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Plagiator in Erlangen

Manche Forscher machen es sich bei ihrer Arbeit ziemlich leicht. Statt sich selber mühsam neue Erkenntnisse zu erarbeiten, greifen sie einfach auf das Wissen und die Geistesfrüchte von anderen zurück. Wenn sie das nicht ausreichend als Zitat oder Zusammenfassung kennzeichnen, dann handelt es sich eindeutig um wissenschaftliches Fehlverhalten. Ein solcher Plagiatsfall ist jetzt an der Universität Erlangen bekannt geworden.

Von Armin Himmelrath | 05.04.2004
    Im Jahr 2002 feierte das fränkische Erlangen sein 1000jähriges Stadtjubiläum. Die Universität nahm das zum Anlass, um mit einer Ringvorlesung ihren Beitrag zu den Festlichkeiten zu leisten. Mit dabei: Geschichtsprofessor Wolfgang Wüst, der eine Vorlesung unter dem Titel "Fürstliche Stadtentwicklung in der frühen Neuzeit: Toleranz und Geometrie" hielt. Das Material veröffentlichte er auch in der Zeitschrift "Archiv für die Geschichte von Oberfranken", ohne jedoch darauf hinzuweisen, dass er erhebliche Teile seines Textes aus einer Veröffentlichung des Erlanger Stadtarchivars abgekupfert hatte. An der Universität gibt es für solche Fälle eine Untersuchungskommission, die daraufhin auch den Fall Wüst behandelte, sagt der Erlanger Universitätsrektor Wolf-Dieter Grüske.

    Diese Kennzeichnung von wörtlichen Passagen ist normalerweise wissenschaftlich üblich, und wenn man das unterlässt, dann ist der Vorwurf eines Plagiats, wenn man so will, zutreffend. Und deshalb ist diese Kommission auch tätig geworden, hat dann recherchiert, gegenübergestellt die Passagen, hat dann entsprechende Gespräche geführt, und Herr Wüst hat dann auch diese Vorwürfe, nachdem er damit konfrontiert wurde, dann, nachdem er sich das angeschaut hatte, natürlich hat er’s bestätigt.

    Etwas anderes blieb dem plagiierenden Professor auch gar nicht übrig, denn die Beweislage war eindeutig.

    Es gab dann eine Art kleines Verfahren, in dem Herr Professor Wüst dazu gebracht wurde - sich auch damit einverstanden erklärt hat - eine Ehrenerklärung für den Stadtarchivar abzugeben. Ich zitiere: Ich bedauere dies heute zutiefst und entschuldige mich Herr Dr. Jacob und dem dadurch geschädigten Wissenschaftler und Autor ausdrücklich und so weiter. Zweite Auflage war, dass es gegenüber dem historischen Verein Oberfranken eine Erklärung gab, die dort dann auch veröffentlicht wurde.

    Und in der es wörtlich heißt:

    In einem von mir veröffentlichten wissenschaftlichen Beitrag wurden substanzielle Textteile aus Veröffentlichungen von Herr Dr. Jacob verwendet, die als solche nicht als wörtliche Zitate oder als sinngemäße Wiedergaben gekennzeichnet wurden. Durch die Art meiner Darstellung konnte zudem der Eindruck entstehen, ich hätte die entsprechenden Archivalien selbst recherchiert. Dies ist nicht der Fall.

    Außerdem erhielt Wolfgang Wüst ein missbilligendes Schreiben der Universitätsleitung sowie einen Vermerk in der Personalakte. Zusätzlich wurde die Affäre universitäts-intern bekannt gemacht. Für Rektor Wolf-Dieter Grüske ist der Fall damit abgehakt, zumal gerade die Veröffentlichung eine erhebliche Strafe darstelle.

    Für den Professor Wüst hat das natürlich schon auch Folgen, denn er hat sicherlich keine Chance gehabt zum Beispiel in einem Berufungsverfahren, wo er gute Chancen gehabt hätte, überhaupt noch berücksichtigt zu werden und ähnliches. Also, von der Seite ist das für die Betroffenen schon auch eine wichtige Lehre, und ich bin überzeugt, dass - weil es eben bekannt wird - es auch für andere mit Sicherheit dazu führen wird, dass hier sorgfältiger gearbeitet wird, wie es dem wissenschaftlichen Verhalten eben auch angemessen ist.

    Ob die Abschreckung tatsächlich funktioniert, muss abgewartet werden. Denn vor drei Jahren hatte es schon einmal einen Plagiatsfall an der Uni Erlangen gegeben. Damals war ein Philosophieprofessor erwischt worden, der ein ganzes Buchkapitel bei einem englischen Kollegen abgeschrieben hatte und erst durch einen Journalisten enttarnt worden war. Auf den jetzt aufgeflogenen Historiker hatte dieser Fall offenbar keinerlei Eindruck gemacht.