Freitag, 10. Mai 2024

Archiv


Qualvolle Tradition

Seit April ist im afrikanischen Eritrea die Beschneidung weiblicher Genitalien verboten. Es ist ein Sieg für diejenigen, die seit Jahren gegen die grausame Tradition gekämpft haben. Doch die Durchsetzung des Verbotes ist nur mit viel Überzeugungsarbeit möglich.

Von Stefan Maas | 17.08.2007
    Gerade zwei Wochen ist der Säugling alt: ein kleines Mädchen, das in einem Krankenhaus in der eritreischen Hauptstadt Asmara zur Welt gekommen ist. Es hat Glück gehabt. Noch vor wenigen Monaten wäre es in diesem Alter vielleicht schon beschnitten worden. Denn die Verstümmlung der weiblichen Genitalien ist Tradition in Eritrea, dem kleinen afrikanischen Land, das vom Sudan und Äthiopien umgeben am Roten Meer liegt.

    Wo diese Tradition ihre Wurzel hat, vermag keiner genau zu sagen. Viele Eritreer vermuten, wenn man sie danach fragt, sie sei wohl religiös bedingt. Doch die Kirchenoberen in Eritrea, Christen und auch Muslime, weisen diese Vermutung zurück und beeilen sich darauf hinzuweisen, dass sie sich sogar gegen die Beschneidung einsetzen. Die Kirchen begrüßten daher auch das neue Gesetz, das im April in Kraft getreten ist und die Beschneidung weiblicher Genitalien verbietet. Es ist ein Sieg für diejenigen, die seit Jahren gegen diese Tradition gekämpft haben. Denn die eritreische Regierung setzte in den vergangenen Jahren zwar auf Aufklärungskampagnen, doch das Gesetz, das weibliche Genitalverstümmlung - Female Genital Mutilation oder kurz FGM - verbietet, lag lange Zeit in der Schublade.

    Das mittlerweile denkmalgeschützte Stadtzentrum von Asmara wirkt auf Besucher sehr unafrikanisch, was zum einen daran liegt, dass sich italienische Stararchitekten während der Kolonialzeit hier verwirklichen durften, so dass in der Stadt, in der heute mehr als eine halbe Million Menschen leben, Art-Deco-Architektur ebenso zu finden ist wie Novecento und klassische Moderne. Zum anderen fließt das Leben auf den Straßen fast mediterran gemächlich.

    Selam sitzt mit ihren Freundinnen Muna, Salem und Lidia im Gartencafé eines Hotels: vier vergnügte junge Frauen in T-Shirt und Jeans, die gerade ihren Schulabschluss an der italienischen High-School in Asmara machen. Etwa anderthalb Jahre ist es her, dass das Hammer Forum, eine medizinische Hilfsorganisation aus Hamm, Selam einige Monate nach Deutschland gebracht hat. Dort lebte sie in einer Gastfamilie, ging zur Schule und mit ihren Freundinnen zum Sport, wie ein ganz normales Mädchen, dachte sie:

    "Ich haben mit Freundinnen Handball gespielt und kam anschließend in die Duschen und war entsetzt, weil ich feststellte, dass sie anders aussahen als ich. An dem Abend habe ich mit meiner Gastfamilie darüber gesprochen, und es war sehr schockierend für mich, etwas über Beschneidung zu hören. Ich habe in Asmara gelebt, 16 Jahre - und ich wusste nichts darüber."

    Nach Angaben der UNICEF sind fast 90 Prozent der eritreischen Frauen beschnitten. In den großen Städten ist die Zahl der Beschneidungen in den letzten Jahren zwar rückläufig, aber gerade auf dem Land ist so gut wie jede Frau beschnitten.

    "Am Anfang war ich geschockt und konnte es nicht glauben. Ich wusste nicht, ob ich beschnitten war oder nicht. Und ich konnte es gar nicht erwarten es herauszufinden. Aber gleichzeitig hatte ich Angst und wollte mit niemandem darüber sprechen außer mit meiner Gastfamilie. Wenn man anders ist als die anderen in dem Land, in dem man lebt, dann ist es schwer, über diese Andersartigkeit zu sprechen, weil man Angst hat, dass die anderen über dich reden und es nicht verstehen. Es war sehr schwer am Anfang."

    Erst als sie nach Eritrea zurückkehrte, fühlte sie sich sicher genug, um darüber zu sprechen, denn sie wusste, dass ihre Freundinnen das gleiche durchgemacht hatten wie sie. Als erstes sprach sie aber mit ihrem Bruder, der sie unterstützte, als sie ihrer Mutter die entscheidende Frage stellte:

    "Meine Mutter hat nicht direkt geantwortet. Aber zum Schluss hat sie mir gesagt, dass ich beschnitten worden bin, als ich 15 Tage alt war. Es war ein Mann. Und der hat es für wenig Geld gemacht - sehr wenig Geld. Es tut weh, etwas so Wertvolles zu verlieren für nichts."

    In manchen Gebieten werden die Mädchen schon im Alter von wenigen Wochen beschnitten, während in anderen Regionen die Beschneidung der Initiationsritus für den Eintritt ins Erwachsenenleben ist. Auch die Art der Beschneidung unterscheidet sich regional. Während in manchen Gegenden den Mädchen die Klitoris und die inneren Schamlippen teilweise oder ganz abgetrennt werden, gibt es Provinzen, in denen infibuliert wird. Das heißt, es werden oft zusätzlich die äußeren Schamlippen entfernt. Anschließend wird das Mädchen zugenäht.

    "Bei der Infibulation verbleibt die Öffnung, nachdem man alles zugenäht hat. Bis auf dieses kleine Schilfrohr, das man einlegt, ist die Öffnung so klein, dass die Mädchen häufig nicht Urin lassen können. Sie sitzen eine halbe Stunde und pressen, bis die Blase entleert ist. Menstruationsblutung ist eine unglaubliche Tortur. Das gleiche ist dann die Hochzeitsnacht, wenn der Ehemann die Aufgabe hat, seine Frau zu öffnen. Er schafft es vielleicht mit seinem Penis und reißt sie auf, oder sie muss von ihm aufgeschnitten werden. Oder in ihrer Not wenden sich die jungen Leute an die Gesundheitsstationen, weil die Frau blutet und Schmerzen hat und nicht zu öffnen ist. Und dann natürlich auch die Geburt, zu der die Frau wieder aufgeschnitten werden muss und hinterher wieder vernäht wird."

    Dr. Peter Schwidtal engagiert sich mit dem Hammer Forum seit gut zwölf Jahren in Eritrea. In dieser Zeit hat die Organisation in enger Zusammenarbeit mit eritreischen Ärzten, Schwestern und dem Gesundheitsministerium unter anderem OPs eingerichtet, eine Geburtsklinik und eine Klinik für Brandopfer gebaut und versucht, die medizinische Versorgung auch außerhalb der Hauptstadt zu verbessern. Nach dem Tod einer jungen Mutter in der Geburtsklinik, der auf Komplikationen wegen ihrer Beschneidung zurückging, fasste er den Entschluss, in Eritrea gegen FGM aktiv zu werden.

    "Ich habe anfangs einen befreundeten Arzt im Gesundheitsministerium gefragt: 'Sag mal, ist das richtig, wenn wir als weiße Ärzte hierher kommen und etwas zum Thema Genitalverstümmlung erzählen.' Und da sagte er: 'Yes Peter, sometimes we need a little push from outside.'"

    Auch Selams Mutter brauchte diesen Schubs von außen, um über die Tradition der Beschneidung nachzudenken.

    "Es war nicht leicht, darüber zu sprechen, denn es war ein Thema, über das wir nie gesprochen hatten. Also habe ich meiner Mutter viele Fragen gestellt und auch, warum sie es getan hat. Sie sagte, es sei Tradition, auch wenn sie nicht wusste, warum. Also wissen auch Eltern nicht wirklich, was das ist. Aber sie tun es, weil ihre Eltern und Großeltern sie zwingen, es zu tun. Es ist einfach etwas, was man tun musste, sobald ein Mädchen geboren war."

    Es nicht zu tun, sich der Tradition der Beschneidung zu verweigern, verlangte eine Menge Standhaftigkeit. Diese Erfahrung haben auch Josief und seine Frau Lucia gemacht. Die beiden haben im 30-jährigen Unabhängigkeitskrieg gegen das Nachbarland Äthiopien gekämpft und arbeiten heute in der Verwaltung verschiedener Ministerien. Sie haben drei Kinder, einen Jungen und zwei Mädchen:

    "Wir mussten uns gegen die Tradition hier in Eritrea stellen, als meine Frau Lucia unser Baby geboren hat, ein Mädchen, die Tradition, die unsere Mütter und Väter sehr hoch achten."

    Eine nicht ganz freiwillige Entscheidung mit Vorgeschichte: Als der Sohn der beiden schwer erkrankte, konnte er mit Hilfe des Hammer Forums in Deutschland behandelt werden. Aus Dankbarkeit auch gegenüber der Gastfamilie versprachen Josief und Lucia, ihr nächstes Kind werde einen deutschen Paten haben und dessen Namen tragen. Als sich dann vor etwa fünf Jahren abzeichnete, dass die beiden ein Mädchen erwarteten, erklärte die deutsche Patin in spe, sie wolle nur ein unbeschnittenes Mädchen als Patenkind akzeptieren. Nach langen Diskussionen stimmte das Ehepaar zu - mit allen Konsequenzen:

    "Hier in Asmara und in bestimmten Regionen des Landes beschneiden sie sehr früh innerhalb der ersten paar Tage oder Wochen. Deshalb hatten wir Angst, Lucia und die kleine Karin nach Dekam'Hare zu schicken, wo ihre Eltern leben. Eigentlich wäre das Tradition gewesen. Aber wir hatten Angst, dass sie die kleine Karin beschneiden, so wie sie das bei Jerusalem, meiner älteren Tochter, gemacht haben. Also haben wir, statt Lucia auf Reisen zu schicken, ihre Mutter nur angerufen. So konnten wir sichergehen, dass die Kleine nicht beschnitten wird."

    Ihre Tochter wurde nicht beschnitten. Sie hätten damals die richtige Entscheidung getroffen, sagt Josief - auch gegen die Tradition. Diese Ansicht teilen aber nicht alle - bis heute. Nach dem Gespräch will Josief schnell ins Krankenhaus zu seiner Schwägerin. Sie erwartet ein Kind und will es beschneiden lassen, wenn es ein Mädchen ist - Gesetz hin oder her. Josief und Lucia versuchen, sie davon abzubringen, nicht nur weil neuerdings harte Strafen drohen.

    Das Problem wird trotz des neuen Gesetzes nicht über Nacht verschwinden, davon ist auch der Gesundheitsminister Saleh Mekhi überzeugt. Er hat sich lange dagegen ausgesprochen, einfach ein Gesetz zu erlassen:

    "Wenn man das Gesetz von jetzt auf gleich einführt, dann kriminalisiert man FGM einfach. Aber wir haben zuerst ein Bewusstsein für das Problem geschaffen, für die Schmerzen, die die Kinder erleiden müssen, die Auswirkungen auf Familien. Und irgendwie ist es ja auch ein Verbrechen. Es ist ja nicht so, dass man eines morgens aufwacht und sagt: So, jetzt ist es illegal. Das wäre ein Desaster, denn das hätte nur zur Folge, dass das Ganze verdeckt im Untergrund passiert. Es würde nicht aufhören. Und ich habe meinen Freunden zum Beispiel vom Hammer Forum während unserer Diskussionen immer wieder gesagt, wenn sie gefragt haben, warum es so lange dauert: 'Was erwartet ihr? Lasst uns erst die gesellschaftliche Basis legen, bevor wir es kriminalisieren.'"

    Dieses Bewusstsein bei Ihren Mitschülern, Freunden und Verwandten zu schaffen, hat sich auch Selam vorgenommen, seit sie wieder aus Deutschland zurück ist. Sie setzte sich dafür ein, dass die Ärzte des Hammer Forums mit ihren Mitschülern über das Thema sprechen konnten. Und die Diskussion ging weiter, zuhause. Muna erinnert sich:

    "Als ich das erste Mal davon gehört habe, bin ich nach Hause gegangen. Ich bin Muslima, und diese Kultur und Tradition wird in meiner Familie hoch geachtet. Ich war so wütend auf meine Eltern. Aber ich konnte nichts tun. Aber ich war bereit, meine Eltern darauf anzusprechen, besonders meine Mutter. Ich wollte wissen, warum sie mir das angetan hat. Aber dafür gibt es keine Antwort. Nur: Es ist Tradition."

    Auch Lidia wollte mit ihren Eltern darüber reden, wollte wissen, ob sie beschnitten ist.

    "Ich konnte nicht mit meinem Vater darüber reden. Ich spreche überhaupt selten mit ihm. Und ich habe nicht das Vertrauen, mit meiner Mutter über Sex und solche Sachen zu sprechen. Also habe ich es anders gemacht und meiner Mutter von der Diskussion in der Schule erzählt. Und dann habe ich sie gefragt. Und es war nicht eindeutig, was sie mir gesagt hat. Erst hat sie ja gesagt, dann nein, dann vielleicht. Dann habe ich gesagt, es ist okay. Sie wollte es mir nicht sagen. Ich weiß also nicht, ob ich beschnitten bin oder nicht."

    Die hilflose oder strikte Art ihrer Mütter, mit dem Thema umzugehen, führen Muna und Lidia auf die Angst zurück, ihre Töchter könnten sie für schlechte Mütter halten. Eine völlig unbegründete Sorge, sagt Muna:

    "Ich kann natürlich verstehen, dass sie es nicht getan hat, weil sie eine schlechte Mutter ist. Ich bin aber überzeugt, dass ich es nicht mit meinen Kindern machen würde nur wegen der Tradition. Ich bin gegen diese Kultur. Auch meine Brüder und Schwestern sind dagegen und würden es bei ihren Kindern auch nicht machen."

    Der Grundstein für das Ende der weiblichen Genitalverstümmelung in Eritrea scheint also gelegt, zumindest in den Städten. Doch um dem Problem wirklich beizukommen, muss die Bevölkerung außerhalb der Städte überzeugt werden, also der überwiegende Teil der fast fünf Millionen Eritreer.

    Keine leichte Aufgabe. Denn Eritrea gehört trotz seines Reichtums an Rohstoffen zu den ärmsten Ländern der Erde. Etwa 80 Prozent der Eritreer leben von dem, was sie dem kargen Boden abringen können. Ein paar Ziegen oder Hühner liefern zusätzliche Nahrung oder ein bisschen Gewinn, wenn sie verkauft werden. Für Wasser müssen viele weite Strecken zurücklegen. Und ob sie dann frisches, nach westlichen Maßstäben trinkbares Wasser vorfinden, steht noch auf einem anderen Blatt.

    Die Tradition spielt eine große Rolle im Leben der meisten Eritreer. Die Familienstruktur ist streng patriarchalisch, jede Frau bekommt durchschnittlich fünf Kinder, die Sterberate ist hoch - bei Kindern und bei Müttern. Schuld daran ist nicht nur die oft sehr unzureichende medizinische Versorgung. Viele Frauen sterben bei oder nach der Geburt an den Spätfolgen der Beschneidung, viele Kinder ebenfalls. Sie bleiben wegen des starren Narbengewebes zu lange im Geburtskanal.

    Deshalb hat die eritreische Nichtregierungsorganisation Vision Eritrea sich zwei besonders schwer zugängliche Regionen ausgewählt, um ihre Kampagne gegen weibliche Genitalverstümmlung zu beginnen: Nacfa im Westen Eritreas und Afabeth am Roten Meer. Hier leben etwas mehr als eine halbe Million Menschen, viele von ihnen sind Nomaden. Fast jede Frau (98 Prozent) ist beschnitten, etwa 80 Prozent sind infibuliert, also nach der Beschneidung wieder zugenäht worden.

    Das Hammer Forum konnte das Bundesministerium für Wirtschaftliche Zusammenarbeit gewinnen, einen Teil des auf zwei Jahre angelegten Projekts zu zahlen. Der Rest wird aus Spenden vom Hammer Forum und von SUKE, dem Schweizer Unterstützungskomitee für Eritrea, bezahlt. Vision Eritrea will lokale Autoritätspersonen wie Gemeindevorsteher oder Religionsvertreter gewinnen, die Bevölkerung über die Gefahren der weiblichen Genitalverstümmlung aufzuklären. Der zweite Ansatzpunkt sind die ehemaligen Beschneider und Beschneiderinnen, sagt Toumzglu Senal, der Projektkoordinator bei Vision Eritrea:

    "Denn jetzt, wo es verboten ist, können sie nicht mehr öffentlich beschneiden. Wir können ihnen Geld geben, damit sie ein kleines Geschäft aufmachen können, eine kleine Geflügelzucht. Was immer sie machen wollen, wir geben Ihnen Startkapital."

    Damit soll natürlich auch verhindert werden, dass die Praxis einfach heimlich weitergeführt wird - alleine schon aus wirtschaftlichen Anreizen. Noch wichtiger aber ist es in dieser traditionellen Gesellschaft, eine andere Gruppe davon zu überzeugen, dass FGM schädlich ist: die Männer.

    "Sehen Sie, ein wichtiger Aspekt, warum Frauen und Mädchen beschnitten sind, ist die sexuelle Komponente. Wenn man Frauen nach der Geburt fragt, ob sie wieder zugenäht werden wollen, werden sie sagen, dass es der Mann will. Und dann kommt hinzu, dass es etwas mit der sexuellen Befriedigung des Mannes zu tun hat. Das darf man nicht vergessen - und deswegen wollen wir den Männern dieses Thema nahe bringen. Denn wenn die sich nicht ändern, dann wird es sehr schwierig für die Frauen, zu akzeptieren, dass ihre Tochter nicht beschnitten wird. Kriegt man aber die Männer dazu, ihre Einstellung zu ändern, dann gibt es eine Chance, dass es für immer aufhört."

    Viele Männer wissen gar nicht, was mit ihren Töchtern geschieht, denn die Beschneidung ist ein Frauen-Ritual, von dem die Männer ferngehalten werden. In den Regionen Nacfa und Afabeth sind die Mädchen oft erst zwei bis drei Jahre alt, wenn sie beschnitten werden, erzählt Toumzglu Senal von Vision Eritrea. Oft gebe es eine Art Fest, mehrere Mädchen würden am gleichen Tag beschnitten. Die Frauen singen und machen Musik, damit die Schmerzensschreie übertönt werden, denn beschnitten wird ohne Narkose.

    Was aber passiert wenn seine Leute auf Familien stoßen, in denen auch noch nach Inkrafttreten des Gesetzes beschnitten worden ist? Immerhin drohen dem, der eine Beschneidung verlangt laut Gesetz sechs Monate bis ein Jahr Gefängnis oder eine Geldstrafe von 3000 Nacfa, etwa 170 Euro.

    "Das ist auch für uns neu - für alle von uns. Was machst du, wenn eine Mutter in deine Klinik kommt und hat ihr Baby drei Monate zuvor beschneiden lassen? Was machst du dann? Das ist schwierig, sogar für uns als Projekt-Management-Team. Wir wollen nicht, dass die Leute in der Region denken, die bringen uns jetzt zur Polizei oder vor Gericht. Wir müssen Vertrauen in den Gemeinden aufbauen. Das wird nicht leicht. Deshalb müssen wir mit den Verantwortlichen in den Gemeinden arbeiten. Was wir festgestellt haben in Eritrea, wo wir Erfahrungen mit vielen Gesetzen und Verfügungen haben: Wenn die Leute erst einmal davon überzeugt sind, dass etwas richtig ist, dann werden sie es akzeptieren."

    Diese Erfahrungen haben auch Selam und ihre Freundinnen Muna und Lidia gemacht - in ihrer direkten Umgebung:

    "Ich habe eine kleine Schwester - und die ist nicht beschnitten. Wegen mir und meines Bruders. Wir haben in der Schule beschlossen, allen Leuten zu sagen, dass sie es nicht machen sollen. Ich habe also eine kleine Schwester, und ich habe eine Nichte. Und wir haben beschlossen, sie nicht zu beschneiden. Meine Mutter hat mit meinem Vater gesprochen, und wir haben mit den Nachbar gesprochen. So geht es weiter."

    "Vor zwei Monaten ist meine Cousine geboren worden, und ich habe meiner Mutter gesagt, sie solle sie nicht beschneiden lassen. Und sie hat zugestimmt. Also hat meine Tante sie nicht beschneiden lassen. Außerdem hat sie mit ihren Freundinnen darüber gesprochen. Ich denke, dass ist ein guter Anfang."