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Planeten ohne Stern
Nomaden des Weltalls

Die Astronomen nennen sie Nomaden. Unzählige gibt es von ihnen - frei fliegende Single-Planeten im Weltall, die einsam ihre Bahnen ziehen, ohne einen Stern zu umkreisen. Wissenschaftler vermuten, dass sie aus ihrem System herausgeschleudert wurden.

Von Guido Meyer | 16.11.2017
    Sonnenaufgang über der Erde
    Sonnenaufgang: Während die Erde um die Sonne kreist, ziehen unzählige Planeten ihre Bahnen einsam und allein im All (imago/Science Photo Library)
    "Wir wissen, dass es sie gibt. Wir wissen nicht, wie viele es gibt."
    Die Schätzung: Auf jeden Stern kommen zwei frei fliegende Planeten, sagt der Astronom Nadav Goulinski vom Technion, dem Israel Institute of Technology in Haifa.
    Bei rund einer halben Billionen Sterne alleine in unserer Galaxie käme da eine ganze Menge zusammen. Womöglich sind Nomaden-Planeten die häufigste Form von Planeten im Universum überhaupt. Doch weil sie so dunkel und so weit weg sind, gibt es derzeit nur eine Möglichkeit, sie nachzuweisen.
    Ein kleines Indiz verrät den Nomaden
    "Wir nutzen die Nomaden-Planeten als Gravitationslinsen. Ziehen sie - von der Erde aus gesehen - zufällig vor einem Stern vorbei, krümmt ihre Anziehungskraft das Licht des Sterns. Die Planeten wirken dann wie eine Vergrößerungslinse. Der Stern wird für kurze Zeit eine Winzigkeit heller."
    Ein einfaches Indiz verrät den Astronomen dabei, dass es sich nicht um einen gewöhnlichen Planeten handelt, der diesen Stern auf einer Umlaufbahn umkreist, ergänzt Louis Strigari vom Kavli Institut für Hochenergie-Astrophysik und Kosmologie der Stanford University.

    "Dieses Ereignis ist einmalig. Der Gravitationslinseneffekt wiederholt sich nicht. Der Planet zieht nur ein einziges Mal vor dem Stern vorbei, weil er frei durch den interstellaren Weltraum schwebt."
    Durch verschiedene solcher Beobachtungen in den vergangenen Jahren haben Astronomen die Zahl vagabundierer Planeten auf doppelt so hoch wie die Zahl an Sternen in der Milchstraße hochgerechnet, manche glauben gar, es gäbe dreimal so viele. Aber wo kommen sie her?

    Strigari: "Wir glauben, dass viele dieser Nomaden ganz normal entstanden sind, in der Scheibe aus Gas und Staub, mit der jedes Planetensystem beginnt. Durch gravitative Wechselwirkungen mit anderen Sternen in der Nähe sind sie dann aus ihrem System herausgeschleudert worden."
    Geboren aus Gas und Staub
    Astronomen glauben jedoch nicht, dass diese Katapulteffekte häufig genug auftreten, um zu erklären, wieso es wahrscheinlich so viele frei fliegende Planeten gibt. Dazu sind die Entfernungen zwischen Sternen einfach zu groß. Und so schlagen Nadav Goulinski und seine Kollegen vom Technion einen neuen Ansatz vor, wie Nomaden das Licht der Welt erblicken.

    "Ein theoretischer Ansatz besteht darin, dass sie sich aus Material bilden, das von Supernovae ins All geblasen wird. Sterbende Sterne stoßen in einer gigantischen Explosion Teile ihrer Gashülle ab in den Weltraum. Zusammen mit dem Staub, den es im Kosmos überall gibt, könnten diese Masseansammlungen in sich zusammenfallen und frei-fliegende Planeten bilden, irgendwo weit entfernt von einem Stern, in einer kalten Ecke des Alls."
    Die Größe dieser Frei-Flieger variiert. Astronomen haben schon solche entdeckt, die auf den Durchmesser Jupiters kommen, des größten Planeten im Sonnensystem. Sie müssen aber nicht groß und gasförmig sein. Wahrscheinlich machen kleine Welten aus Fels – so wie Erde – die Mehrheit der Nomaden des Weltalls aus.