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Reform der Agrarsubventionen
"In Bezug auf die Umwelt ist es deutlich zu wenig"

Die Bundesministerien für Umwelt und für Landwirtschaft haben sich auf eine Reform der Agrarsubventionen verständigt. Die Umwelt komme dabei aber weiter zu kurz, kritisierte Professor Friedhelm Taube im Dlf. Zu viel werde für die Bewirtschaftung und den Besitz von Fläche gezahlt.

Friedhelm Taube im Gespräch mit Jule Reimer |
Eine Agrarlandschaft in der Eifel
Agrarlandschaften führen zu einem gigantischen Biodiversitätsverlust, sagt der Kieler Professor Taube (dpa / Agrar-Press)
Die Einigung sieht vor, dass ein Teil der Zahlungen, die von der EU nach Deutschland fließen, an Umweltleistungen gebunden werden sollen. 75 Prozent der Direktzahlungen würden aber weiter für die Bewirtschaftung und den Besitz von Fläche vergeben, kritisierte Friedhelm Taube, Professor an der Universität Kiel und Mitglied im Wissenschaftlichen Beirat des Bundeslandwirtschaftsministeriums, im Dlf. Damit hätten sich auf europäischer Ebene die Agrarverbände doch im Wesentlichen durchgesetzt. Die jetzige Einigung sei zwar ein erster Schritt, "aber aus Sicht der Wissenschaft in Bezug auf Umwelt ist es deutlich zu wenig".
Gemeinsame Agrarpolitik - Was die EU-Agrarreform bringen soll
Über eine gemeinsame Agrarpolitik in der EU wird seit langem gestritten. Wie können die milliardenschweren Fördergelder aus dem EU-Budget gerecht an die Landwirte verteilt werden? Und wie lässt sich diese Verteilung an die Öko-Maßnahmen koppeln?
Dabei sei schon 2005 festgelegt worden, dass mit den Direktzahlungen an die Landwirte auch Aufgaben im Bereich Umwelt- und Biodiversitätsschutz zu gewährleisten seien. Alle Indikatoren zeigten aber heute, dass diese Ziele nicht erreicht worden seien. Und die Erfahrung zeige leider auch, dass die konstruktiven Erwartungen, die es seitens des Naturschutzes in solche Veränderungen gab, maßlos enttäuscht worden seien. So reiche es auch nicht aus, nur drei Prozent der landwirtschaftlichen Fläche als Brachen auszuweisen. "Wenn wir diesen gigantischen Biodiversitätsverlust, den wir in Agrarlandschaften haben, ernsthaft stoppen wollen, dann reden alle über Mindestgrößenordnungen von acht bis zehn Prozent an diesen Brachen. (…) Das heißt, drei Prozent ist in der Beziehung vollkommen unzureichend."

Das Interview in voller Länge:
Jule Reimer: Herr Taube, bisher erhielt jeder Landwirt in Deutschland pro Hektar bewirtschafteter Fläche pro Jahr ungefähr 280 Euro. Künftig soll es automatisch ein Viertel weniger sein, nämlich 25 Prozent. Diese 25 Prozent soll es nur noch geben gegen besondere Umweltleistungen. Erst mal die Frage: Reicht dieser Anteil, angesichts der Herausforderungen im Bereich Biodiversität und Klimaschutz?
Taube: Wir hatten seitens des Wissenschaftlichen Beirats beim Ministerium in Berlin vor anderthalb Jahren ein Papier erstellt, in dem wir gefordert hatten, die flächenbezogenen Direktzahlungen absehbar komplett auszusetzen. Nun kann man das, was jetzt offensichtlich auf dem Tisch liegt, in zwei Richtungen diskutieren. Die einen diskutieren das in die Richtung, das ist der Einstieg in den Ausstieg, und das Landwirtschaftsministerium zumindest betrachtet dieses als einen Weg dorthin. Von daher haben wir unterschiedliche Wahrnehmungen: Ist es der Einstieg in einen Ausstieg oder nicht. Dafür müsste aber sichtbar sein, dass wir tatsächlich eine Road Map bis 2030 sehen. Das heißt, die Anschlussfähigkeit an die "Farm to Fork"-Strategie, und die ist bisher nicht sichtbar. Das heißt, hier sehen wir auf europäischer Ebene, dass dort die Agrarverbände sich doch im Wesentlichen durchgesetzt haben, dass es nämlich – und so ist es umgekehrt dann zu sehen – zunächst bei 75 Prozent Direktzahlungen für die Bewirtschaftung und den Besitz von Fläche bleibt.

Umsetzung in den Ländern zu lasch

Reimer: Die "Farm to Fork"-Strategie müssen wir mal kurz erklären. Das ist eine, von der EU-Kommission formulierte Strategie, die besagt, bis zum Jahr 2030 soll der Anteil der besonders risikobehafteten Pestizide halbiert werden und der Anteil des Düngereinsatzes um 20 Prozent reduziert werden. Das ist eine Strategie, die die Agrarminister auf EU-Ebene nur zur Kenntnis genommen haben, ihrerseits noch nicht bestätigt haben. Gehen wir noch mal zurück. 2013 hatten wir ja schon mal eine EU-Agrarreform. Das heißt, auch damals sollte bereits die Subventionierung grüner und gerechter werden. Da waren es sogar 30 Prozent, die an Umweltauflagen gebunden werden sollten. Was muss passieren, damit es jetzt besser funktioniert?
Taube: Der entscheidende Punkt ist tatsächlich die Umsetzung auf Länderebene. Was jetzt hier diskutiert wird, das ist die Legislative, die dann im Kabinett in einen gesetzlichen Rahmen gegossen wird. Aber die konkrete Umsetzung in Form von Verordnungen muss dann ja auf Länderebene durchgeführt werden und da liegt natürlich der Teufel im Detail.
Reimer: Will heißen, das alles war zu lasch in der Vergangenheit?
Taube: Ja, absolut! Wir sehen, es gibt mehrere wissenschaftliche Gutachten, die eindeutig belegen, dass dieses Greening von 2013, was Sie gerade ansprachen – und Sie können sogar noch weiter zurückgehen; schon 2005 war ganz klar fixiert worden, dass mit diesen Direktzahlungen auch die Querschnittsaufgaben im Bereich Umwelt- und Biodiversitätsschutz zu gewährleisten sind. Und alle Indikatoren zeigen heute, dass diese Ziele nicht erreicht worden sind und auch die Nachhaltigkeitsstrategie Deutschlands im Bereich Umwelt und Landwirtschaft in keinem Punkt bisher erreicht worden ist. Die Anschlussfähigkeit dessen, was jetzt hier aktuell auf dem Tisch liegt - das ist ja nun doch schon in den Gazetten ziemlich verbreitet worden, was als Kompromiss hier vorliegt -, diese Anschlussfähigkeit an "Farm to Fork" und an einen Komplettausstieg ist absolut nicht gegeben. Von daher muss man leider feststellen, dass die Erfahrung lehrt, dass die konstruktiven Erwartungen, die auch gerade seitens des Naturschutzes in solche Veränderungen legislativer Weise gesetzt worden sind, auch 2013, wo man glaubte, Naturschutz und Landwirtschaft könnten jetzt im großen Stil zusammenarbeiten, die sind maßlos enttäuscht worden.

"Drei Prozent ist vollkommen unzureichend"

Reimer: Dann gehen wir noch mal in die Gegenwart. Wir haben ja unter anderem auch die Vorgabe, drei Prozent der Agrarflächen sollten brach liegen, Da gibt es viele Landwirte, die sagen, das können wir uns doch gar nicht leisten, da haben wir niedrigere Erträge, und diese Zahlungen, die wir da in Kompensation kriegen würden, die reichen doch gar nicht aus. Ist das eine richtige Sichtweise?
Taube: Wir müssen ja erst mal vom wissenschaftlichen Fundus ausgehen und nicht davon, was einzelne Landwirte sagen. Der wissenschaftliche allgemeine Standpunkt dazu ist: Wenn wir diesen gigantischen Biodiversitätsverlust, den wir in Agrarlandschaften haben, ernsthaft stoppen wollen, dann reden alle über Mindestgrößenordnungen von acht bis zehn Prozent an diesen Brachen, oder wir nennen das dann auch ökologische Vorrangflächen. Das heißt, drei Prozent ist in der Beziehung vollkommen unzureichend.
Die Frage, ob man davon dann weiter "existieren" kann, die hängt jetzt nicht von diesem Punkt ab. Das zeigen viele andere Arbeiten auch in Bezug auf die reduzierten Düngungen im Bereich der sogenannten Roten Gebiete. Da hieß es ja vor anderthalb, zwei Jahren auch, dass damit mehr oder weniger die Welt untergeht und kein Weizen mehr zu produzieren ist in diesen Gebieten, wo 20 Prozent weniger gedüngt werden darf. Wir sehen heute nach entsprechender Auswertung von den entsprechenden Versuchen, die dazu gelaufen sind, dass dem absolut nicht so ist.

"Es fehlt die langfristige Strategie"

Diese Verbindung zu "Farm to Fork" und zu den großen Herausforderungen, die uns ja bevorstehen – wir sind ja weiter beklagt seitens der EU-Kommission in Bezug auf die Nitratrichtlinie, die Wasserrahmenrichtlinie, aber auch die Luftverschmutzung durch Ammoniak aus der Tierhaltung –, hier ist überhaupt gar kein großer Wurf sichtbar, der eine Road Map, tatsächlich eine Tagesordnung aufzeigt, bis 2030 wollen wir dieses Ziel erreichen. Man gibt gewisse Schritte vor, aber man diskutiert das offensichtlich erst dann 2026 weiter, und wir wissen heute nicht, welche politischen Konstellationen wir 2026 haben. Es fehlt die langfristige Strategie.
Reimer: Sagen Sie noch mal ganz kurz: Die Frage ist ja auch, wieviel wird Brüssel vorgeben? Wir haben ja die Brüsseler Vorgaben noch gar nicht vorliegen, wie tatsächlich die Rahmenbedingungen sein werden. Das ist jetzt ein bisschen misslich. Wäre es grundsätzlich sinnvoll, wenn es bestimmte strengere Vorgaben aus Brüssel gibt?
Taube: Erst mal wäre es in der nationalen Obliegenheit Deutschlands, diese Beschlüsse auch entsprechend zu verschärfen. Es gibt ja erhebliche Spielräume, die Brüssel setzt, und von daher ist Deutschland national gefordert, diese jetzt konsequent weiterzuentwickeln. Der erste Schritt ist sicherlich gemacht, aber aus Sicht der Wissenschaft in Bezug auf Umwelt ist es bisher deutlich zu wenig, was dort zu sehen ist.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.