Archiv

Peter-Doig-Retrospektive
Wie die Innendekoration für ein Feinschmeckerlokal

Der schottische Maler Peter Doig gehört zu den ganz Großen unserer Zeit, ein Vollblutmaler in dem Sinne, dass es ihm letztlich auf eine harmonische Komposition von Farbe und Form ankommt und nicht bloß auf Konfrontationen und Konzepte. Die Fondation Beyeler in Basel widmet ihm jetzt eine Retrospektive.

Von Christian Gampert |
    Die Fondation Beyeler gehört zu den renommiertesten Kunstinstitutionen Europas. Es ist deshalb immer wieder erstaunlich, wie dort die Pressekonferenzen ablaufen. Zum Beispiel so: Der Künstler Peter Doig gibt keine Interviews, was sein gutes Recht ist. Der Kurator Ulf Küster gibt eine fulminante Einführung, was auch sein gutes Recht ist. Warum er allerdings im Geiste vor dem Künstler quasi niederknien muss, leuchtet schon weniger ein. Sodann murmeln sich Küster und der Direktor Sam Keller im Austausch mit Doig intime Dialoge in den Bart, wie bei einem Kamingespräch. Entschuldigung, aber: Dies ist eine öffentliche Veranstaltung und keine heilige Messe zur Künstler-Mystifikation. Doig gehört zwar zu den -auf dem Markt - höchstgehandelten Malern der Gegenwart. Aber bitte: Er malt nur Bilder, er ist nicht der liebe Gott.
    Die Ausstellung, die man dann durchwandert, ist wie immer seriös und übersichtlich inszeniert. Unten die Druckgrafik, die zum Teil in Munchscher Düsternis vorführt, wie sich Doig seinen Bildthemen annähert. Eine weitere Bildquelle bleibt außen vor: Doigs Themenfindungen speisen sich aus seinem Archiv, das aus privaten und Presseaufnahmen, aber auch aus Filmen besteht. Und natürlich aus den Traditionen der Kunstgeschichte.
    Aber bestehen müssen die Bilder hier und jetzt. Und das tun sie auch: Die meisten der bei Beyeler gezeigten Bilder sind von einer großen Melancholie grundiert – und von Weltflucht. Die Großstadt-inspirierten Versuche des Frühwerks fehlen völlig; nur selten blickt man durchs Geäst auf weiße Wohnmaschinen. Doig führt uns stattdessen weit hinaus aus der Zivilisation, auf Seen, ins Meer, in der Urwald, in den Schnee, ins Ursprüngliche, in die Vergangenheit. Im Eingangssaal (Titel: "One hundred years ago") steht programmatisch das Bild mit dem quergestellten roten Kanu, eine perfekte, dem Wasser angepasste Form – die Reise kann losgehen. Und die bringt uns dann in die tropische Natur oder in märchenhaft helle, chagall-artige Himmel, zu Raddampfern, die von Schlingpflanzen umgeben sind, oder zu einsamen Figuren im Dunst. Kurator Ulf Küster.
    "Es scheint eine gewisse Sehnsucht nach Gefühl zu geben in der Kunst. Oberflächlich bedient er diese Sehnsucht. Andererseits: Wenn man sich auf diese Bilder einlässt, wenn man sich in diese Bilder hineinziehen lässt, dann kommt man immer wieder zu diesem Thema – was kann Malerei und wo gibt es Grenzen, die Malerei noch überwinden kann."
    Kleinteilige, kleinkarierte Weltsicht
    Überwinden kann diese Malerei vor allem unsere kleinteilige, klein karierte Weltsicht. Doig bläst seine Themen fast immer in riesige Formate auf – das beeindruckt. Zudem erfüllt er das Klischee des künstlerischen Nomaden. Geboren ist er in Schottland, aber schon früh wurde er von seinem Vater ins Ausland mitgenommen, unter anderem nach Kanada und nach Trinidad, wo er auch heute zum Teil lebt. Seine Bilder nähren sich von dieser südlichen Bläue oder vom intensiven Grün tropischer Wälder; andererseits scheut er sich nicht, sehr kleine Menschlein in einer merkwürdig angebräunten (kanadischen?) Skipiste zu zeigen oder einsame Männer im Schneematsch.
    Manches bei Doig erinnert an Neo Rauch, aber eben ohne dessen Pathos und ohne die wilde Geste. Und die älter gewordenen Kollegen der früheren „Young British Artists", die Geschäftsleute Hirst und Tracy Enim sind dem bekennenden Maler und Punk-Fan Doig sehr fern. Dominant ist für Doig das Spiel mit der Farbe, die sich bisweilen vom Motiv befreit: Ein fast nackter Mann schreitet unter Palmen durch einen Wasserfall, der sich als Guss blauer Farbe herausstellt. Andere Bilder sind von chinesischer Zartheit, Menschen und Boote verschwinden im Nebel. Oder sie lösen sich selber auf – wie der als Fledermaus verkleidete riesenhafte, aus Gelbbraunschlieren bestehende Karnevalist auf Trinidad, der nur noch ein Schemen ist, ein Engel, ein Wesen aus Licht.
    Schwer erträgliche Farbfeldquader
    Schwer erträglich sind allerdings die Farbfeldquader, mit denen Doig manche Bilder vollpflastert. Da geht es um die Stadt und architektonische Brutal Ismen; Doig will hier an die abstrakte Moderne andocken. Seltsamerweise hat Doig den ganzen unteren Saal mit einem großen Wandbild aus diesen Farbquadern versehen, unterbrochen von Ausblicken aufs Meer. Das wirkt wie die Innendekoration für ein Feinschmeckerlokal. Die Fondation Beyeler gewinnt hier eine ganz neue Perspektive.