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Oman
Das Schweigen des Sultans

Am 18. November feiert der Oman seinen Nationalfeiertag - und gleichzeitig den 77. Geburtstag von Sultan Qaboos bin Said al-Said. Seit fünf Jahrzehnten steht er an der Spitze des Landes - länger als jeder andere Herrscher im Nahen Osten. Wer dem kinderlosen Sultan einmal nachfolgen wird, ist unklar.

Von Anne Allmeling | 18.11.2017
    Oman's Sultan Qaboos chairs the opening session of the annual summit of the Gulf Cooperation Council (GCC) in Muscat on December 29, 2008.
    Der Sultan vom Oman: Qabus ibn Said (AFP PHOTO / MARWAN NAAMANI)
    Es ist dunkel geworden in der Wüste. Mansoor Al-Shabibi hat sich ein Feuer gemacht. Er will heute draußen übernachten, so wie früher, als er noch ein Kind war. Der 49jährige Bibliothekar wuchs in Mussanah auf, etwa 100 Kilometer von Maskat entfernt. Sein Vater bewirtschaftete damals eine Farm, und die zehn Kinder halfen beim Anbau von Datteln und Mangos. Oman gehörte damals zu den rückständigsten Ländern der arabischen Welt.
    "Wir sind von unserem Zuhause zu Fuß zur Farm gelaufen - ohne Schuhe! Es gab keine Schuhe, nichts, was wir an unseren Füßen hätten tragen können. Also haben wir uns selber welche gebastelt, aus Palmenblättern. Wenn wir die Farm erreichten, hatten sie sich schon aufgelöst."
    Der Sultan ließ Straßen und Schulen bauen
    Ein beschwerlicher Alltag, doch der änderte sich bald. Als Sultan Qaboos bin Said al-Said 1970 mit Hilfe der Briten die Macht übernahm, setzte er alles daran, das Land zu entwickeln, mit den Einnahmen aus der Erdölförderung. Für Mansoor und seine Geschwister gab es bald eine Schule. Später wurden Straßen gebaut und Häuser aus Beton, alles auf Geheiß des jungen Sultans.
    "Der hat ja das Land aus einem schrecklichen Lähmungszustand, mittelalterlichen Lähmungszustand in die Moderne geführt, und zwar radikal, wahnsinnig schnell und vor allem: ziemlich gerecht."...sagt Jürgen Werner, ehemaliger Prorektor der deutschen Universität in Maskat und Geschäftsführer der Online-Lernplattform Niuversity.
    "Die Kunst des Sultans ist ja: Er muss etwa 300 Stämme so behandeln, dass sich niemand benachteiligt fühlt. Alle haben was bekommen von dem wahnsinnigen Ölreichtum. Es gibt keine Orte mehr ohne Wasser, ohne Strom - damit gewinnt man ein Volk."
    Die Zeiten haben sich auch für den Oman verändert
    Kein Problem in einer Zeit, in der nur wenige Menschen in Oman lebten und das Öl reichlich vorhanden war. Doch die Bevölkerung ist schnell gewachsen. Die Einnahmen aus der Ölförderung sinken, und die Arbeitslosigkeit steigt. Auch, weil die Omaner längst nicht mehr alles selber machen.
    "Also man hat die ganzen einfachen Arbeiten sofort an Ausländer gegeben, man hat all diese Arbeiten ausgesondert und dann stellt man fest, dass Omaner eigentlich alle Chefs und Manager sein wollen, und das funktioniert in dem Land nicht. Qaboos hat versäumt, im rechten Moment zu erkennen, dass es so nicht weitergeht."
    Verglichen mit den benachbarten Emiraten Abu Dhabi und Katar hat Oman nur bescheidene Ölvorkommen. Trotzdem machen die Einnahmen aus der Erdölförderung noch immer den größten Teil der Staatseinnahmen aus. Über Jahrzehnte konnte die Regierung viele Bürger mit Stellen in Ministerien oder in staatlichen Einrichtungen versorgen. Doch mittlerweile gibt es dafür kaum noch Spielraum. Der Staatssektor ist aufgeblasen, die Privatwirtschaft sehr schwach und die Ausbildung lasse zu wünschen übrig, sagt Jürgen Werner: "Die Ausbildung ist sehr oft anwendungsfern, und somit sind die Leute schwer in den Arbeitsmarkt zu vermitteln. Die Ausbilder, sprich die Professoren, sind außer an der Sultan-Qaboos-Universität so gut wie nie Omaner. Das heißt: Da gibt es immer ein Kommunikationsproblem, weil diese Leute das natürlich auf Englisch machen, und es ist relativ schwer, Wissenschaftler zu bekommen, die nach Oman gehen. Das heißt, man findet keine Ingenieure, weil kein industrielles Umfeld da ist, man findet ganz schwer Business-Leute, darunter leidet die Ausbildung sehr."
    Wer folgt dem Sultan nach dessen Tod?
    Wer sich künftig darum kümmert wird, ist unklar. Sultan Qaboos ist seit fast fünf Jahrzehnten an der Macht. Der 77jährige soll in einem geheimen Brief notiert haben, wer sein Nachfolger wird – für den Fall, dass sich die Herrscherfamilie nicht innerhalb von drei Tagen nach seinem Tod auf einen Kandidaten einigen kann. Einen Generationswechsel, wie er sich in Saudi-Arabien abzeichnet, hält Jürgen Werner aber für unwahrscheinlich: "Die Leute, die Männer, natürlich, die in Frage kommen, sind alle um die Sechzig, sind wahnsinnig reich, und haben ihre Claims abgesteckt. Das heißt also: Ein Nachfolger in Oman wird nicht jung sein, er wird nicht den Schwung mitbringen, den vielleicht jetzt Mohammed bin Salman mitbringt, und natürlich wird er nicht den Schwung mitbringen, den Sultan Qaboos 1970 selbst mitgebracht hat."
    Mansoor Al-Shabibi hat nie einen anderen Herrscher erlebt. Wie viele Omaner wünscht er dem Sultan ein langes Leben - erst recht, wenn er sich wie an diesem Abend in die Wüste zurückzieht und über seine Kindheit nachdenkt.
    "Es waren wirklich harte Zeiten. Es gab keine Krankenhäuser, kaum Zugang zu Wasser, zur Toilette gingen wir draußen im Freien. Jederzeit konnten wir von einer Schlange oder einem Skorpion gebissen werden - und das ist auch zweimal passiert. Damals wussten wir nicht, dass die Bisse tödlich sein können. Ich habe zweimal überlebt."