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Öffentlich-rechtlicher Rundfunk in Kanada
Radikal digital - der Umbau der Hauptnachrichten

Die Canadian Broadcasting Corporation will jüngere Zuschauer gewinnen und verlagert ihre Haupt-Nachrichtensendung "The National" vom Studio ins Netz. Statt eines Moderatoren gibt es nun vier Präsentatoren, die auch Reportagen machen sollen. Ein radikaler Schnitt - mit Risiken.

Von Kajetan Dyrlich |
    Jennifer McGuire, Chefredakteurin von CBC News, stellt auf einer Pressekonferenz die vier neuen Moderatoren vor.
    Eine Nachrichtensendung - vier Moderatoren: CBC News (Kajetan Dyrlich)
    22 Uhr: "The National" geht auf Sendung. – Die wichtigste und über Jahrzehnte einflussreichste Nachrichtensendung der kanadischen öffentlich-rechtlichen CBC.
    Über fünf Jahrzehnte geht das 60-minütige Nachrichten-Flaggschiff Abend für Abend über den Äther. Doch schon bald – in eineinhalb Monaten – wird es die Sendung in dieser Form nicht mehr geben.
    Grund sind über Jahre sinkende Einschaltquoten im linearen Fernsehen. Vor allem junge Menschen erreicht "The National" kaum. Deshalb wagt die CBC den radikalen Umbau ihrer Hauptnachrichtenmarke.
    Hauptverantwortlich dafür ist Jennifer McGuire, seit acht Jahren Chefredakteurin der CBC News. Eine derart starke und bekannte Marke wie "The National" neu zu positionieren und dabei nicht zu beschädigen sei nicht ohne Risiko.
    "Ja, das Risiko ist enorm – es wird sich viel verändern. Und wir wollen nicht die Stammzuschauer verprellen, die uns bisher sehr treu geblieben sind. Aber das Risiko sich nicht zu verändern, ist genauso hoch."
    Präsentiert wurde "The National" über Jahrzehnte von Peter Mansbridge. Er war das bekannteste Gesicht der CBC. Und populärer als so mancher kanadische Premierminister. Doch er verabschiedete sich vor wenigen Monaten – pünktlich zum Canada Day - in den Ruhestand.
    Der Moderator wird zum "arbeitenden Journalisten"
    Ab November wird "The National" gleich von vier Moderatoren präsentiert. Verteilt in vier Städten und vier Zeitzonen Kanadas. Sie sollen die Sendung nicht nur moderieren, sie sollen auch selbst als Reporter agieren.
    "Die Menschen haben ihren Kopf geschüttelt. Warum sollen wir gleich vier Moderatoren haben? Aber sie denken immer, sie präsentieren nur die News. Wir wollen sie aber als arbeitende Journalisten positionieren. Sie werden also draußen sein, sie werden Geschichten aufspüren und gleichzeitig die Sendung moderieren. Und sie werden auch digital präsent sein."
    "The National" soll künftig viel mehr eine Marke sein, um die sich verschiedene Angebote herumgruppieren. Die Fernsehsendung ist dabei nur eine von vielen Ausspielwegen – und dann auch gar nicht mehr der wichtigste. Vielmehr sollen die User "The National" im Netz und vor allem auf ihrem Smartphone entdecken.
    Mehr Budget hat Jennifer McGuire für ihren Relaunch ihres Nachrichten-Flaggschiffs übrigens nicht. Denn auch die CBC steht – ähnlich wie der öffentlich-rechtliche Rundfunk in Deutschland – unter Finanzierungsdruck.
    "Die Veränderungen betreffen nicht nur die Frage, wie die Fernsehsendung am Abend aussehen muss. In einer Zeit, in der jeder ständig mit Nachrichten umgeben ist, muss man sich jedoch die Frage stellen: Was muss deine Prime-Time-Show anbieten? Wir müssen digital agieren, wir brauchen eigene Geschichten und wir müssen die Geschichten noch energischer vorantreiben, als wir das bisher getan haben."
    Ein Schritt zu weit?
    John Doyle – Kolumnist der renommierten "The Globe and Mail" in Toronto gilt als einer der bekanntesten TV-Kritiker Kanadas. Er ist skeptisch, ob der Plan aufgeht und sieht die Gefahr, dass die Fernsehsendung am Abend qualitativ abnehmen wird.
    "Wenn man "The National" als Marke über verschiedene Plattformen hinweg nutzt, muss das Original – die Fernsehsendung am Abend stark bleiben. Wenn man sie abschwächt, dann wird das auf anderen Plattformen auch nicht funktionieren."
    John Doyle stimmt zu, die Nachrichtensendung muss sich hin und wieder auch verändern. Doch möglicherweise geht die CBC mit ihrem Konzept nun einen Schritt zu weit.
    "Das Risiko ist, dass man zwar viel Aufmerksamkeit für das neue Format bekommt. Vielleicht auch einige neue Zuschauer gewinnt. Aber sie werden nicht so loyal sein, wie die Stammzuschauer die über Jahrzehnte der CBC und "The National" die Treue hielten."
    Am 6. November hat das neue "The National" Premiere. Für die CBC wird es eine Zäsur in ihrer Jahrzehnte langen Geschichte sein.
    "Das ist ein großes Ding. Aber meine Erfahrung als Fernsehmacherin ist: Es ist viel einfacher das Gewohnte weiter zu machen als wirklich nach vorne zu preschen, um eine Sendung innovativer zu gestalten und die Sendung für die Zukunft als Mainstream zu positionieren."