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Radteam Bahrain-Merida
"Ein grauenvolles Regime kriegt einen Freifahrtschein"

Das umstrittene Team Bahrain-Merida nimmt an der diesjährigen Tour de France teil. Gründer Prinz Nasser soll in die Folterungen von Dissidenten in Bahrain direkt involviert gewesen sein, bemängelt der bahrainische Menschenrechtler Sayed Alwadaei im Dlf. Bahrain nutze den Sport, um sich reinzuwaschen.

Sayed Alwadaei im Gespräch mit Marina Schweizer |
Damiano Caruso und Matej Mohoric (re.) vom Team Bahrain-Merida.
Damiano Caruso und Matej Mohoric vom Team Bahrain-Merida (dpa / picture alliance / Augenklick /Roth)
Marina Schweizer: Schon einige Tage vor dem Tour-Start bekam der Präsident des Weltradsportverbandes (UCI) Post: Ein dreiseitiger Brief, dessen Kopf die Logos von zwölf NGOs, Athletengewerkschaften und Fanorganisationen ziert.

Und was der Radsportchef David Lappartient da zu lesen bekam, waren große Bedenken bezüglich eines Teams, das jetzt bei der Tour startet: Das Bahrain Merida Pro Cycling Team. Eine Mannschaft, die 2017 vom Sohn des herrschenden bahrainischen Königs gegründet wurde.
Und die teilweise von privatwirtschaftlichen Firmen aber auch von halbstaatlichen Unternehmen unterstützt wird. Das aber darauf beharrt: Man werde nicht vom Staat finanziert und könne deshalb auch nicht mitverantwortlich gemacht werden für staatliches Handeln.
Ich habe vor der Sendung mit einem der Unterzeichner des Briefs gesprochen: Sayed Alwadaei - vom Bahrain Institute for Rights and Democracy - das in Großbritannien ansässig ist. Erste Frage an ihn: Warum ist es für Sie so unerträglich, dass dieses Team bei der Tour startet?
Sayed Alwadaei: Es geht ja darum, wie der Radsport Bahrain mit seiner erschreckenden und schrecklichen Menschenrechtsbilanz erlaubt, die Verletzungen durch den Sport "rein zu waschen" und an der Tour de France oder anderen World-Tour-Rennen teilzunehmen.
Schweizer: Was meinen Sie denn genau mit durch den Sport "rein waschen"?
Alwadaei: Mit "Sportswashing" meine ich, wenn der Teamchef - Scheich Nasser al Khalifa ist, zufällig ein Mann, der direkt involviert war in Folter von Dissidenten in Bahrain - zwei von ihnen haben ihn angeblich bezichtigt, er sei der Mann gewesen, der sie gefoltert hat.
Ein Mann mit dem Ruf, er sei stolz, Gewehre zu besitzen. Und der am Krieg im Jemen beteiligt ist, während die Welt weiß, dass dies die schlimmste von Menschen gemachte Katastrophe ist, die es zurzeit gibt.
Es ist extrem ärgerlich, dass ein solcher Mensch wegen seines Reichtums und weil er Prinz der herrschenden Familie ist, der Weltradsportverband oder andere Sportorganisationen davon keinerlei Kenntnis nehmen.
Prinz Nasser al-Khalifa aus Bahrain ist als finanziell potenter Teamchef im Radsport aktiv. 
Prinz Nasser al-Khalifa aus Bahrain ist als finanziell potenter Teamchef im Radsport aktiv. (dpa / picture alliance / Alexander Melnikov)
"Es gibt nicht einen bahrainischen Fahrer"
Schweizer: Sie prangern an, dass sich die UCI nicht an ihren eigenen Ethikcode hält?
Alwadaei: Meine Meinung ist: Wenn sie einen Ethikcode haben, dann müssen sie ihm auch Folge leisten. Das bedeutet: Wenn jemand eine katastrophe Menschenrechtsbilanz aufweist, dann sollte das im Fokus ihrer Entscheidungen stehen. Und die schieben das alles beiseite und sagen: 'Hey, schau mal: Wir haben uns diese Bedenken 2016 angesehen und wir haben uns dazu entschlossen, dem Bahrain-Merida-Team eine Lizenz zu geben.' Das lässt wirklich ernste Bedenken an ihrer Entscheidungsfindung aufkommen.
Schweizer: Sie sagen jetzt: Da kommen Bedenken auf. Was fordern Sie denn genau?
Alwadaei: Also zunächst mal fordern wir, dass sie Bahrain die Lizenz nicht ausstellen sollen. Schon allein, weil wir sehr klar gemacht haben und wir haben alle Verletzungen aufgelistet, die direkt mit dem Prinz in Verbindung stehen. Er war damals schon der Chef des Teams und er ist es auch heute noch.

Also: Der Kopf des Teams wird der Folter bezichtigt. Ein britisches Gericht hat seine Immunität wegen dieser Foltervorwürfe aufgehoben. Ich habe ihnen sogar die Gerichtsentscheidung zukommen lassen. Das alles hat nichts gebracht, wenn es darum geht, sich das mit dem Bahrain-Team nochmals zu überlegen.
Außerdem haben wir gesagt: Warum erlaubt ihr Bahrain mit seiner Menschenrechtsbilanz an so einem prestigeträchtigen Ereignis teilzunehmen, wie der Tour de France oder einem anderen World-Tour-Rennen? Wohl wissend, dass es nicht einen bahrainischen Fahrer gibt?

Sportlich wird alles von Individuen gemanagt, die keine Verbindung zum Land haben. Also: Man hat nur einen Namen, der von Halbregierungs-Kumpels finanziert wird. Es ist fast so, als ob sie von der Finanzierung Abstand nehmen und sagen: Es wird gar nicht direkt von der bahrainischen Regierung unterstützt - aber wir haben ja die Bahrain Petroleum Company als einen der Haupt-Geldgeber.
Und dann muss man schon fragen: Sie sagen: Das ist nicht die Regierung, die das finanziell stützt und gleichzeitig erlauben Sie einer privatwirtschaftlichen Firma, die der Regierung gehört, Hauptgeldgeber zu sein?
Also, die Fragen, die sich da aufdrängen, wenn es um die Lizenz des Bahrain-Teams geht, drehen sich um den Prinz und die Foltervorwürfe und zweitens um den Umgang mit Menschenrechten im Land. Also: Sie benutzen dieses Event, um sich durch den Sport reinzuwaschen.
Matej Mohoric feiert seinen Sieg auf der 3. Etappe der Deutschland Tour.
Matej Mohoric feiert seinen Sieg auf der 3. Etappe der Deutschland Tour. (dpa/Bernd Thissen)
"Ein grauenvolles Regime kriegt einen Freifahrtschein"
Schweizer: Aber sagen Sie dann gleichzeitig, dass der Radsport über gut und Böse in der Welt entscheiden soll?
Alwadaei: Wie meinen Sie das?
Schweizer: Also, wenn Sie sagen, dass der Radsport sich jetzt entscheiden soll, dass dieses Team keine Erlaubnis haben sollte, an großen, wenn man so will Marketing-Events des Sports teilzunehmen - dann müsste ja der Radsport eine rote Linie ziehen. Das muss der Sport tun, abseits der Politik?
Alwadaei: Schauen Sie: Niemand kann Menschenrechte vom Sport loslösen. Im Sport geht es um Wettkampf, um Moral und Ethik. Wenn man das vom Sport wegnimmt, hat er keinen Wert. Also, wenn man jetzt sagt, dass der Prinz und das Bahrain-Team trotz der erschreckenden Menschenrechtsbilanz einen Freifahrtschein bekommen sollen für dieses wichtige Sportereignis, dann ist meine Frage: Wer sonst?

Wir haben so viel über Doping-Skandale gehört, viele ernste Probleme im Radsport in der Vergangenheit - und der Weltradsportverband ist die Organisation, die versucht hat zu sagen: 'Wir unterziehen uns Reformen und geben unser Bestes.'

Und während sie diese Behauptungen anstellten, haben wir sie dabei beobachtet, wie sie einem der grauenvollsten Regimes der Welt einem Freifahrtschein gegeben haben, ohne Fragen zu stellen. Also stellen wir die Ernsthaftigkeit ihrer Anstrengungen in Frage.
Schweizer: Haben Sie inzwischen eine Antwort auf Ihr Schreiben erhalten?
Alwadaei: Wir haben bisher keine Antwort von der UCI bekommen. Aber wir haben von einem Statement gehört, über das der Guardian und andere Nachrichtenmedien berichtet haben. Darin hat die UCI gesagt, ihnen seien 2016 schon ähnliche Vorwürfe entgegengebracht worden und dass Ende des Jahres neu evaluieren werden und sie sagten, sie werden alle öffentlich verfügbaren Berichte miteinbeziehen.
Das ist eine unglaubliche Antwort. Das zeigt Ihnen die Ernsthaftigkeit, das zeigt Ihnen, wie ernst man führende Menschenrechtsorganisationen nimmt. Sie haben die Vorwürfe 2016 schon einmal bekommen. Jetzt bitten wir sie darum, transparent zu machen, mit welcher gebührenden Sorgfalt sie geprüft haben, dass ihr Sport nicht in Verbindung steht mit Menschenrechtsverletzungen. Das war unsere Bitte. Und bis heute haben wir darauf keine Antwort bekommen. Wir warten immer noch drauf.
Schweizer: Der bahrainisch-stämmige Menschenrechtler Sayed AlWadaei im Interview mit dem Deutschlandfunk.
Der besagte Prinz bestreitet alle Vorwürfe gegen sich.
Die UCI teilt als Reaktion auf den Brief mit, dass für die kommende Saison eine unabhängige Lizensierungkommission alle Informationen bezüglich des Teams überprüfen werde und dass man sich auf das Team und seine Mitglieder konzentrieren wolle.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.