Nobelpreisträger ist gut doppelt so alt wie sein junger deutscher Fachkollege. Aber Dünkel habe er keine, so Thomas Wollert heute am Mobiltelefon beim Strandspaziergang:
    "Gar nicht! Er nimmt auch die jungen Wissenschaftler sehr ernst und ist interessiert an den Forschungsergebnissen. Beispielsweise, als ich meine erste Studie publiziert habe über den Mechanismus, an dem er auch geforscht hat. Da hat er mich gefragt, ob ich ihm vorab das Skript schon einmal schicken kann, damit er das durchlesen kann."
    Ausdauer für sein Forschungsgebiet
    Sein Respekt für junge Forscher rührt vielleicht auch daher, dass es Oshumi als Post-Doc während seiner Zeit in New York selbst sehr schwer hatte. Es sei die härteste Zeit seines Lebens gewesen, sagte er einmal im Interview mit einem Fachjournal für Zellbiologie. Dann aber ging er seinen Weg, und das in einem Forschungsgebiet, das ganz neu war und für das sich lange so gut wie niemand wirklich interessierte.
    "Bewundernswert seine Ausdauer, sich einem Prozess zu widmen, der in der Wissenschaft eher vernachlässigt wurde und da so lange am Ball zu bleiben."
    Das erforderte Mut und Beharrlichkeit. Beides hatte Yoshinori Oshumi. Anscheinend steckt in ihm also doch etwas von Captain Ahabs eisernem Willen.
    "Höflich, aber hartnäckig. Das trifft es, glaube ich, am besten, ja!"