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Perfekte Jäger unter Wasser

Auf ihren kurzen Tauchgängen erbeuten Amerikanische Wasserspitzmäuse unter anderem Fische, die nicht selten so groß sind wie sie selbst. Kanadische Biologen haben die Jagdstrategien der kleinen Räuber im Labor untersucht.

Von Michael Stang | 07.08.2012
    Ausgewachsene Wasserspitzmäuse sind gerade einmal so groß wie ein menschlicher Daumen und bringen im Schnitt nur 14 Gramm auf die Waage. Aber nicht ihr Miniaturformat fasziniert den kanadischen Biologen Kevin Campbell von der Universität von Manitoba in Winnipeg, sondern ihr Tauch- und Jagdverhalten.

    "Unter Wasser schnappen sie sich Libellenlarven, Schnecken oder Krebse, die genauso groß sind wie sie selbst. An Land reißen sie den Krebsen alle Beine aus und machen sich an die Innereien; es sind einfach unglaubliche Jäger."

    Die Tauchgänge sind immer sehr kurz, meist nur wenige Sekunden lang. Das widerspricht dem normalen Verhalten von spezialisierten Tauchern. Dort gilt die Rechnung: Viel hilft viel. Je größer die Tiere sind, desto länger tauchen sie.

    "Die Wasserspitzmäuse aber können am wenigsten Sauerstoff von allen Tauchern mit nach unten nehmen und dann verbrauchen sie ihn auch noch am schnellsten. Hinzukommt, dass sie aufgrund ihres geringen Volumens sehr schnell auskühlen."

    Das schnelle Auskühlen ist vor allem in den kalten kanadischen Wintern ein großes Problem. Das hält die Tiere aber nicht davon ab, unglaublich gute Taucher zu sein, so der Forscher. Die winzigen Wasserspitzmäuse tauchen auch unter Eisdecken hindurch, manchmal in absoluter Dunkelheit. Wie die Mäuse dies machen, wollte Kevin Campbell untersuchen. Mit Lebendfallen fing er 70 wilde Mäuse und brachte sie in sein Labor, wo er in Wassertanks kleine Tauchparcours eingerichtet hatte. Am Ende des Beckens wurde eine Beute platziert, die sich die Mäuse tauchend holen mussten. Dabei machte es keinen Unterschied, ob die Mäuse im Dunklen oder Hellen tauchten. Stets fanden sie ihre Beute, weil die Mäuse unter Wasser riechen und so ihr Ziel sicher finden.

    "Dann wollten wir sehen, wie die Tiere im Winter tauchen: die Mäuse mussten im eiskalten Wasser tauchen und zwar unter einer Eisscholle durch – bei uns war das eine Plexiglasscheibe -, um an Futter zu kommen. Dabei zeichneten wir über 24 Stunden hinweg die Körpertemperatur auf."

    Kevin Campbells These war: Je kälter es wird, desto langsamer tauchen die Mäuse, dafür aber auch länger, weil sie ja weniger Sauerstoff verbrauchen. Aber nichts dergleichen geschah, die Tauchgänge blieben kurz und effizient.

    "Zu unserer Überraschung sahen wir, dass die Mäuse vor jedem Tauchgang einige Zeit verharrten und plötzlich stieg ihre Körpertemperatur – um mehr als ein Grad Celsius. Dabei verkürzt ja genaue dieses die Tauchzeit."

    Jedoch erhöht es die Effizienz, weil die Mäuse agil sind und so ihre Beute überrumpeln können. Wie die Tiere ihre Körpertemperatur erhöhen, ist noch nicht exakt geklärt. Vor einem Tauchgang rennen sie nicht, ihre Atmung wird auch nicht stärker. Kevin Campbell vermutet, dass dies mit einem Depot zu tun hat, dem sogenannten braunen Fettgewebe, das vor allem Tiere haben, die Winterschlaf halten. Diese spezielle Form des Fettgewebes kann durch Oxidation von Fettsäuren Wärme produzieren. Und so macht es den Amerikanischen Wasserspitzmäusen nichts aus, auch in kalten kanadischen Wintern nachts im Dunklen tauchend auf Beutejagd zu gehen.