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Professorenbesoldung
Hessen hinkt hinterher

Ein Professor muss mehr verdienen als ein Studienrat, befand vor drei Jahren das Bundesverfassungsgericht nach der Klage eines Chemieprofessors aus Hessen. Die meisten Bundesländer reagierten mit neuen Grundgehältern für junge Professoren. Ausgerechnet in Hessen sehen viele noch Nachholbedarf.

Von Ludger Fittkau | 13.02.2015
    Ein Geschäftsmann zeigt seine geldleeren Hosentaschen
    Ein schöner Titel bringt noch keine vollen Taschen. (imago)
    Als Andreas Vosskuhle, der Präsident des Bundesverfassungsgerichtes, am 14 Februar vor drei Jahren vor die Presse trat, war das Interesse groß. Denn er erklärte die bis dahin gültige hessische Regelung zur Besoldung von Hochschullehrern für verfassungswidrig. Ein Urteil mit bundesweiten Auswirkungen:
    "Eine Gesamtbetrachtung der für die Bestimmung der Besoldungshöhe maßgeblichen Kriterien ergibt, dass die gewährte Besoldung evident unzureichend ist. In der Besoldungsgruppe W2 sind die Grundgehaltssätze unangemessen."
    Geklagt hatte damals ein Marburger Chemieprofessor, dessen Grundgehalt nicht über dem eines hessischen Studienrates lag. Das sei verfassungswidrig, befand Karlsruhe. Ein Hochschulprofessor müsse schon aufgrund seiner längeren Ausbildungszeit anders bezahlt werden, lautete ein Argument. Susanne Lin-Klitzing, Marburger Professorin für Schulpädagogik und Vorsitzende des Hessischen Hochschulverbandes, empfand das Urteil als gerecht:
    "Ich selber war von meiner Biografie her Lehrerin, Studienrätin an einem Gymnasium, und wurde vor meinem Wechsel an die Universität in der Besoldungsgruppe A 14 bezahlt. Und mit meinem Wechsel an die Universität auf die W2-Professur, allerdings natürlich etliche Jahre später, bin ich im Gehalt gleich geblieben."
    Standortnachteil Hessen
    Leistungszulagen, die das System der W-Besoldung vorsieht, kompensieren das zu niedrige Grundgehalt nicht, entschied Karlsruhe. Seit diesem Urteil zur W2-Besoldung hat sich bundesweit beim Grundgehalt junger Professoren viel getan, berichtet Susanne Lin-Klitzing. Allerdings aus Sicht des Hochschulverbandes jedoch gerade in Hessen zu wenig:
    "Bei allen anderen Bundesländern ist die Spanne deutlich mehr nach oben angestiegen, als es hier in Hessen angestiegen ist."
    Heißt im Klartext: Ein hessischer Hochschullehrer hat mit seiner Verfassungsklage zwar dafür gesorgt, dass es gerade jungen Professoren in anderen Bundesländern besser geht. In Hessen selbst profitieren insbesondere Erstberufene jedoch nicht so stark vom Karlsruher Urteil wie anderswo. Neu eingeführt wurden stattdessen sogenannte "Erfahrungsstufen". Das bedeutet, dass ältere Professoren alle fünf Jahre automatisch mehr Geld bekommen, ohne dass sie besondere Leistungen erbringen müssen. Das Einstiegsgehalt in der W2-Besoldung liegt bis heute deutlich unter dem etwa im Nachbar-Bundesland Baden-Württemberg. Susanne Lin-Klitzing:
    "In der ersten Stufe in W2 liegt Baden-Württemberg gleich 500 Euro über uns. Das ist schlecht, das ist ein Standortnachteil."
    Diesen Standortnachteil spürt auch Manfred Efinger, Kanzler der TU Darmstadt bei Berufungsverhandlungen mit Bewerbern für Professorenstellen. Die baden-württembergische Grenze liegt von Darmstadt aus gerade einmal eine halbe Autostunde entfernt:
    "Die Verhandlungen sind deutlich komplexer geworden. Weil der sich natürlich nicht vertrösten lassen wollen auf Erfahrungsstufen XY, sondern er oder sie möchten heute konkrete Gehälter verhandeln."
    Weil die hessische Landesregierung die teure Einführung von Erfahrungsstufen bei der Besoldung nicht kompensiert hat, fehlt den Hochschulen jetzt jedoch der Spielraum für zusätzliche Leistungsbezüge, mit denen gerade besonders aktive Professoren belohnt werden können. Susanne Lin-Klitzing, Vorsitzende des Hessischen Hochschulverbandes:
    "Das, was jetzt an mehr Geld reingesteckt wird, in die Erhöhung von W2 und W3 und die Erfahrungsstufen, das fehlt natürlich, um positive Leistungsanreize zu setzen. Das ist genau die Kritik, und die kann man auch nachvollziehen."
    Deswegen stünde es Hessen nach Auffassung des Hochschulverbanden gut zu Gesicht, hier noch einmal zusätzliches Geld in die Hand zu nehmen und den Hochschulen wieder mehr Spielraum zu geben. Doch das Land Hessen muss sparen – zusätzliche Mittel für die Besoldung von Hochschullehrern sind vorerst nicht in Sicht. Manfred Efinger, Kanzler der TU Darmstadt sieht das neue Besoldungssystem in Hessen deshalb kritisch:
    "Weg von Leistungskomponenten, weg von individuellen Verhandlungsmöglichkeiten und insgesamt eine deutlich gestiegene Gesamtbelastung der Hochschulen, die nicht kompensiert wird durch das Land."
    Drei Jahre nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts zur W-Besoldung fällt die Bilanz somit aus Sicht der Hochschulen sehr ernüchternd aus.