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Ostalgie-Party für DDR-Wissenschaftler?

Die 90er Jahre waren eine harte Zeit für die ostdeutschen Wissenschaftler. Wer in der DDR geforscht hatte, wurde evaluiert – und zum großen Teil "abgewickelt". An der Berliner Humboldt-Universität etwa mussten 75 Prozent der Professoren gehen und fast 90 Prozent der Dozenten. Nur ein kleiner Teil der ostdeutschen Wissenschaftler war politisch belastet. Viel entscheidender war die fachliche Begutachtung – und: die rigorose Stellen-Kürzung. Ein Thema, das noch immer für Umnut sorgt. Grund für den Berliner Kultur- und Wissenschaftssenator Thomas Flierl von der PDS, nun einen "Akt der Versöhnung" zu planen, mit dem die Abgewickelten im nachhinein gewürdigt werden sollen. Das sorgt in der Hauptstadt für Krach.

Von Jens Rosbach |
    Wir haben auf dem Gebiet der Wissenschaft eine Ähnlichkeit mit Verhältnissen, die man als akademische Apartheid bezeichnen kann. Wer aus dem Osten kommt, hat es verdammt schwierig, an westlichen Universitäten angenommen zu werden, ne Stelle zu bekommen. Hier, auf diesem Gebiet, wird Unrecht auch bleiben, solange da nicht etwas getan wird, um dieses Unrecht zu beseitigen.

    Ulrich van der Heyden ist tief gekränkt. Der Historiker und Afrikanist forschte einst an der Akademie der Wissenschaften der DDR. Nach der Wende wurde er drei mal evaluiert, bis er schließlich von einer Max-Planck-Einrichtung übernommen wurde. 1995 war Schluss, van der Heyden landete auf der Straße. Eine Förderung aus anderen Töpfen fiel aus, da die westdeutschen Gutachter die Arbeit des Ostberliners als nicht "innovativ" einschätzten. Sein – persönlicher - Eindruck:

    Es ging nur darum, die mögliche Konkurrenz, die im Osten da entstand, zu beseitigen oder klein zu halten oder auszuschalten.

    Van der Heyden hangelt sich seit nunmehr acht Jahren von einem Kurzzeit-Forschungsprojekt zum nächsten - obwohl der Afrikanist zwölf Bücher geschrieben hat, zwei Doktortitel trägt und habilitiert wurde. Mehr als eine Privatdozenten-Stelle hat der 49jährige nicht gefunden.

    Das heißt, ich muss meine Lehrstunden bringen, ich muss auch Prüfungen abnehmen, ich muss Diplomarbeiten, Hausarbeiten, Magisterarbeiten, Dissertationen betreuen, also eigentlich das, was man sonst für viel Geld an der Universität macht. Wir als Privatdozenten müssen das alles umsonst machen, wir müssen da selbst noch die Fahrtkosten für aufbringen, aber man macht`s eben, ganz einfach, um den Titel Privatdozent nicht zu verlieren, den man ja braucht, wenn man sich auf einen Lehrstuhl bewirbt.

    Berlins Kultur- und Wissenschaftssenator Thomas Flierl will sich nun all der Ost-Forscher annehmen, die sich ungerecht behandelt fühlen. Der PDS-Politiker erklärte im Berliner Abgeordnetenhaus, dass er die Leistungen dieser Wissenschaftler in einer offiziellen Feierstunde im Roten Rathaus –symbolisch – honorieren wolle.

    Meine Damen und Herren, wir können Nachwendebiografien nicht korrigieren, selbst da nicht wo offensichtlich Unrecht geschehen ist. Aber wir können versuchen, etwas von der Würde wieder herzustellen. Das ist keine Klientelpolitik, sondern ein Beitrag zu Einigung der Stadt.

    Das Brisante: Der Senator will bei der Feierstunde auch den früheren Theologen der Humboldt-Universität Heinrich Fink mit dabei haben. Fink ist ein ehemaliger inoffizieller Mitarbeiter der Staatssicherheit.

    Selbstverständlich werde ich auch Herrn Fink zu einer solchen Verabschiedung einladen.

    Die Folge: Krach im Parlament, Empörung bei der CDU. Sogar Berlins Regierender Bürgermeister Klaus Wowereit von der SPD wendet sich gegen den PDS-Senator - obwohl dieser Mitglied seiner rot-rote Regierung ist. Wowereit will verhindern, dass weitere ehemalige MfS-Mitarbeiter oder SED-Funktionäre "gewürdigt" werden sollen – Funktionäre, die zu DDR-Zeiten in den Universitäten die Macht ausübten.

    Wenn man vor allen Dingen sieht die vielen Menschen, die darunter ja gelitten haben im Wissenschaftsbereich zu Zeiten der DDR, das ist ja ein Schlag ins Gesicht gegenüber diesen Menschen und insofern wird es denke ich mit der Mehrheit des Senats so etwas nicht geben. Ich kann mir auch nicht vorstellen, dass so eine Veranstaltung im Roten Rathaus durchgeführt wird, auch dazu bin ich zuständig und das werde ich dann also auch gegebenenfalls verhindern.

    Ebenso entrüsten sich Berliner Opfer-Verbände und Historiker über den geplanten "Akt der Versöhnung". Unter den Kritikern sind auch ostdeutsche Wissenschaftler, die es nach der Wende tatsächlich schwer hatten – und dennoch nur wenig von der PDS-Initiative halten. Wie der Afrikanist Ulrich van der Heyden.

    Naja, wir haben in Berlin demnächst wieder Wahlen und da denke ich, muss auch oder gerade ein PDS-Senator dafür Sorge tragen, dass seine Partei wieder gewählt wird und da muss er die verloren gegangenen Stimmen, die die Partei ja nun mal hinnehmen musste, gerade weil er und andere in der Regierungsbeteiligung sind, wieder kompensieren.