Freitag, 26. April 2024

Performance
Literatur und Inszenierung

Was passiert, wenn Texte und Medien aufeinander treffen, miteinander kommunizieren oder sogar verschmelzen? Sieben Autoren begeben sich auf die Suche nach dem „Dazwischen“ von Texten und deren Darbietung.

Entwickelt in einem Seminar von Andreas Altenhoff, Hans W. Koch und Tobias Yves Zintel | 03.03.2018
    Bücher liegen auf dem Waffenplatz in Santiago de Chile.
    Welche Signale senden literarische Texte aus - und welche empfangen sie? (dpa / Agencia Uno / Francisco Castillo)
    Martin Baumeister "Reverberance"
    In "Reverberance" inszeniert Martin Baumeister eines seiner Gedichte, das den Titel "The Spider in my Room" trägt. Das Gedicht wird live durch ein Reverb-Effektgerät gesprochen, es wird mehrfach wiederholt, die Worte verlieren sich im Hall, die Grenzen des Gedichts werden durch ihre Wiederholung aufgeweicht, Bedeutungszusammenhänge verlieren sich im Nebel. Ein Verstehen wird angedeutet, aber unmöglich bleiben; an dessen Stelle tritt Atmosphäre, ein abstrakt-sinnliches Greifen, Fühlen, Schauen, das einen an der Grenze zum Gedicht zurücklässt, das einen das Gedicht betrachten lässt wie durch eine Milchglasscheibe: das Gedicht wird zur Ahnung, zur Andeutung einer uneingelösten Begegnung.
    Martin Baumeister, Studium der Literaturwissenschaften und Philosophie, seit Oktober 2017 Postgraduales Studium "Literarisches Schreiben" an der Kunsthochschule für Medien Köln. Veröffentlichungen im Dodo, Coventry und der Kritischen Ausgabe, Bonn.
    Max Höller "Häusner Räume"
    Mit "Häusner Räume" wird versucht, das Prinzip einer Technischen Übung, wie man sie beispielsweise in Musik oder Malerei findet (z.B. Komponieren wie Mozart, Maltechnik wie…) auf Literatur anzuwenden. "Häusner Räume" ist ein Text, der das Kopieren reflektiert, durch Thomas Bernhard inspiriert beginnt und auf verschiedenen Ebenen (rhythmische, inhaltliche, humoristische etc.) einzelne Fragmente kopiert. Gleichzeitig ist es auch ein offener Text, der Lücken für den Kontext der Inszenierung lässt und so improvisierte Momente impliziert.
    Max Höller studiert seit 2016 an der KHM und befasst sich mit u.A. mit Kopie, Notation und Raum (Skalierung, Fotografie-Installation, Raum-Theorie).
    Natalie Harapat "Tinthetinder"
    Gegenwart olé: Wozu noch ausgehen? Wozu noch Menschen treffen – das Handy ersetzt doch alles. Kein Wunder jedenfalls, dass die Autorin ihr Handy während dieser Performance nicht aus der Hand legt. Hier mischt sich eine literarische Auseinandersetzung mit authentischem Sprachmaterial. Dauer: 12 Minuten.
    Natalie Harapat ist freie Autorin und seit Oktober 2017 Studentin im postgradualen Studium "Literarisches Schreiben" an der Kunsthochschule für Medien in Köln. In ihren Texten berührt sie mit Lyrik und emotionalen Erzählungen aus dem Alltag ihrer Generation.
    Manuel Cardero "T(r)agebuch"
    In Anlehnung an einen Text von Elias Canetti über Auszeichnungen, Literatur und Tagebücher, behandelt Manuel Cardero in seiner Inszenierung die Frage nach der Grenze zwischen dem Literarisch-Privaten und dem Literarisch-Öffentlichen. Er wird kurze Auszüge aus seinem jüngsten ‚Tagebuch' vorlesen – sowohl auf Spanisch als auch auf Deutsch und dabei im Saal umhergehen. Die vorzutragenden Stellen werden aleatorisch vom Publikum bestimmt: ein/e Zuhörer*in wird mit Armen und Heft ‚umarmt' und zeigt mit dem Finger auf die Stelle, die vorgelesen werden soll.
    Manuel Cardero ist tätig als Architekt und freier Künstler, schreibt selber und macht seit 9 Jahren Poesieinstallationen in Zusammenarbeit mit Dichtern aus und in mehreren Ländern (Blog "Espaces-pour-poesie").
    Rike Hoppe "Kaskaden"
    Jeden Tag entstehen neue Bilder, weil Menschen durch die Welt gehen und Dinge sehen. "Kaskaden" ist der Versuch, die Überforderung für einen Moment zu protokollieren.
    Inga Fischer "Tagundnachtgleiche"
    In "Tagundnachtgleiche" inszeniert die Autorin Inga Fischer zusammen mit der Schauspielerin Amelie Barth die Erzählung "Montréal Métro", ein modernes Märchen vom Leben in der Fremde. Eindrücke aus der kanadischen Metropole verweben sich mit Motiven des Shakespeare Sonetts 27 (Helligkeit und Dunkelheit, Körper und Geist, Sehnsucht und Imagination). Eine dritte Erzählebene formt eine "Fabel" von einem Raben, eine Geschichte in der Geschichte, die die Protagonistin ersinnt. Um die Erzählebenen und die unterschiedlichen Wahrnehmungswelten der Figuren kontrastierend darzustellen, wird Amelie Barth den Haupttext dramatisch lesen, während Inga Fischer Fabel und Gedicht von einer Computerstimme sprechen lässt. Mit ihrer Inszenierung möchte Inga Fischer auch die Frage aufwerfen, ob Autoren, sich heute selbst inszenieren (können) müssen oder ob hochentwickelte Computerstimmen in Zukunft ihre Leistung wieder aufs Schreiben begrenzen werden. Die Lesung hat eine Dauer von circa 11-12 Minuten.
    Inga Fischer veröffentlichte im Frühjahr 2017 mit der Biographie über die jüdische Zeitzeugin Gerda Eisler, "Alles, woran ich glaube ist der Zufall", ihr erstes Buch. Seit Oktober 2017 studiert sie im postgradualen Studium "Literarisches Schreiben" an der Kunsthochschule für Medien in Köln. Sie schreibt überwiegend Prosa und arbeitet derzeit an ihrem ersten Roman.
    Amelie Barth studierte von 2013 bis 2017 Schauspiel an der Folkwang Universität der Künste. Noch während ihres Studiums war sie in "Die Borderline Prozession" am Schauspiel Dortmund zu sehen. Ebenso spielte sie in "Der Impressario" von Smyrna die Rolle der Annina am Schauspielhaus Bochum und die Myra in "Preparadise Sorry now" am Theaterzentrum Bochum.
    Danila Lipatov "Händereisen"
    "Nach und nach habe ich angefangen zu begreifen wo ich war und zu wünschen, meine Wünsche zu ..."
    Danila Lipatov studiert seit 2016 an der KHM.
    Thomas Empl "Baseballschläger"
    Thomas Empls "Baseballschläger" steht auf der einen Seite der Wand. Auf der anderen Seite schlägt ein Mann seine Frau. Neben dem Baseballballschläger sitzt eine Frau auf der Couch und muss ihre Zombieserien lauter stellen, um den Lärm der Nachbarn zu übertönen. Die Drehbuchautorin und Dichterin Lisa van Brakel liest für uns den Text, der im Kurzgeschichtenband "Was ist dein Gegenstand?" erschienen ist, während um uns herum die Zombies stöhnen. Die Lesung dauert sechs Minuten.
    Thomas Empl lebt und arbeitet als Autor in Köln und München. Seit 2017 ist er Teil des neu gegründeten Studienschwerpunkts Literarisches Schreiben an der Kunsthochschule für Medien Köln. Er sucht in seinen Texten das Schöne im Traurigen, den Ausbruch aus Abhängigkeiten und das Gefühl des Hip-Hops der frühen 2000er. Demnächst erscheint seine zweite Geschichtensammlung "Hüpfburg".
    Lisa van Brakel ist Drehbuchautorin und Dichterin. Unter anderem zeichnet sie sich als Co-Autorin für den ZDF-Fernsehfilm-der-Woche "Laim und die Zeichen des Todes" verantwortlich. Im Jahr 2017 schrieb sie außerdem das Finale zur zweiten Staffel der ZDFneo-Comedy "Im Knast".