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Olympia 2016
Luxuswohnungen statt Regenwald

In Rio de Janeiro ist in diesen Tagen der Kurs des olympischen Golfplatzes fertig geworden. Der verwandelt ein Naturschutzgebiet in ein Immobilien-Spekulationsobjekt. Gegen das Projekt demonstrieren seit Wochen Aktivisten mit einem Protestcamp.

Von Carsten Upadek | 24.01.2015
    Brasilianische Demonstranten gegen den olympischen Golfplatz
    Die Demonstranten von "Ocupa Golfe" wehren sich gegen den olympischen Golfplatz. (deutschlandradio.de / Carsten Upadek)
    In Rio de Janeiro ist Sommer und der ist heiß: an diesem Nachmittag über 40 Grad. Auf der Avenida das Américas glüht der Asphalt. Sie ist die Haupt-Verkehrsachse im Osten der sechseinhalb-Millionen-Metropole. Zwischen den Fahrpisten steht auf einem Grünstreifen ein Angico-Baum. Unter seinem Blätterdach kampieren Demonstranten der Bewegung "Ocupa Golfe", ihr Name lehnt an die Occupy-Bewegung an. Sie protestieren gegen den Olympia-Golfplatz auf der anderen Straßenseite, dessen Bau sie für kriminell halten.
    Einer der ersten Besetzer Anfang Dezember war der Student Ian Miranda. "Es gab davor andere Aktionen. Aber die haben nicht so viel Aufmerksamkeit erregt! Wir glauben, wir stören den Bürgermeister. Er hat das Ordnungsamt schon viermal hierher geschickt. Sie haben uns geschlagen und unsere Sachen mitgenommen. Aber umso mehr sie uns schlagen, umso mehr Unterstützung bekommen wir!"
    2011 entschied die Stadtverwaltung für die Olympischen Spiele einen neuen Golfplatz bauen zu lassen, obwohl es bereits zwei Plätze gab. Die Wahl fiel auf dieses Gelände, das sich im teuren Strandviertel Barra da Tijuca befindet – hier wohnt die junge Finanz-Elite. Das Gelände steht unter Umweltschutz. Von der Avenida das Américas dehnt es sich fast einen Kilometer aus Richtung Meer an die Lagune Marapendi.
    Laut Gesetz ist das Naturschutzgebiet unantastbar - eigentlich
    An deren Rand gibt es auf der Fläche von acht Fußballfeldern Reste atlantischen Regenwaldes mit selten Pflanzen und Tieren - wie den Breitschnauzenkaiman, eine Alligatorenart. Dieser Teil ist ein Reservat und laut Gesetz eigentlich unantastbar, sagt Biologe Marcello Mello: "Das ist eines der bedrohtesten Ökosysteme der Welt. Seit Brasilien vor 500 Jahren entdeckt wurde, sind nur noch sieben Prozent der ursprünglichen Fläche übrig." Doch die Stadtverwaltung genehmigte das Bauprojekt im Umweltschutzgebiet in einer Dringlichkeitssitzung kurz vor den Ferien Ende 2012, obwohl es nicht mal ein Umweltgutachten gab. "Warum? Weil, wenn sie eines angefertigt hätten, hätte das belegt, dass sie den Golfplatz nicht bauen dürfen und eine ganze Reihe Gesetze verletzten."

    Der Bau hat laut Umwelt-Aktivisten 90 Prozent des Schutzgebietes und 70 Prozent des Reservates Marapendi zerstört. Dafür machen sie Bürgermeister Eduardo Paes direkt verantwortlich. Der wehrt sich in einem öffentlichen Video-Chat mit von der Stadt ausgesuchten Journalisten: "Es gibt keinerlei Schäden für den Marapendi-Park. Im Gegenteil: Wo der Golfplatz entsteht war eine Zementfabrik. Die Vegetation war total degradiert. Beim Golfplatz nutzen wir Charakteristiken der typischen Vegetation der Region." Biologe Mello widerspricht. Das sei nur ein Teil der Wahrheit: "Das ist eine Form die Bevölkerung zu täuschen, die keine ökologischen Kenntnisse hat."
    Der Biologe Mello
    Der Biologe Mello (deutschlandradio.de / Carsten Upadek )
    Die Kosten für das Golf-Areal kalkulierte die Stadt mit umgerechnet knapp 20 Millionen Euro. Die sollen allerdings von einem privaten Investor bezahlt werden, sagt Bürgermeister Eduardo Paes: "Das ist eine intelligente Partnerschaft! Anstatt so viel öffentlichen Geldes auszugeben, um einen Golfplatz zu konstruieren, ändern wir die Konstruktions-Parameter."
    Der Vorwurf: Apartments im Tausch für Baulizenzen
    Diese Änderung der "Konstruktions-Parameter" heißt: Eine Immobilienfirma baut den Golfplatz für die Stadt und die genehmigt dafür nebenan 23 Apartmenthäuser mit Luxuswohnungen. Die 3500 Apartments sollen pro Stück bis zu fünf Millionen Euro kosten. Die exponierte Lage und der Olympia-Golfplatz machen es möglich. Geschätzter Gewinn: 330 Millionen Euro. Hinter dem Deal steckt der Unternehmer Pasquale Mauro, der in Rio in dutzende Prozesse verwickelt ist wegen Landbetruges und illegaler Immobilien-Geschäfte.
    Auch für den Golfplatz seien Dokumente gefälscht worden, behauptet der Anwalt Jean Carlos Novaes. Er besitzt ein Dokument aus dem Jahr 1979, das den brasilianischen Bund als eigentlichen Besitzer ausweist. "Was aber klar wird ist, dass es tatsächlich eine Bereitwilligkeit der öffentlichen Organe gibt, die Augen zuzumachen vor den Beweisen, die die Illegalität des Besitzes belegen."
    Investor Mauro hat beste Beziehungen zum Bürgermeister. Seine Firma Cyrela spendete für dessen Wahlkampf, berichtet die Zeitung O Globo. Derweil sei die Tochterfirma RJZ Cyrela bei Baugrund besonders skrupellos, sagt Marcello Mello. "Die Mehrheit ihrer Investitionen befindet sich auf dem Gebiet von Atlantischem Regenwald. Sie plündert die Natur in einer unverantwortlichen und kriminellen Art und Weise. Und ich habe Informationen, dass sie mit Apartments bezahlt, wenn sie Schwierigkeiten mit Lizenzen hat."
    Damit meint er die vormalige Staatsanwältin um Fall Olympia-Golfplatz, die zufällig in einem Cyrela-Apartment wohnt. Im Dezember jedenfalls hat ein Gericht das Verfahren wegen Irregularitäten beim Bau eingestellt. Und auch der Untersuchungsausschuss eines linken Abgeordneten kam wegen fehlender Unterschriften im Stadtrat nie zustande. Stattdessen begannen Ian Miranda und andere Aktivisten mit ihrem Protestcamp. Morgen wollen sie im Nachbarviertel Recreio demonstrieren: "Recreio ist mehr als einen Monat ohne Wasser. Hier in Barra gibt es seit 15 Tagen kein fließendes Wasser mehr. Und das, weil sie alles für den Golfplatz nutzen!"
    Golfplatzgelände mit Wasserfontänen
    Golfplatzgelände mit Wasserfontänen (deutschlandradio.de / Carsten Upadek)
    Hinter der Abzäunung sind die Fontänen der Beregnungsanlage zu sehen, die das Gras sprießen lassen sollen. Täglich verbrauchen sie 1,5 Millionen Liter Wasser – während Brasilien unter einer historischen Wasserknappheit leidet. Der Golfplatz, versprach der Bürgermeister, werde ein Vermächtnis von Olympia an die Bevölkerung. Absurd, sagt Biologe Mello: "Die Brasilianer spielen kein Golf. Das Volk hat gar kein Geld für das Equipment, Schläger, Bälle, Tasche, Platzmiete. In Wahrheit geht es nur darum, die Privatwirtschaft zu bereichern."