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Personalmangel
Rettungsschwimmer in Not

Weil es weniger Rettungsschwimmer gibt, können Freibäder nicht wie gewohnt öffnen. Ein Mangel mit weitreichenden Folgen. Denn gerade dort kommt der so dringend gesuchte Schwimmnachwuchs mit der olympischen Kernsportart leicht in Kontakt.

Von Thorsten Poppe | 20.05.2018
    Drei Rettungsschwimmer simulieren die Bergung einer bewusstlosen Person mit Hilfe eines neuen Spineboards am 18.07.2016 im Freibad Saline in Halle/Saale (Sachsen-Anhalt) vor. Das Freibad in Halle wurde von der DRK Wasserwacht Halle einem Sicherheitscheck unterzogen und erhielt das Siegel «Sicheres Schwimmbad». Moderne Rettungsmittel, und ausgebildete Rettungsschwimmer sowie Ersthelfer sind Voraussetzungen dafür.
    Ohne sie läuft nichts: Rettungsschwimmer spielen im Schwimmbad eine wichtige Rolle. (dpa / picture alliance / Jan Woitas)
    "Die erste Bahn, die ging noch. Als man dann jemanden schleppen musste, und nur die Beine benutzen durfte, das war schon ziemlich anstrengend dann!"
    Für die Teilnehmer am Rettungsschwimmkurs der Deutschen Lebens-Rettungs-Gesellschaft DLRG in Wuppertal ist es eine Herausforderung: 300 Meter voll bekleidet in unter zwölf Minuten schwimmen. Nur eine von vielen Aufgaben, die es zu bewältigen gilt. Hier lernen sie zum Beispiel, mit welchem Griff sie eine in Gefahr befindliche Person aus dem Wasser ziehen können. Nach der Prüfung sind sie dazu berechtigt, am Beckenrand die Aufsicht zu übernehmen. Zum Beispiel in den Freibädern, die gerade in ihre Saison starten.
    Es herrscht Rettungsschwimmermangel
    Doch genau dort herrscht Rettungsschwimmermangel. Bestes Beispiel dafür ist das älteste, künstlich errichtete Freibad Deutschlands: Im Remscheider Eschbachtal gelang es nur mit viel Mühe, 16 Rettungsschwimmer zusammen zu bekommen. Das reicht gerade so, um über den Sommer zu kommen. Bei regelmäßig 4.000 Besuchern braucht es allein 14 davon, um überhaupt so viele Schwimmer reinzulassen, berichtet Sportamtschef Martin Sternkopf:
    "Hatten wir früher tatsächlich 30 Leute, die wir auch über die Saison verteilt gut einsetzen konnten, sind es immer weniger geworden in den letzten Jahren. Was ich gerne verhindern möchte, ist, dass Leute vor der Tür stehen, die gerne baden möchten, und sich hier aufhalten möchten, und wir können die nicht mehr reinlassen, weil eben nicht ausreichend Rettungsschwimmer da sind. Es ist kein Remscheider Problem, es ist ein bundesweites Problem, dass in Bädern, in Hallenbädern, in Freibädern einfach auch Fachpersonal fehlt. Eben halt auch Rettungsschwimmer, und es teilweise zu Schließungen gekommen ist."
    Bädersterben verschärft das Problem
    Die Freibäder sind also in Not, ihren Betrieb überhaupt aufrecht halten zu können. Das liegt auch daran, dass die DLRG immer weniger Zeiten bekommt, in denen sie Rettungsschwimmer ausbilden kann. Laut der Lebens-Rettungs-Gesellschaft sind in den vergangenen Jahren bis zu 400 Schwimmbäder hierzulande geschlossen worden, weil Städte und Kommunen sparen müssen. Hunderte weitere sollen noch dichtgemacht werden. Doch eine Angebotsverknappung führe nun nicht dazu, den Rettungsschwimmermangel in den Griff zu bekommen, berichtet Michael Grohe von der DLRG:
    "Wenn man feststellt, dass zu wenig Leute da sind, und man denkt, dass zu wenig ausgebildet werden, dann müsste man auch mehr Ausbildungsmöglichkeiten schaffen. Wir als Verein sind ja darauf angewiesen, dass wir in einem Schwimmbad unterkommen, dass wir dort Wasserzeiten haben, dass wir entsprechende Angebote auch machen können. Auch zu Zeiten, wo unsere Ausbilder und Trainer zur Verfügung stehen. Das läuft ja alles komplett ehrenamtlich, das heißt die Leute müssen eine Berufstätigkeit nachgehen, und können solche Dinge dann eben nur in ihrer Freizeit tun."
    Doch das betrifft nicht nur den Rettungsschwimmermangel, sondern auch das Schwimmenlernen. Schon jetzt sind die Zahlen erschreckend: Mehr als die Hälfte der zehnjährigen Kinder sind keine sicheren Schwimmer, der Wert liegt bei den Erwachsenen nur knapp darunter. Nur jede Zweite kann sich laut DLRG gerade so über Wasser halten. Aber nicht nur in der Breite, auch in der Spitze schwimmt Deutschland seit Jahren hinterher.
    Wird Deutschland zum Nichtschwimmerland?
    Holten früher noch Identifikationsfiguren wie Michael Groß oder Britta Steffen Medaillen, blieb bei den letzten Olympischen Spielen in London und Rio der Deutsche Schwimm-Verband ohne Edelmetall in dieser Kernsportart. Immer weniger Bäder hierzulande würden diese Entwicklung verstärken, so der Deutsche Schwimm-Verband auf Deutschlandfunk-Anfrage:
    "Durch das anhaltende Bädersterben in Deutschland wird unseren Vereinen nach und nach die Basis, die sie für ihre Arbeit benötigen, entzogen. Ohne geeignete Wasserflächen können Schwimmvereine weder Schwimmkurse noch Wettkampftraining anbieten."
    Von unten kann demnach kaum noch etwas nachkommen wegen fehlender Angebote. Damit ist Deutschland auf dem Weg zum Nichtschwimmerland. Denn immer weniger Bäder fördern den Nachwuchsmangel, anstatt ihn zu beheben. Dadurch entstehe ein Teufelskreis, so Michael Grohe von der DLRG:
    "Wo halt eher ein Schwimmbad oder eine Bibliothek geschlossen wird, da braucht man sich nicht darüber zu wundern, dass sich das irgendwann bemerkbar macht. Und auch irgendwann im Spitzensport der Nachwuchs fehlt. Wenn man da eine Umkehr erreichen möchte, dann muss man eben sehr früh anfangen. Weil die Grundlagen für Spitzensport werden natürlich in der Anfängerausbildung gelegt. Also wer nicht richtig schwimmen lernt, kann letztlich auch nicht an Olympia teilnehmen. Weil irgendwann ist der Zug auch abgefahren!"