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Olympia-Ausrüster
Schuh-Boykott des DOSB geht vor Gericht

Kritik am Internationalen Olympischen Komitee gab es in den vergangenen Wochen reichlich. Als der Schuh-Ausrüster Sioux aber deswegen ankündigte, seinen Vertrag mit dem Deutschen Olympischen Sportbund nicht verlängern zu wollen, kündigte der DOSB den Vertrag einseitig und fristlos. Ob das rechtens war, müssen nun Gerichte klären.

Von Heinz Peter Kreuzer | 28.08.2016
    Einmarsch der deutschen Mannschaft - in Sioux-Schuhen
    Einmarsch der deutschen Mannschaft - in Sioux-Schuhen (Michael Kappeler/dpa/picture alliance)
    Als Sioux-Geschäftsfüher Lewin Berner die Abschlussfeier von den Olympischen Spielen in Rio sah, kam keine Freude auf. Das deutsche Team lief nicht in den Schuhen des Sponsors Sioux auf, sondern trug anderes Schuhwerk. Der Deutsche Olympische Sportbund DOSB und seine Tochter Deutsche Sportmarketing DSM hatten einseitig den Vertrag fristlos gekündigt. Der Schuhboykott in Rio war die erste Folge dieser Entscheidung. Das Erstaunliche daran: Normalerweise beenden eher die Sponsoren die Verträge wegen Imageschädigung. Der Rechtsanwalt Mark E. Orth erläutert: "In der Vergangenheit war es eher so, dass Sponsorunternehmen diese Möglichkeit zur Kündigung genutzt haben, wo es zu einem negativen Imagetransfer gekommen ist. Etwa im Falle von Doping, dass dann der Sponsor gesagt hat, ich möchte dieses negative Image nicht auf meine Marke übertragen, und deswegen kündige ich meinerseits den Sponsorvertrag."
    In diesem Fall haben DOSB und DSM ihre Verträge mit Sioux fristlos gekündigt. Das Unternehmen habe die olympische Bewegung in Misskredit gebracht und gegen Vertraulichkeits-Verpflichtungen verstoßen. So die Begründung. Der Schuhhersteller hatte während der Sommerspiele in einer Pressemitteilung bekanntgegeben, nach 44 Jahren den Vertrag als Olympia-Ausstatter zum Jahreswechsel nicht weiter zu verlängern. Das Unternehmen begründete die Entscheidung so: Die Olympischen Spiele hätten sich immer mehr von ihrem eigentlichen Sinn entfernt, die gesellschaftliche Verwurzelung der Spiele nehme ab. Dazu kritisiert Sioux einen "Gigantismus" bei Olympia und führt "soziale, volkswirtschaftliche und ökologische Verwerfungen" an den Austragungsorten auf. Von der Kritik ausgenommen wurden ausdrücklich deutsche Verbände und Sportler.
    Klage gegen den DOSB
    Da die Sioux-Anwälte die Kündigung für unbegründet und damit unwirksam halten, hat die Firma dagegen vor dem Landgericht Frankfurt geklagt. Jurist Orth sieht gute Erfolgsaussichten für das Unternehmen: "Ich sehe keinen Grund für eine fristlose Kündigung. Wenn ich die öffentlichen Informationen richtig verstehe, beruft sich der DOSB ja darauf, dass das sponsornde Unternehmen das Wohlverhalten geschädigt hätte und dadurch das gemeinsame Kommunikationsziel geschädigt hätte."
    Zum einen habe Sioux nicht den DOSB kritisiert, sondern allerhöchstens das IOC. Hier seien auch keine Fakten zu Tage getreten, die vorher nicht bekannt waren. "Und zum anderen hat Sioux als Unternehmen auch ein Interesse daran, dass dieses negative Image, das inzwischen mit dem IOC verbunden ist, nicht auf Sioux übertragen wird, und dieses Interesse ist natürlich auch schutzwürdig."
    Auch wenn die Prognose günstig ist. Berner lässt derzeit das Olympia-Logo von allen Geschäftspapieren, Unterlagen und Schuhkartons entfernen, um möglichen Strafen bei einer juristischen Niederlage vorzubeugen.
    Solidarität im Netz
    Aber das Vorgehen des DOSB kann sich bei der Rechtslage kaum jemand erklären. Kritik am IOC üben derzeit viele Sportfunktionäre, Medien und auch Sponsoren. Da müsste es eine weltweite Kündigungswelle geben. Zur Erinnerung: Der Fußball-Weltverband FIFA wurde während seiner Krise auch von seinen eigenen Hauptsponsoren kritisiert. Ohne Konsequenzen für die Unternehmen.
    Aus einem normalen Geschäftsvorgang macht der DOSB jetzt ein mediales Ereignis. Von den lokalen Medien wanderte das Thema in überregionale und auch in den sozialen Medien findet der Streit seinen Niederschlag. "Und das spielt insoweit eine Rolle, weil wir einerseits sehr, sehr viel Solidarität erfahren haben. Also unseren Beitrag haben 130 000 Facebook-Nutzer gelesen, es haben uns sehr, sehr viele ihre Solidarität bekundet, und uns sogar ihre Unterstützung zugesagt beim Kartons umpacken. Aber gerade dieses Facebook-Thema, ohne da ins Detail zu gehen, spielt auch eine Rolle im Kontext der Kündigungen", erklärt Berner.
    Trotzdem: Auf den ersten Blick ist kaum ersichtlich, welche Vorteile die Dachorganisation von einer vorzeitigen Vertragsauflösung hat. Bei einer Niederlage vor Gericht drohen Prozesskosten und Schadensersatz. Zum Thema äußert sich der DOSB wegen des laufenden Verfahrens nicht. So wird fleißig über die Motive spekuliert, will die Dachorganisation mit diesem Verfahren eine Nebelkerze zünden, um von einem eventuellen größeren Skandal abzulenken? Oder will man in Frankfurt nur einen Kritiker abstrafen? Diese Fragen kann nur der DOSB beantworten.
    Ende einer langen Partnerschaft vor Gericht
    Bisher wurden Gesprächsangebote seitens Sioux von der Dachorganisation nicht angenommen. Deshalb fühlt sich Berner an der Eskalation unschuldig. Man habe nur Sachargumente geliefert, um die Beendigung des Vertrages zu begründen. Gegen die fristlose Kündigung müsse man sich aber wehren. Berner sagt: "Wir selbst haben kein Interesse an einer Eskalation. Wir wehren uns, wenn wir uns wehren müssen, aber uns wäre ein Weg ohne Streit lieber, zumal uns 44 Jahren Jahre lang eine enge Partnerschaft verbunden hat, und es doch sehr schade ist, wenn am Ende einer langen Partnerschaft der Weg vor Gericht gezeichnet ist."
    Dieses Verhalten gegenüber einem Partner, der dem deutschen Olympiateam seit 1972 die Treue gehalten hat, könnte dem DOSB und der DSM zukünftig Probleme bei der Sponsorensuche bereiten. So mahnt Anwalt Orth: "Für mich ist es auch wenig nachvollziehbar, wieso der DOSB diesen Zeitpunkt wählt für die fristlose Kündigung. Der DOSB muss natürlich sehen, dass er sich am meisten schadet. Er schadet dem Produkt, was er verkaufen will. Sponsoren werden sich in Zukunft sehr gut überlegen, ob sie mit dem DOSB Sponsorenverträge abschließen, wenn der DOSB dann zu solchem Verhalten neigt."
    Für Lewin Berner dürfte das Thema Olympia voraussichtlich Ende des Jahres beendet sein. Aber am 7. September, bei der Eröffnungsfeier der Paralympischen Spiele in Rio, wird er noch einmal einen netten Fernsehabend haben. Denn Friedhelm Julius Beucher, Präsident des Deutschen Behindertensport-Verbandes, bestätigte dem Deutschlandfunk: "Wir haben mit der Firma Sioux sowohl für den Einmarsch als auch für den Ausmarsch bei der Abschlussveranstaltung einen Vertrag. Der uns verpflichtet, diese Schuhe zu tragen, und da halten wir selbstverständlich den Vertrag ein."
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    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.