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Projekt "Rent a Teacherman"
Gegen den Männermangel im Klassenzimmer

An Grundschulen gibt es kaum männliche Pädagogen. Das versuchen werbende Initiativen in Lehramts-Studiengängen zu ändern. So auch das Projekt "Rent a Teacherman" der Universität Bremen. Es startete 2011 - und kann erste Erfolge vorweisen.

Von Thomas Gesterkamp | 08.09.2017
    Bildnummer: 59688713 Datum: 27.09.2012 Copyright: imago/epd Erstklässler mit und ohne Behinderungen werden am 27.09.2012 in ihrem Klassenraum der Vincenzschule Aulhausen bei Rüdesheim unterrichtet (Foto: Grundschullehrer Martin Fronen übt mit den Kindern, Zahlenbilder zu erkennen).
    Bei dem Projekt "Rent a Teacherman" assistieren männliche Studierende gezielt an Schulen, an denen ausschließlich Frauen unterrichten (imago stock&people)
    In den Klassenzimmern herrscht Männermangel. Viele Kinder erleben erst auf der weiterführenden Schule einen männlichen Pädagogen. Im Bundesschnitt hat sich der Anteil der Grundschullehrer bei zwölf Prozent eingependelt. Vor vier Jahrzehnten war das Geschlechterverhältnis in der Primarstufe noch fast ausgeglichen. Engagierte Hochschulen werben daher um männliche Interessenten, etwa die Universität Bremen mit Christoph Fantini vom Fachbereich Erziehungs- und Bildungswissenschaften:
    "Das ist für Jungen wie für die Mädchen nicht okay, wenn sie in Kindergarten und Grundschule den Eindruck bekommen, dass es ausschließlich Frauensache ist, sich um kleinere Kinder professionell zu kümmern."
    So entstand das Projekt "Rent a Teacherman" - zu deutsch: Leih’ dir einen Lehrer. Die Idee: Männliche Studierende assistieren gezielt an Schulen, an denen ausschließlich Frauen unterrichten. Finanziert wird das Projekt vom Bremer Senat für Bildung und Wissenschaft:
    "Wenn ein junger Student einsteigt und mit der Schulleiterin durch die Grundschule geht, dann wird er schon bei diesem ersten Rundgang von den Kindern angesprochen: ‘Was machst du denn hier?’ Wenn er daraufhin erzählt, er wolle hier unterrichten, kommt die Reaktion: ‘Oh, endlich mal ein Mann!‘"
    Projektteilnehmer erkennen die erzieherische Arbeit
    Jungen brauchen männliche Vorbilder auch jenseits der Familie; Mädchen brauchen Männer ebenso, als das andersgeschlechtliche Gegenüber. Das klingt banal, war aber lange kein Thema in der pädagogischen Fachdebatte. Feministische Forscherinnen warnten vor Rollenklischees, sie interpretierten den Ruf nach mehr Männern in den Schulen als Abwertung von Frauenarbeit. Das Bremer Projekt will diese Einstellung zumindest im Kleinen verändern. Der Jugendforscher Klaus Hurrelmann, Hauptredner auf der Tagung, fordert sogar eine Quote für männliche Bewerber. Doch theoretische Kontroversen interessieren die Praktiker relativ wenig. Die "Teachermen" leisten hilfreiche Unterstützung im Sexualkunde-Unterricht oder als männliche Begleitperson bei Klassenfahrten. Und sie merken, wie anspruchsvoll die Arbeit an der Grundschule ist. Projektleiter Christoph Fantini:
    "Spannend war der Fall eines Lehramtsstudenten für das Gymnasium, der in unser Projekt nur durch persönliche Anwerbung eingestiegen ist und am Anfang immer sagte: ‘Grundschule ist nichts für mich, nur Einmaleins und Pipapo!’ Der ist jetzt begeistert, der erlebt, dass es darum geht, den Kindern Lust am Lernen zu machen."
    Aufstiegschancen von Grundschullehrern begrenzt
    Was also schreckt männliche Studienanfänger dennoch ab? Andreas Scholten war lange Grundschullehrer im westfälischen Münster, inzwischen arbeitet er für eine Schulbehörde. Er kritisiert die niedrigen Gehälter in der Primarstufe: Ein Pädagoge am Gymnasium verdient bis zu 500 Euro mehr im Monat:
    "Da gibt es auch Aufstiegschancen, da kann man Karriere machen in Anführungsstrichen, dass man vom einfachen Lehrer zum Studienrat gehen kann. Diese Möglichkeiten sind in der Grundschule weitaus begrenzter."
    Der Beruf habe zudem ein Imageproblem, glaubt Erziehungswissenschaftler Fantini:
    "Überspitzt ausgedrückt tüfteln die weiterführenden Schulen eigentlich nur noch an dem herum, was an der Grundschule geklappt hat und was nicht. Diese Profilierung der Grundschule, wie sie derzeit arbeitet, wenn sie gut ist, muss bekannt gemacht werden. Und dann werden Männer, gerade Männer, die politisch engagiert und vielleicht auch noch mutig sind, sagen: Das ist eine Herausforderung als Mann, das ist eben kein Kinderkram."
    Eine "Pädagogik der Vielfalt" könne in "männerfreien" Räumen nicht funktionieren, lautet ein Fazit der Tagung. Eine nennenswerte Masse von Männern an den Schulen stelle, ähnlich wie bei der Frauenförderung, einfach ein wichtiges Korrektiv dar. Nicht weil Lehrer "besser", sondern weil sie anders sind und bereichern. Die Motivationskampagnen jedenfalls zeigen erste Erfolge: In Bremen sind die Zulassungszahlen männlicher Bewerber seit dem Start von "Rent a Teacherman" von 17 auf immerhin 22 Prozent gestiegen.