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Private Schule im Wedding
Quinoa-Schule zieht nach zwei Jahren Bilanz

In privaten Bildungseinrichtungen sind oft nur Kinder von Eltern, die sich die Schule leisten können - also wohlhabend. In Berlin hat es eine Initiative anders versucht, und vor zwei Jahren im Stadtteil Wedding die Quinoa-Schule gegründet.

Von Claudia van Laak |
    Schüler malen an einer Hauptschule in Arnsberg (Sauerland).
    Der Name der Schule ist Programm: Quinoa ist ein Getreide aus Lateinamerika, das viel unentdecktes Potenzial in sich birgt. (dpa / picture alliance / Fabian Stratenschulte)
    Lehrerin Fenna Eilers schlägt den Gong, auf der elektronischen Schultafel läuft die Stoppuhr. Kommt die 8. Klasse schnell zur Ruhe, gibt es Pluspunkte, bleibt es lange laut, Minuspunkte. Am Ende der Woche wird abgerechnet, hat die Klasse ihr selbstgestecktes Ziel erreicht, folgt die Belohnung: Eis für alle zum Beispiel.
    "Denis! So, jeder, der jetzt noch spricht, kommt auf der Ampel auf gelb."
    Denis muss sich bewähren, seine Ampel steht auf Gelb. Zeigt die Ampel auf Rot, folgt eine Konsequenz. Den Schulhof von Müll befreien, zum Beispiel. Klare Ansagen, klare Folgen – wir betreiben hier Verhaltensmanagement, sagt Schulgründerin Fiona Brunk.
    "Unser Verhaltensmanagement unterscheidet uns auf jeden Fall fundamental von allen deutschen Schulen, die ich kenne. Schottland, wo ich viel gearbeitet habe oder Schulen, die ich mir in den USA angeguckt habe, die sehr erfolgreich mit bildungsbenachteiligten Schülern arbeiten, da ist ein professionelles Verhaltensmanagement selbstverständlich. Das ist in Deutschland sehr unbekannt."
    Fast alle Kinder kommen aus benachteiligten Familien
    In der Mensa haben die Schülerinnen und Schüler des Fachs "Zukunft" selbstgemalte Plakate aufgehängt. "Wir wollen auch Banker werden, doch wir werden Drogenhändler" hat einer auf sein Plakat geschrieben. Fast alle Kinder kommen aus benachteiligten Familien – vier von fünf haben ausländische Wurzeln, ebenfalls vier von fünf leben von Hartz IV oder anderen Transferzahlungen.
    "Unsere drei pädagogischen Grundvoraussetzungen, die uns ganz besonders wichtig sind: die Achtsamkeit, also Menschen auch wahrzunehmen, verbindliche Strukturen und hohe Erwartungen."
    Die Quinoa-Schule - mit derzeit zwei Klassen - unterscheidet sich in vielen Punkten sowohl von staatlichen als auch von privaten Schulen. In der Klasse sind immer zwei Erwachsene, der Unterricht erfolgt nicht im 45-Minuten-Takt, Tutoren begleiten die benachteiligten Kinder. Fiona Brunk erzählt von einem Mädchen, das oft die Schule schwänzt.
    "Die Mutter, die ruft morgens an und sagt, ich habe alles versucht, ich habe auch die Bettdecke weggezogen, was soll ich machen. Und dann die Tutorin, die immer wieder Schulversäumnisanzeigen stellt beim Jugendamt, so hart das auch ist, sich immer wieder hinsetzt, mit der Mutter, dem Vater, der Oma, immer wieder Maßnahmen vereinbart, auch ganz stark die Schülerin bestärkt, aber auch die offizielle Seite einbezieht, das fängt an mit der Terminkoordination beim Jugendamt. Das ist einfach ganz viel Arbeit."
    Viel Arbeit und Idealismus
    Ganz viel Arbeit, die schlecht entlohnt wird. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von Quinoa brauchen Idealismus. Zwei Fundraiser sind tagtäglich dabei, Spenden einzuwerben und potenzielle Sponsoren anzusprechen. Neben mehreren Stiftungen unterstützt auch der frühere Personalvorstand der Deutschen Post Walter Scheuerle die freie Schule im Berliner Wedding.
    "Die Schule können sich auch die Eltern leisten, die nicht auf Rosen gebettet sind, insofern gibt es keine Barriere Schuldgeld wie bei anderen freien Schulen, und zum Zweiten inhaltlich, denn die Schule geht davon aus, dass in jedem Schüler, in jeder Schülerin ein Talent steckt."
    Mittagspause - der Essensdienst räumt ab, in einer Ecke wird lautstark Tischtennis gespielt, einige haben sich in den Schülerraum zurückgezogen, in dem sich die Jugendlichen eigene Regeln gegeben haben und der nur im Notfall von Erwachsenen betreten werden darf. Das gefällt der 13-jährigen Lara besonders.
    "Diese Schule ist sehr eigen. Sie ist nicht so wie andere Schulen. Man kann hier auch mitwirken, man kann etwas verändern an dieser Schule."
    Die Gründer von Quinoa haben sich ein klares Ziel gesetzt - alle Schülerinnen und Schüler sollen entweder erfolgreich eine Ausbildung absolvieren oder ihr Abitur machen. Derzeit verlassen drei von zehn Jugendlichen im Wedding ihre Schule ohne Abschluss.
    Schulleiterin Fiona Brunk ist wichtig:
    "Dass es eine Schule gibt, die diesen Satz: 'Mit diesen Schülern geht das nicht', unmöglich macht. Ich kann keiner anderen Schule vorschreiben, wie sie zu arbeiten hat. Aber ich will, dass nie wieder mehr jemand sagen kann: 'Mit den Schülern brauchen wir uns gar keine Mühe geben.'"