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Olympischer Gigantismus
Spiele in Sotschi: Ein Beweis für Russlands Stabilität?

In wenigen Tagen geht es los in Sotschi. Aber in welchem Licht wird Russland da stehen? Herrscht dort die Stabilität, die immer wieder propagiert wird? Ein Kommentar zum Abschluss unserer Serie "Größer, teurer, skrupelloser".

Von Robert Baag |
    Die Olympischen Ringe in Sotschi vor dem Hauptgebäude des Flughafens
    In wenigen Tagen beginnen die Winterspiele von Sotschi (picture alliance / dpa-Zentralbild / Jens Büttner)
    Im “Hinterhof“ oder vielmehr im “Vorgarten“ brennt es lichterloh, doch die Olympischen Winter-Spiele in Sotschi werden am kommenden Freitag wie geplant mit Pomp und Prunk ihren Lauf nehmen. Nichts wird in Russlands öffentlich vermittelter Wahrnehmung diesen hochkarätigen Event im eigenen Land stören können - schließlich krönt er die jahrelangen Bemühungen von Staatspräsident Wladimir Putin, Russland wieder in vermeintlich altem Glanz erstrahlen zu lassen. Da mag es die dramatische Zerreißprobe in der benachbarten Ukraine geben, sicherlich nicht ohne Zutun aus Moskau, da mögen dunkle Terrordrohungen bärtiger Islamisten aus den verschneiten Wäldern des längst nicht befriedeten Nordkaukasus dräuen - die Botschaft, die permanent via staatlich kontrollierte Medien verbreitet wird, lautet mantraartig: Wir haben alles unter Kontrolle, alles im Griff, die Lage in Russland ist stabil. Doch ist sie das? “Stabilität“ ist das Zauberwort, das für die bisherige, bald 15 Jahre andauernde Ära des gelernten sowjetischen Geheimdienstoffiziers Putin gerne benutzt wird.
    Die Mechanismen, mit dem dieser Eindruck nach innen wie nach außen vermittelt werden soll, stammen nicht zuletzt aus dem Fundus dieses Sicherheitsapparates, sind von dem zugegeben cleveren und instinktbegabten Taktiker Putin schon oft erfolgreich angewandt worden: Tarnen und täuschen, Schwächen des Gegenübers treffsicher erkennen und zum eigenen Vorteil ummünzen - bis dahin ist das noch Teil des allgemeinen politischen Ränkespiels weltweit, mithin kein russisches Spezifikum. Der bedeutsame Unterschied beginnt indes dort, wo Desinformation, Rechtsnihilismus, Verfolgung und Unterdrückung Andersdenkender bis hin zum skrupellosen Einsatz blanker Gewalt als Mittel dienen, um die eigenen politischen und wirtschaftlichen Ziele durchzusetzen.
    Die von Moskau nach außen stets proklamierte Achtung von Grund- und Bürgerrechten, die aber zugleich einhergeht mit einer selektiv und oft demonstrativ angewandten Missachtung seitens der Staatsmacht gehört längst zur russischen Alltagswahrnehmung - und zwar bewusst wie unbewusst. - Derlei herbeigezwungene Ruhe kann man natürlich als “Stabilität“ bezeichnen. “Mehltau“-Atmosphäre scheint allerdings der passendere Begriff zu sein, will man die aktuelle politische Landschaft in Russland umschreiben. Allerdings: Oppositionelles Potential ist immer noch vorhanden. Die Großdemonstrationen kurz nach den umstrittenen Dumawahlen im Dezember 2011 sind keineswegs vergessen, ebenso wenig wie die darauf folgende rachsüchtige Reaktion der so genannten “Macht“ mit Putin an der Spitze gegen diese vermeintliche “Unbotmäßigkeit der Straße“.
    Übrigens: Nicht zuletzt die angebliche ökonomische Stabilität Russlands, die als Frucht Putinscher Politik gilt und auch von vielen Interessierten im Westen gern gelobt wird, scheint zunehmend in Frage zu stehen. Immer noch weit verbreitete Korruption als Grundübel, Rechtsunsicherheit und die bloße Fixierung auf Rohstoffexporte werfen bedrohliche Schatten voraus. Zu welchen gesellschaftlichen Konsequenzen solch eine profitmaximierte Politik führen kann, beweisen in diesen Tagen nämlich nicht zuletzt die Ereignisse in der Ukraine.
    Diese Dynamik dort unterschätzt zu haben, macht deutlich, das Putin mutmaßlich Stärken als Taktiker hat, als vorausschauender Stratege allerdings schwächelt er. Und, skurril genug, vielleicht deshalb dürfte er inzwischen sogar schon das Ende “seiner Spiele von Sotschi“ herbeisehnen. Denn dann muß er nicht mehr - gemäß seiner Definition von Stabilität - irgendwelche störenden Ermahnungen oder gar Negativ-Reaktionen aus dem Ausland fürchten, die ihm eventuell “seine“ Winterspiele vergällen könnten. Dann kann er sich endlich wieder ganz um seinen “Hinterhof“, wahlweise “Vorgarten“ kümmern, aber auch voll umfänglich ums eigene Haus. Der Kreide-Kasten der Konzilianz aber kann wieder verschlossen und in den Werkzeugschrank zurückgestellt werden.