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Premiere in New York
Die "High Performer" der schwarzen Oberschicht

New York gehört zu den teuersten Städten der Welt, mit unfassbar hohen Mieten. Bühnenautorin Tracey Scott Wilson lässt in ihrem neuen Stück "Buzzer" am Public Theater einen schwarzen Erfolgsanwalt eine frisch renovierte Wohnung kaufen. Am Ende steht er allein mit sich und seiner Vergangenheit da.

Von Andreas Robertz | 15.04.2015
    Blick auf den New Yorker Stadtteil Manhatten
    Der Immobilienboom der letzten Jahre hat sich längst über Manhattan und Brooklyn hinaus ausgeweitet. (picture alliance / dpa - Daniel Bockwoldt)
    Jackson hat es geschafft. Mit einem Stipendium hat er es aus seinem Ghetto bis an die juristische Fakultät der Harvard Universität gebracht, der Elite-Universität des Landes. Er hat einen guten Job, eine hübsche Freundin - die weiße Lehrerin Suze - und genug Geld, um sich eine frisch renovierte Wohnung in Brownsville, Brooklyn, zu kaufen, genau in der Gegend, in der er aufgewachsen ist. Als sein heroinsüchtiger weißer Collegefreund Don Jackson bittet, ihn nach seiner letzten Entziehungskur bei sich aufzunehmen, sagt er gegen Suzes Willen zu. Damit beginnt ein Drama, das leicht daher kommt, aber in Düsternis endet.
    Zwangsläufig kommen sich Suze und Don näher
    In Anne Kaufmans Regie wird die Nachbarschaft zur vierten Figur im Stück. Wenn es Abend wird, dringt die Geräuschkulisse der Straße in die Wohnung, die sich zunehmend wie einer Festung in Feindesland anfühlt. Denn Suze wird immer dreister angemacht und beschimpft, wenn sie von der Arbeit kommt, und Don, der als Heroinsüchtiger in dieser Gegend gelebt hat, erzählt von Vergewaltigungsopfern nur wenige Blocks entfernt. Weil aber Suze Jackson von ihrer Angst nicht erzählen will, wird Don ihr Verbündeter.
    Laura Jellineks Bühne ist gekonnt reduziert auf das, was eine Traumwohnung in New York ausmacht: elegantes Holzparkett, weiße Wände mit Stucksockel und eine schicke Küchenzeile mit Marmorplatte und Doppeltürkühlschrank. Wände und Küche sind wie Umzugskartons alle an die linke Seite der Bühne geschoben, der Hauptteil ist leer, nur ein einsames schwarzes Sofa wirkt wie ein Rettungsboot auf dem leeren Parkett. Und in diesem Boot kommen sich Suze und Don zwangsläufig immer näher.
    Hinter der Fassade versteckt sich Rassismus
    Tracey Scott Wilson ist eine sehr erfolgreiche schwarze Autorin, deren Stücke oft thematisieren, wie Afroamerikaner an dem Spagat zwischen beruflichem Erfolg und rassistischer Umwelt zu zerbrechen drohen. In "Buzzer" ist Jackson einer der jungen erfolgreichen afroamerikanischen Männer, der selbst für rassistische Weiße wie Dons Vater akzeptabel ist, beweist er doch, dass der wirklich Fleißige allen Widerständen zum Trotz vom System belohnt wird. Doch hinter dieser Fassade des Erfolgs verfolgt Jackson der eigene internalisierte Rassismus. Er hat die Wohnung nicht aufgrund der günstigen Gelegenheit gekauft. Er will sich bei der Nachbarschaft für die Tage rächen, in denen er vor den großen Jungs davon rennen musste, weil er ein Außenseiter war. Als Don im Streit andeutet, Jacksons Mutter hätte sich von seinem Vater Geld für das College ihres Sohnes geliehen, und zwar gegen sexuelle Gegenleistungen, zerbricht Jacksons Selbstbild.
    Orte wie Menschen haben ihre Geschichte
    Tracey Scott Wilson spielt mit den bewussten und unbewussten Bedürfnissen ihrer Protagonisten und Regisseurin Anne Kaufman, die schon in ihren Inszenierungen von "Belleville" und "Detroit" ihre gutes Händchen für düstere Stücke bewiesen hat, setzt auch hier auf ein bitteres und dunkles Finale. Suze schläft, auch aus Panik, mit Don. Und Jackson, der das Offensichtliche vor seinen Augen einfach nicht sehen will, wird in dieser Nachbarschaft zum harten und wütenden Kämpfer. Am Ende steht er allein mit sich und seiner Vergangenheit am Fenster und beobachtet die nächtliche Straße wie aus einem Wachturm.
    "Buzzer" ist ein geschickt gebautes psychologisches Drama, das sich manchmal in zu viele Nebengeschichten verliert. Doch es findet immer wieder auf sein eigentliches Thema zurück: Orte wie Menschen haben ihre Geschichte, die sie unweigerlich einholt, wenn sie sie herausfordern; ein gutes Stück für drei außerordentliche Schauspieler.