Mittwoch, 15. Mai 2024

Archiv

Portugal
Fragwürdige Infrastrukturinvestitionen

Breit ausgebaute Spuren, glatter Asphalt: Portugal hat ein erheblich besser ausgebautes Straßennetz als etwa Deutschland. Nur werden Portugals Autobahnen kaum befahren. Auch Investitionen in Golfplätze und Sportanlagen werden in der Krise kritisch beäugt.

Von Jochen Faget | 03.01.2014
    Es sollte ein Sportangebot werden, das Lissabons Studenten begeistert. Doch der Schuss ist wohl nach hinten losgegangen:
    "Reine Geldverschwendung. Ein Golfplatz für mehrere Millionen, auf dem niemand spielen wird. Bei der Krise, in der das Land steckt, reine Geldverschwendung."
    Die Studentin Tamara Santos lässt ihrem Ärger freien Lauf: In Zeiten sinkender Einkommen und steigender Studiengebühren müsse Geld umsichtiger und sinnvoller ausgegeben werden.
    Hinter den Tennisplätzen, dort wo jetzt noch Vögel zwitschern und Jogger laufen, sollen bald Golfer unterwegs sein. Sieben Hektar groß und zwei Millionen Euro teuer ist der neue Uni-Golfplatz, zur Hälfte bezahlt mit Zuschüssen der EU. Schlechtes Timing, gibt auch der Stadiondirektor João Roquette zu:
    "Das Problem der Finanzierung von Golfanlagen ist, dass Golf dieses Reichensportstigma hat. In Krisenzeiten erscheint die Idee, auf den Golfsport zu setzen und darin zu investieren, der Mehrheit widersinnig."
    Geplant wurde der Uni-Golfplatz jedoch schon vor mehr als fünf Jahren; zu Zeiten, als die EU-Zuschüsse noch überreichlich sprudelten und es in Portugal gern ein bisschen mehr sein durfte. Da wurden aus kleinen Kreuzungen riesige Kreisverkehre mit teuren Brunnen und Denkmälern, fast jede Kreisstadt baute teure Kongresszentren, in denen dann kaum Kongresse stattfanden und die Regierung zog Autobahnen kreuz und quer durchs Land, auf denen wegen der gestiegenen Maut jetzt kaum noch Autos fahren. Immer nach dem gleichen Rezept: Die EU bezahlte rund zwei Drittel, den Rest borgte sich Portugal von der Bank. Jetzt, in der Krise, stehen selbst gut durchdachte Projekte unter Rechtfertigungszwang.
    "Die traditionellen Sportarten wie Rugby und Fußball begeistern nicht mehr so viele Studenten wie früher", erklärt Direktor Roquette.
    "Wenn wir wollen, dass Studenten weiter Sport treiben, müssen wir uns als moderne Universität anpassen."
    Außerdem solle der Golfplatz für die gesamte Bevölkerung geöffnet werden. Das brächte der Universität sogar Zusatzeinnahmen ein. Auf Mehrwert hofft auch die Stadt Elvas in der armen südportugiesischen Provinz Alentejo. Die hat sich, als Geld noch kein Problem war, die größte Kunsteisbahn der Iberischen Halbinsel genehmigt. Mit einer rund sieben Millionen Euro teuren Mehrzweckhalle darüber, deren Dach in den heißen Sommern geöffnet werden kann. Dann finden dort Konzerte und Stierkämpfe statt.
    "Die Eisbahn bringt viele Besucher", versichert der für die Gemeindeanlagen zuständige Stadtverordnete Manuel Valerio.
    "Zur Weihnachtszeit sind im benachbarten Spanien Ferien, da kommen viele Spanier und bringen Geld in unsere Stadt."
    In der Tat kommen fast nur Spanier zum Schlittschuhlaufen nach Elvas. Den krisengeschüttelten Portugiesen seien die drei Euro für 30 Minuten Eisvergnügen wohl zu teuer, sagt einer der Eisbahnmitarbeiter hinter vorgehaltener Hand. Die Spanier dagegen sind begeistert:
    "Die Anlage sei fantastisch", lobt José António, der fast 100 Kilometer aus Spanien angereist ist, "gut gepflegt und billig, ein Heidenspaß für die Kinder."
    Doch leider kosten die meisten dieser Projekte nur viel Geld. Anders als in Elvas überlegen sich bereits viele Gemeinden, zu teuer gewordene Hallenbäder und andere Sportanlagen zu schließen. Manche Leute hätten vor Jahren eben schlecht geplant, gibt der Stadtverordnete Valerio aus Elvas zu. Und die EU hat fast alle diese Denkfehler nicht nur abgesegnet, sondern mit vielen Milliarden mitfinanziert.