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Nur noch die Hälfte von den Kleinen

Ökologie. - Kleine Schwarmfische wie Sardinen oder Anchovis bilden die Nahrungsgrundlage für große Raubfische wie Thunfisch und Kabeljau. Doch sie werden auch vom Menschen stark befischt, etwa als Rohstoff für Fischmehl und Fischöl. Ein internationales Team von Meeresbiologen fordert jetzt die Fangmengen auf die Hälfte zu kürzen, zum Wohl der Umwelt wie der Fischereiindustrie.

Von Lucian Haas |
    Wenn sich Menschen über die Überfischung der Weltmeere Gedanken machen, stehen in der Regel die großen Speisefische im Vordergrund: Thunfisch, Lachs und Kabeljau zum Beispiel. Doch rund ein Drittel der Fangmengen, die aus den Weltmeeren gezogen werden, beruhen auf kleinen Schwarmfischen wie Sardinen, Anchovis oder Lodden. Sie landen nicht direkt auf unseren Tellern, sondern werden zu 90 Prozent zu Fischmehl und Fischöl verarbeitet, das als Tierfutter verwendet wird. Dabei wird häufig übersehen, welche Bedeutung die Futterfische für die Ökosysteme im Meer besitzen.

    "Futterfische spielen eine zentrale Rolle im Ozean. Sie ernähren sich von den kleinsten Organismen im Meer, dem Plankton, dienen aber auch ihrerseits wieder als Futter und somit Energielieferant für größere Tiere wie Raubfische, Seevögel und Meeressäugetiere."

    Ellen Pikitch leitet das Institut für Meeresschutzforschung an der Stony Brook Universität in New York. Kürzlich präsentierte sie gemeinsam mit zwölf internationalen Meeresökologen und Fischereiexperten als sogenannte Task-Force Futterfische eine umfassende Studie über den Zustand und das Management dieser Fischbestände. Das Ergebnis: Die aktuelle Form und der Umfang der Befischung geht weit über ein nachhaltiges Maß hinaus.

    "Wir müssen viel vorsichtiger werden im Umgang mit den Futterfischen. Unsere Studie zeigt, dass wir aus den meisten Fischgründen nur halb so viele Schwarmfische entnehmen sollten wie nach den klassischen Regeln des Fischereimanagements."

    Laut der klassischen Lehrmeinung werden Fischbestände idealerweise immer bis zu dem Punkt befischt, an dem die verbleibende Population sich am besten entwickeln kann, also die höchsten Zuwachsraten erzielt. Doch bei den kleinen Schwarmfischen geht diese Strategie nicht auf. Denn die Fischer machen die Rechnung fälschlicherweise ohne die Raubfische, die ja auch noch von den Futterfischen leben müssen. Pikitch:

    "Die Größe der Bestände ist nicht nur für die Nachhaltigkeit der Fischerei wichtig. Wir brauchen viele Futterfische im Meer, um auch wirtschaftlich bedeutende große Fischarten zu erhalten. Wenn Futterfische fehlen, bleiben auch die Raubfische aus."

    Neben den großen Raubfischen sind noch andere Meerestiere von den Schwarmfischen abhängig. Der Report der Futterfisch-Task-Force zeigt: Dort wo die Schwarmfische stark befischt werden, gehen auch die Bestände von Seevögeln, Pinguinen, Robben und Walen zurück. Für eine Beschränkung der Fangmengen spreche deshalb sowohl der Artenschutz, als auch die blanke wirtschaftliche Vernunft, sagt Ellen Pikitch:

    "Wir haben umfassend untersucht, welchen Wert die Futterfische für die kommerzielle Fischerei haben. Das Ergebnis: Wenn man die kleinen Fische als Futter für unsere Speisefische im Meer belässt, sind sie doppelt so viel wert wie wenn man sie in einem Netz herausholt."

    Wenn die Menschen also auch in Zukunft große Speisefische in den Ozeanen fangen wollen, sollten sie diesen nicht gleichzeitig so viele Futterfische als Lebensgrundlage rauben.