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Radiolexikon Gesundheit: Übermäßiges Schwitzen

Schwitzen ist wichtig für die Temperaturregulation des Körpers - quasi als körpereigene Klimaanlage. Doch manche Menschen schwitzen übermäßig viel. Egal ob es draußen heiß oder kalt ist - sie schwitzen ständig ohne ersichtlichen Grund.

Von Renate Rutta |
    " Ich hab sehr massiven Schweißaustritt an den Händen, das heißt im Alltag, wenn ich jemand die Hand geb, Kundengespräch zum Beispiel kann man's schwer verstecken, also man gibt wirklich die pitschnasse Hand."

    " Das Schwitzen an den Händen ist sehr ausgeprägt, belastet mich sehr, nur ist es die nicht einzige Stelle, an der ich schwitze: es sind die Achseln, Füße, Gesicht.

    Also bei mir ist es so, wenn ich unterschreibe, leg ich mir ein anderes Blatt Papier oder was ich grad zur Hand habe, einen Ausweis zum Beispiel, leg ich mir unter die Hand, weil meine Hand wirklich tropfen kann.

    Das ist unglaublich, alles, was ich anfasse, ist nass, es rutscht mir aus den Händen.

    Bei mir war's so, dass ich mit Fotomaterialien gearbeitet hab und dieser Schweiß die Fotomaterialien, also den Film, teilweise schon entwickelt hat.

    Das hab ich seit der Geburt an, es ist nur mit den Jahren immer schlimmer geworden.

    Ansonsten gibt's natürlich eine ganz klassische Situation: Partnersuche. Also man gibt jemand, an dem man wirklich interessiert ist, zum ersten Mal die Hand. Das sind natürlich Situationen, die sind grenzwertig."

    Sascha Ballweg und Marcel Pason leiden beide unter übermäßigem Schwitzen, der sogenannten Hyperhidrose. Manche Betroffene schwitzen am gesamten Körper, andere nur an den Händen, den Füßen, den Achselhöhlen oder im Gesicht. So wie der Ort kann auch das Ausmaß des Schwitzens variieren. Ob jemand wirklich an einer Hyperhidrose leidet, lässt sich messen. Dr. Gernot Herrmann, Oberarzt an der Klinik und Poliklinik für Dermatologie und Venerologie der Universität Köln:

    " An den Händen ist ein einfach durchzuführendes Messverfahren, dass man den Schweiß wiegt. Das kann man ganz einfach mit einem Kaffeefilter einer herkömmlichen Marke machen, den man eben vorher wiegt, dann für eine Minute auf die Hände legt und nachher wiegt und da sagt man so, 30 Milligramm Schweiß pro Minute wäre so der Grenzwert."

    Die genauen Ursachen des übermäßigen Schwitzens sind nicht bekannt. Man vermutet, dass die Nerven zu viele Impulse an die Schweißdrüsen abgeben und sie so zur übermäßigen Produktion von Schweiß anregen.

    Es gibt zwei Formen des krankhaften Schwitzens. Bei der ersten, der sogenannten primären Hyperhidrose sind oft mehrere Mitglieder einer Familie betroffen. Bei Sascha Ballweg leidet auch die Mutter unter übermäßigem Schwitzen. Stress und Nervosität sorgen bei ihm für vermehrte Schweißbildung.

    " Also stressbedingt wird man als Hyperhidroseleidender wirklich zu wahren Ausbrüchen finden. Ansonsten macht die Krankheit keinen Unterschied zwischen Sommer und Winter. Im Winter bei Minustemperaturen hab ich im Grunde genauso Handschwitzen wie im Sommer, führt dann zu einem Kühlungseffekt, Schwitzen ist ja Kühlen, das heißt die Hände, die dann sowieso relativ kalt sind, bekommen da nochmal den Rest an Frostung. das ist nicht angenehm. Also im Winter hat man wirklich eiskalte Hände, feuchte Hände, der Wind zieht dann noch vorbei, man gibt dem Gegenüber wirklich eine nasse Hand, die eiskalt ist."

    Bei der zweiten Form, der sogenannten sekundären Hyperhidrose wird das Schwitzen durch eine andere Krankheit ausgelöst, wie etwa eine Schilddrüsenüberfunktion oder einen Tumor. Dr. Herrmann:

    " Es können Stoffwechselerkrankungen wie Diabetes sein, Übergewicht führt zu einem verstärkten Schwitzen, daneben kann es durch hormonelle Umstellungen im Rahmen von Wechseljahren zu einem verstärkten Schwitzen kommen, auch Infektionskrankheiten, früher häufig Tuberkulose, führen zu einem verstärkten Schwitzen. Aber auch konsumierende Erkrankungen, neu aufgetretene bösartige Erkrankungen, die, wenns eben ganz abrupt auftritt und sehr stark ist, doch mal abgeklärt werden sollten."

    Aber auch einige Medikamente wie Kortikoide, Salicylsäure oder Beta-Blocker können unter Umständen für starkes Schwitzen verantwortlich sein genauso wie Alkohol, Koffein, Nikotin und Lindenblütentee sowie stark gewürzte Speisen.

    Die Behandlung ist davon abhängig, wie stark die Hyperhidrose ausgeprägt ist. In einfachen Fällen kann eine Kur mit Salbeitee die Beschwerden verringern. Menschen mit leichter Hyperhidrose hilft tägliches Duschen, die Achselhaare rasieren, Kleidung aus Naturfasern, Deoseifen, Deodorants und Antitranspirantien, also Substanzen, die unter die Achseln aufgetragen werden und die Schweißdrüsen verengen.In schwereren Fällen wie bei Sascha Ballweg wurden auch Medikamente verschrieben:

    " Ich hab verschiedene Therapiemöglichkeiten empfohlen bekommen, ausprobiert und hab eigentlich keine wirklichen Erfolge verbuchen können, bis irgendwann ein Arzt ein Mittel bei mir ausprobiert hat, das normalerweise gegen Parkinson eingesetzt wird. Dieses Mittel hat mir geholfen, hatte allerdings auch starke Nebenwirkungen wie erhöhten Augendruck, Herzrasen, also ich hatte ständig trockene Augen, trockene Zunge, also für mich war's kein Mittel der Wahl, es war mit zu vielen Nebenwirkungen bedacht."

    Gute Erfahrungen hat er dagegen mit Aluminiumchloridlösungen gemacht:

    " Diese Aluminiumsalze verschließen die Poren fast vollständig, funktioniert unter den Achseln wirklich wunderbar, also damit hab ich mein Achselschwitzen komplett in den Griff bekommen, wirklich keine sichtbaren Ränder mehr, keine Schweißflecken mehr. Problematisch ist es an Händen und Füßen. Die Haut ist anders beschaffen, die Haut ist dicker, die Poren sind anders beschaffen. Also es ist nicht ganz so leicht wie unter den Achseln zu therapieren. Aber diese Aluminiumsalze haben ansonsten keine Nebenwirkungen, außer vielleicht ein leichtes Jucken und Brennen, was aber in der Regel nach ein, zwei Tagen vorbeigeht, weil sich die Haut dann dran gewöhnt hat an die Anwendung."

    Am besten, so sagt Sascha Ballweg, klappt bei ihm die Anwendung abends vor dem Schlafengehen, weil man nachts weniger schwitzt und das Präparat dann nicht gleich wieder ausgeschwemmt wird.

    Für Marcel Pason dagegen ist die Iontophorese, die Gleichstromtherapie, die erste Behandlungsmethode, die er ausprobiert. Er kommt seit einer Woche jeden Morgen in die Kölner Uniklinik zur Behandlung, die Dr. Herrmann verordnet hat:

    " Ja wir sind grade dabei, die Apparatur für die Iontophorese aufzubauen. Dafür werden Plastikwannen mit Wasser gefüllt und mit Handtüchern ausgelegt und es wird vom Patient für gewisse Zeit Hände und Füße in diese Wannen getunkt und ein entsprechender Gleichstrom zugeführt, der, vielleicht kann man den Patienten selber fragen, so als leichtes Kribbeln empfunden wird."

    " Ja, die Iontophorese fühlt sich an wie 1000 kleine Käfer, die auf der Haut rumlaufen, es kribbelt an den Händen. An den Füßen merkt man's weniger. Jetzt im Moment zeigt die Voltzahl auf die gewünschte beziehungsweise eingestellte Zahl und man kann sie jetzt beliebig höher stellen oder auch niedriger, wie es das Empfinden des Patienten ist, ob es ihm nichts ausmacht so wie ich jetzt 18 Volt zu haben, das liegt ganz im Empfinden des Patienten."

    " Ja, das ist dann sehr individuell. Man fängt mit gewissen niedrigen Dosen an, schaut, wie ist so die Toleranzschwelle des Einzelnen und führt dann eine gewisse Anzahl von Behandlungen durch. Oft sieht man Effekte nach zehn Behandlungen, würde aber nach zehn Behandlungen, die man drei bis fünfmal wöchentlich am Anfang macht, noch keine Entscheidung fällen, sondern bis zu 25 oder 30 Behandlungen durchführen und dann sehen, ob man Effekte hat oder nicht und dann mit dem Patienten besprechen, ob man das weitermacht. Denn das ist eine Therapie, die nicht nur kurzfristig angelegt ist, sondern dann, wenns funktioniert, auch als Dauertherapie für zuhause gedacht ist."

    Hände und Füße werden gleichzeitig in kleine rechteckige Plastikwannen getaucht. Am Boden befinden sich dünne graue Metallplatten als Stromleiter. Sie sind an ein Gleichstromgerät angeschlossen.

    " Die ganz genaue Wirkungsweise ist nicht geklärt. Man glaubt, dass letztendlich Effekte an den Schweißdrüsen, dass es zu Depolarisierungen kommt und dass damit längerfristig der Schweißfluss aus diesen Schweißdrüsen reduziert wird."

    Nach etwa zehn bis fünfzehn Minuten ist die Behandlung für heute abgeschlossen.

    " Ich mach mir als Erstes mal die Hände trocken und meine Füße und werde mich dann anziehen und anschließend die beiden Wannen von den Leitungen des Gleichstromgenerators erstmal abklemmen und die Wannen mit dem Wasser ausschütten, dann die Lappen rausnehmen, so ... schütt ich das aus ... "

    " Prinzipiell muss man sagen, dass es eine sichere Sache ist, weil's eigentlich niedere Ströme sind, es gibt eigentlich wenig Gegenanzeigen, dass man's nicht machen darf, zum Beispiel wenn man Metallteile im Körper hat oder einen Herzschrittmacher oder ähnliches."

    Wenn das alles nicht hilft, gibt es für hartnäckige Fälle auch chirurgische Behandlungsmethoden oder eine Anwendung mit Botulinumtoxin A, dem Gift des Botulismuserregers. Es wird in starker Verdünnung alle paar Monate mit rund 40 Einstichen unter die Haut gespritzt. Dadurch wird die Nervenleitung blockiert und die Schweißproduktion über längere Zeit fast komplett eingestellt. Vorteil: es ist keine Operation nötig. Nachteil: Die Wirkung ist zeitlich begrenzt.

    " Im Bereich der Achselhöhlen steht die Therapie mit Botulinumtoxin ganz im Vordergrund und wird auch noch stärker an Einfluß gewinnen. Da gibt's ganz gute Studien, die eine Wirksamkeit erweisen. Das muss man zu gewissen Zeiten erneuern und dann gibt's eine operative Möglichkeit für ganz schwierige Fälle, wo eben die Schweißdrüsen durch Absaugung oder Auskratzen entfernt werden bis hin zur operativen Entfernung des gesamten Schweißareals oder hin zur Nervendurchtrennung. Das ist aber im Einzelfall zu entscheiden."