Donnerstag, 25. April 2024

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Polenz: Bush will Gegengewicht zu China schaffen

US-Präsident Bush hatte nach Meinung des CDU-Politikers Ruprecht Polenz bei seinen Vereinbarungen mit Indien klar startegische Ziele im Auge. Es gehe Washington darum, Indien in der Region als starkes Gegengewicht zu China zu etablieren, sagte der Vorsitzende des Auswärtigen Bundestagsausschusses. Zum Inhalt des Vertrags meinte Polenz, auch die Internationale Atomenergiebehörde sei zufrieden, da nun ein großer Teil des indischen Nuklearprogramms kontrolliert werden könne.

04.03.2006
    Heinlein: Trotz der Entspannung der letzten Jahre, Indien und Pakistan sind weiter Erzrivalen in Südasien. Der Segen aus Washington für die Atommacht Indien in dieser Woche und der Vertrag über eine nukleare Zusammenarbeit werden deshalb im Nachbarland mit Argusaugen verfolgt. Die Regierung Musharraf hofft heute nun auf eine ähnliche Vereinbarung. Faustpfand in den Verhandlungen ist die strategische Schlüsselstellung im Antiterrorkampf der USA. Der Besuch von George Bush in Islamabad heute ist deshalb ein schwieriger diplomatischer Balanceakt.

    Bei mir am Telefon ist jetzt der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses, Ruprecht Polenz, CDU. Guten Morgen, Herr Polenz.

    Polenz: Guten Morgen, Herr Heinlein.

    Heinlein: Westliche Atomtechnik für eine Krisenregion - ist das der richtige Schritt zur richtigen Zeit?

    Polenz: Ich finde interessant, dass der Generaldirektor der Internationalen Atomenergiebehörde, El Baradei, in Wien die Amerikaner für diesen Schritt gelobt hat, weil er davon ausgeht, dass die Vereinbarung, die Indien jetzt mit den USA getroffen hat, Indien näher an den Atomwaffensperrvertrag heranbringt, weil ein erheblicher Teil des indischen Nuklearprogramms in Zukunft der Kontrolle dieser Behörde unterstellt werden wird, was bisher nicht der Fall war. Indien ist ja bekanntlich nicht Unterzeichnerstaat des Atomwaffensperrvertrages. Also ich glaube, die Zusammenarbeit hat zwei Seiten, und hier liegen auch Chancen.

    Heinlein: Sind Sie denn der gleichen Meinung wie El Baradei?

    Polenz: Ich denke, dass diese Interpretation viel für sich hat. Es wird jetzt darauf ankommen, auch weitere Teile des indischen Programms in das Regime des Sperrvertrages - also die Kontrollen durch die Internationale Atomenergiebehörde - zu bringen. Aber es ist natürlich eine heikle Politik, in dieser schwierigen Region auf dem nuklearen Feld Zusammenarbeit zu vereinbaren, wenn man jetzt zum Beispiel die Stimmen aus Pakistan hört, die natürlich gleichzeitig befürchten, dass Indien weiter nuklearmilitärisch aufrüstet, was natürlich auch nicht im Interesse der USA wäre.

    Heinlein: Welche Folgen könnten denn dieser - wie Sie sagen - heikle Atomdeal und die anschließenden Rüstungsgeschäfte für diese Krisenregion haben?

    Polenz: Nun, es kann immer zu einer weiteren Destabilisierung führen. Auf der anderen Seite hat dieses atomare Patt zwischen Indien und Pakistan auch dazu beigetragen, dass sich die Beziehungen zwischen beiden Länder entspannt haben, so paradox das klingt. Denn Pakistan fühlte sich vorher der viel größeren Streitmacht Indiens immer unterlegen. Jetzt fühlt man sich sicherer, verhandelt quasi von gleicher Augenhöhe her, auch über Kaschmir. Und da gibt es ja inzwischen auch den einen oder anderen kleineren Fortschritt.

    Heinlein: Welche strategischen Interessen, Herr Polenz, stecken denn hinter dieser Politik der USA, nach 30 Jahren diesen Atomboykott über Bord zu werfen? George Bush hat gesagt, mit diesem Abkommen werde die weltweite Abhängigkeit vom Öl verringert. Ist das tatsächlich das dahinter liegende Motiv?

    Polenz: Das spielt sicherlich mit eine Rolle. Aber ich glaube, noch entscheidender ist, dass die Amerikaner China im Blick haben und die ganzen Kräfteverhältnisse in der asiatischen Region. Und vor China hat man nach wie vor auch Sorge, weil nicht sicher ist - und das stimmt ja auch - ob es gelingen wird, China als aufstrebende Großmacht friedlich in die Zusammenhänge dieser Welt zu integrieren. Und da sucht Washington ein Gegengewicht auch in der Region. Und das sieht es in dem anderen Milliardenvolk Indien.

    Heinlein: Kann man also sagen, die USA opfern die eigenen Grundsätze, die sie über 30 Jahre vertreten haben, jetzt auf dem Altar eigener wirtschaftlicher und auch wie Sie sagen strategischer Interessen?

    Polenz: Ich glaube, das wirtschaftliche Geschäft mit der Nuklearzusammenarbeit werden weniger die USA machen. Da steht Frankreich in den Staatlöchern für die zivile nukleare Zusammenarbeit mit Indien. Aber es ist einfach das Denken in Washington, man brauche in der asiatischen Region eine Balance. Und gegenüber dem aufstrebenden China müsse auch Indien hier gesehen werden als eine große Demokratie mit über 1,1 Milliarden Menschen. Und auf diese Karte setzt Washington. Während gleichzeitig eine gewisse Unklarheit in Washington besteht, wie man nun gegenüber China letztlich verfahren will, ob man mehr die Sorge haben muss, es könnte eine starke Rivalität werden oder ob man auch bei China stärker auf eine Zusammenarbeit setzt, auf eine Einbindung Chinas durch Zusammenarbeit. Da gehen auch in Washington die Meinungen immer wieder auseinander.

    Heinlein: Also nicht nur die USA sondern auch Frankreich und vielleicht andere Staaten werden profitieren von diesem Abkommen. Beginnt jetzt ein Wettlauf um die Weiterverbreitung von Atomtechnologie, ein Wettlauf im Handel mit diesem brisanten Material und dem Wissen?

    Polenz: Also die Staaten, die den Atomwaffensperrvertrag unterschrieben haben, die sich daran halten und sich Kontrollen unterwerfen, dass sie Atomtechnologie nur zu friedlichen Zwecken verwenden, die konnten immer schon von den Staaten, die über diese Technik verfügen, auch Unterstützung erwarten. Und auf diesem Gebiet wurden auch Geschäfte gemacht. Indien gehörte bisher nicht dazu, weil es den Atomwaffensperrvertrag nicht unterschrieben hat. Und hier ist in der Tat eben dieser heikle Punkt, wo man nun sehr darauf achten muss, klar zu machen, wir haben ein Plus zum Status quo deshalb erreicht, weil Indien jetzt erstmals Teile seines Programms der Kontrolle des Atomwaffensperrvertrages quasi unterwirft.

    Ich hätte es natürlich lieber gesehen - aber das war wohl auch für Washington nicht zu erreichen - wenn Indien jetzt dem Atomwaffensperrvertrag beigetreten wäre. Aber dann hätte sich unweigerlich die Frage der eigenen nuklearen Bewaffnung gestellt, und deshalb wollte Indien in diese Diskussion nicht eintreten.

    Heinlein: Alles, was derzeit in Indien und Pakistan zusammen mit den USA geschieht, spielt sich ab vor dem Hintergrund der drohenden Eskalation im Atomstreit mit dem Iran. Welche Folgen hat das für diesen Atomstreit?

    Polenz: Nun, die Iraner werden sicherlich jedes Argument, was sie finden können, benutzen, um dem eigenen Ziel, den vollen Brennstoffkreislauf beherrschen zu dürfen, näher zu kommen. Die Konfrontation rückt ja immer näher. Am kommenden Montag wird der El Baradei-Bericht im Gouverneursrat der Internationalen Atomenergiebehörde diskutiert. Es ist die Frage, geht es dann im Sicherheitsrat weiter, ja oder nein. Und es kommt entscheidend darauf an, ob man für Verhandlungen innerhalb des Regimes der Internationalen Atomenergiebehörde noch Zeit hat. Die könnte man in dem Moment wieder bekommen, wo Iran das Moratorium, was es ja bis Januar diesen Jahres mehr oder weniger eingehalten hatte - wenn man mal von den Aktivitäten in Isfahan absieht, die im August begonnen hatten - nämlich anreicherungsbezogene Aktivitäten auszusetzen für die Dauer von Verhandlungen, wenn Iran sich zu diesem Schritt wieder entschließen könnte.

    Aber die Voraussetzung ist dafür nach meiner Einschätzung, dass der Westen, dass die Europäer auch das prinzipielle Recht Irans zur Anreicherung anerkennen, wenn man auch natürlich festhalten muss, dass bis zur Ausübung dieses Rechts noch viel Vertrauen wieder aufgebaut werden muss, was Iran durch seine Heimlichtuereien in den letzten 18 Jahren und durch die Verstöße, die in der Zeit gegen den Sperrvertrag begangen wurden, zerstört hat. Und im Übrigen ein ganz wichtiger Punkt, der amerikanische Senator Lugar, Vorsitzender des Auswärtigen Ausschusses, übrigens ein Republikaner, hat finde ich etwas sehr Wichtiges jetzt gesagt, was ich außerordentlich unterstütze. Er hat davon gesprochen, die Amerikaner müssen nun selbst auch direkt mit den Iranern sprechen, weil sonst die Verhandlungen nicht aus der Sackgasse herauskommen. Das unterstreiche ich nachdrücklich.

    Heinlein: Heute Morgen hier im Deutschlandfunk, der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses, Ruprecht Polenz. Herr Polenz, ich danke für das Gespräch und auf Wiederhören.

    Polenz: Auf Wiederhören.