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Orlando nach dem Attentat
Verschärfung des Waffenrechts gefordert

Der Terroranschlag auf den Pulse-Club in Orlando hat vielen Menschen in Erinnerung gerufen, dass Vorurteile und Hass nicht besiegt sind. Die Bluttat reiht sich ein in eine Folge von bewaffneten Terroranschlägen in den USA - und erneut stellt sich die Frage: Waffenrecht verschärfen oder nicht?

Von Marcus Pindur | 18.06.2016
    US-Präsident Obama und Vizepräsident Biden legen am 16.6 für die Opfer des Anschlags in Orlando Blumen nieder.
    US-Präsident Obama und Vizepräsident Biden legen am 16.6 für die Opfer des Anschlags in Orlando Blumen nieder. (AFP PHOTO/SAUL LOEB)
    Jeannette McCoy steht immer noch unter Schock. Sie war Zeugin des Terroranschlages auf den Pulse-Club in Orlando.
    "Wir haben so viele Menschen verloren. Wir haben ein Stück von uns selbst verloren. Die meisten verstehen nicht, dass die Toten tot sind. Aber dass wir, die wir überlebt haben, das ständig mit uns herumtragen werden."
    Auch Yvens Carrenard gehen die Bilder der Mordnacht nicht aus dem Kopf.
    "Ich konnte Menschen stöhnen hören. Ich konnte Menschen nach Hilfe schreien hören. Und als man uns herausbrachte, mussten wir über die Körper der Opfer steigen."
    US-Präsident Obama spendet Trost
    Knapp 250 Psychologen und Seelsorger sind aus den ganzen USA angereist, um den Angehörigen und den Überlebenden in den nächsten Wochen psychologische Betreuung und Trost zu bieten. Ein Stück dieser Betreuung muss immer auch der Präsident leisten. Am Donnerstag kam Barack Obama, nach Orlando. Allzuoft hat Obama in den letzten Jahren nach ähnlichen Massenmorden ähnliche Gesten zeigen und ähnliche Reden halten müssen.
    "Heute habe ich wieder einmal trauernde Angehörige in den Arm genommen, wie schon so oft zuvor. Und sie fragen mich: Warum passiert das immer wieder. Sie haben mich angefleht, das Blutvergießen zu beenden. Sie interessieren sich nicht dafür, ob da jemand über seinen politischen Schatten springen muss."
    Über ihren politischen Schatten springen müssten in der Mehrzahl Republikaner im Kongress. Der Druck ist groß. Der Täter, so kam bald ans Licht, hatte 2013 und 2014 auf der Terrorverdachtsliste des FBI gestanden. Trotzdem konnte er ein automatisches Sturmgewehr und eine Pistole kaufen – völlig legal.
    Diskussion um Einschränkung des Waffenrechts
    In acht der 15 Massenmorde der letzten Zeit gelangten solche Sturmgewehre zu trauriger Berühmtheit. Von 1994 bis 2004 waren sie verboten. Dann lief das Verbot aus, und der damalige Präsident Bush konnte sich bei seiner eigenen Partei mit einer Verlängerung nicht durchsetzen. Jetzt hat sich erstmals seit Jahren ein Fenster in Richtung einer – wenn auch bescheidenen – Einschränkung des Waffenrechtes geöffnet. Der Senat will am kommenden Montag darüber abstimmen, ob in Zukunft Bürgern, die auf einer Terror- oder Flugverbotsliste stehen, das Recht auf Waffenkäufe aberkannt werden kann.
    Der demokratische Minderheitsführer im Senat, Harry Reid, wies die Republikaner darauf hin, dass sie jetzt nicht nur das Mäulchen spitzen, sondern auch pfeifen müssten.
    "Die Republikaner müssen jetzt auch für diese Einschränkungen stimmen. Das wird aber nicht passieren, wenn sie weiterhin ihre Befehle von der Waffenlobby entgegennehmen."
    Donald Trump, der von der Waffenlobbyorganisation NRA unterstützt wird, reckte die Nase in den Wind und kündigte angesichts der aufgewühlten Stimmung an, ebenfalls eine Einschränkung des Rechtes auf Waffenerwerb für Terrorverdächtige zu unterstützen. Trump hatte in den vergangenen Wochen deutlich an Zustimmung eingebüßt. Unter anderem, weil er den Terroranschlag auf die Schwulen- und Lesbendisko allzu offensichtlich politisch auszuschlachten versucht hatte.
    IS-Ideologie mehr Fassade als tatsächliche Motiviation
    Mehr und mehr stellt sich nämlich heraus, dass die Ideologie des sogenannten Islamischen Staates, die der Täter für sich reklamierte, mehr Fassade als tatsächliche Motivation ist. Der gebürtige Amerikaner afghanischer Abstammung hatte offensichtlich ein Problem mit seiner eigenen sexuellen Identität. Zeugen haben ihn als häufigen Besucher des Pulse-Clubs und Benutzer einer schwulen Dating-App in Erinnerung. Die Clubs der Schwulen, Lesben, Bi- und Transsexuellen, abgekürzt im englischen LGBT sind Freizeitorte, aber auch immer ein Stück Gemeinde, ein Stück Sicherheit. Dieses Gefühl ist nun schwer erschüttert, sagt Corey Lyons, der für eine NGO in der Aidsprävention arbeitet.
    "Wo immer sich die LGBT-Szene trifft, findet auch ein Stück Gemeindeleben statt. Ob das nun Cafés, Restaurants, Clubs oder Bars sind, ist ganz egal. Orlando hat zwar eine große Bevölkerung, aber es gibt nur sehr wenige Bars, in die wir gehen. Der Pulse-Club war einer von nur drei Clubs, wo sich die LGBT-Gemeinde trifft."