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Österreich
Grüne in Österreich auf Erfolgswelle

Magere sechs Prozent in Brandenburg, in Thüringen und Sachsen kaum mehr als fünf Prozent - für die Grünen ist es in diesem Landtagswahljahr nicht gerade gut gelaufen. Entsprechend neidisch dürfte die Partei zurzeit nach Österreich blicken: Dort sind die Grünen heute die Partei, die sie in Deutschland gerne wären.

Von Stephan Ozsvath | 13.10.2014
    Die Grünen in Österreich schwimmen auf einer Erfolgswelle: Bei der Europawahl in diesem, bei der Parlamentswahl im vergangenen Jahr konnte die Öko-Partei deutlich zulegen. Mittlerweile regieren die Grünen in sechs Bundesländern der Alpenrepublik mit. Und Grünen-Chefin Eva Glawischnig will noch mehr:
    "Mein Anspruch ist es, aus den Grünen österreichweit eine Gestaltungspartei zu machen. Auf Bundesebene werden wir das nach den nächsten Wahlen sehen, aber es ist mein erklärtes Ziel."
    Die Fans goutieren die Grünen wegen ihrer beharrlichen Kärrnerarbeit in Untersuchungsausschüssen. Sie bescheinigen ihrer Lieblingspartei hohe Glaubwürdigkeit bei der Kontrolle von Missständen, sprich: bei der Korruptionsbekämpfung. Aber für den ganz großen Wurf, die Regierungsbeteiligung in der Wiener Regierung reicht es noch nicht, so der Politologe Peter Filzmaier.
    "Ob die Grünen fünf oder zehn Abgeordnete mehr haben, bekommt kaum jemand mit, denn im Parlament sind sie ja schon. Wirklich etwas ändern würde sich für die Grünen nur, wenn sie, wie inzwischen in mehreren Bundesländern, auch Teil der Regierung werden."
    Kompromissbereite Grüne, aufmüpfige Konservative
    Und so rücken die Grünen ideologisch immer mehr in die Mitte, machen immer mehr Kompromisse. In Tirol, wo Schwarz-Grün regiert, funktioniere das gut, sagt der stellvertretende Ministerpräsident Josef Geisler vom konservativen Partner ÖVP.
    "Die Grünen im Westen Österreichs sind aus meiner Sicht flexibler und sie haben auch erkannt: Wenn man Kompromisse eingeht, kann man auch mitgestalten."
    Kompromissbereite Grüne treffen im Westen Österreichs auf aufmüpfige Konservative, die mit ihrer eigenen Bundespartei öfter im Clinch liegen. Das scheint die Erfolgsmischung zu sein. Fast alle Bündnisse der Grünen sind solche mit den Konservativen: Nur in Kärnten und Salzburg kommt noch ein dritter Partner dazu. Und in Wien teilen sie sich auf Landesebene die Macht mit der SPÖ – es ist die Polit-Ehe, in der es am meisten kracht. Grünen-Chefin Eva Glawischnig sagt:
    "Ich glaube, dass es sehr wichtig ist, Kompromisse einzugehen und auf dieser Kompromissbasis auch Lösungen zu finden. Und dass man als Partei, die siebzehn Prozent hat, nicht hundert Prozent seines Programmes durchsetzen kann, verstehen viele in der Bevölkerung."
    Ein Verrat an grünen Idealen
    Der grünen Basis gehen die Kompromisse um der Macht willen zu weit. Österreichs Grüne der ersten Stunde, die 87-jährige Freda Meissner-Blau kritisiert,
    "dass sie über den Tisch gezogen werden. Und das passiert leicht."
    Die Ökopartei fordere nicht mehr das Notwendige, sondern das gerade Akzeptable, sagt die Ökoveteranin. Beispiel Tirol: Im Tausch für ein Tempolimit auf Tiroler Autobahnen stimmte die grüne Umweltministerin dem Ausbau von sechs großen Wasserkraftwerken zu. Die einstigen Verbündeten, die Umweltverbände, gingen auf die Barrikaden. Ein Verrat an grünen Idealen, meint Christoph Walder, Flussexperte des World Wild Life Fund:
    "Die Grünen haben bis vor ihrem Regierungseintritt ganz stark mit uns gegen diese Megakraftwerke gekämpft. Wir sind sehr enttäuscht, dass die schwarz-grüne Landesregierung, und vor allem der grüne Partner, sich nicht stärker schützend vor unsere letzten intakten Flussstrecken stellt."
    Und in Wien scheint es einen unausgesprochenen Deal zu geben: Die Grünen bekamen das 365-Euro-Jahresticket für Metro und Tram, außerdem eine Fußgängerzone gegen viel Widerstand im Szene-Bezirk Mariahilf. Dafür drücken die Grünen beide Augen zu – angesichts der dubiosen Verflechtungen der Sozialdemokraten mit parteinahen Kommunalunternehmen. Eva Glawischnig kann sich mittlerweile sogar einen grünen Bundespräsidenten vorstellen: ihren Vorgänger – den ehemaligen Parteichef Alexander van der Bellen.
    "Ich habe darauf gehofft, dass Alexander van der Bellen in Ruhe nachdenkt, wir werden nächstes Jahr weiterreden. Aber es wäre sicher ein schönes Angebot."
    Das Politik-Wochenmagazin "Profil" ätzt: Zwar sei mit dem ewigen Rot-Schwarz auf Landesebene gebrochen worden – doch die Grünen liefen jetzt Gefahr, zu reinen Handlangern des Machterhalts zu werden. Für den Meinungsforscher Wolfgang Bachmayer ist die Ökopartei bereits ein "politischer Vollsortimentierer".