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Religion im Film
Die Berlinale entdeckt das Kloster

Rund 400 Filme locken die Berlinale-Besucher ins Kino. Auch in diesem Jahr spielt Religion eine Rolle bei den Filmfestspielen. Erstaunlich viele Filmemacher haben einen ganz speziellen Ort aufgesucht und machen ihn zum Thema: das Kloster.

Von Kirsten Dietrich | 22.02.2018
    18.02.2018, Berlin: Berlinale, Pressekonferenz: Das stilisierte Logo der Internationalen Filmfestspiele Berlin, der Berlinale-Bär. Foto: Ralf Hirschberger/dpa-Zentralbild/dpa | Verwendung weltweit
    Gleich mehrere Filme auf der Berlinale machen in diesem Jahr das Kloster zum Thema (dpa-Zentralbild/ Ralf Hirschberger)
    "Willkommen an dem Ort, an dem mein Bruder begraben ist. Willkommen, sagt die Magnolie. Ich fühle mich aber im Moment eher so" - Donnergrollen.
    So drastisch beschreibt die Filmemacherin Zita Erffa den Ort, an den sie vor acht Jahren ihren Bruder verloren hat: ein Seminar für künftige Priester der Legionäre Christi.
    "Das ist der Bruder, dessen Brudersein die Schwester beunruhigt. Und das ist der Bruder, der Bruder ist, als er bemerkt, dass wir ihn filmen."
    Der Bruder bei den Legionären Christi
    "The best thing you can do with your life" heißt der Film, den Zita Erffa über ihre Suche nach dem verlorenen Bruder gedreht hat. Einem Bruder, der acht Jahre zuvor urplötzlich Mitglied der Legionäre Christi geworden war - eine Ordensgemeinschaft, in der Gehorsam extrem wichtig ist, die theologisch äußerst rückwärtsgewandt ist - und bei dem Laszlo eigentlich nie Mitglied werden wollte, obwohl beide Geschwister als Kinder den Sommer regelmäßig in Ferienlagern der Legionäre Christi verbrachten.
    "Für mich war das ein Moment im Jahr, wo ich einfach Freunde getroffen habe und eine Atmosphäre hatte mit Glauben, Spaß und Freude, das war jedes Mal ein wunderbares Erlebnis."
    Zita Erffa geht das fremde Klosterleben mit ganz einfachen Fragen an. Sie erkundet, was die Kamera sieht - vom Klingelknopf, mit dem der Tag gegliedert wird, übers gemeinsame Fußballspiel bis zum kitschigen Jesusbild. Nur ein Bild findet sie im Seminar nicht, das muss sie von außen zufügen: das von Marcial Maciel, dem Gründer der Kongregation. Ihm wurden unter anderem Drogenmissbrauch und sexueller Missbrauch von Minderjährigen vorgeworfen.
    "Das war natürlich ein großer Schmerz für mich, man fühlt sich verraten von jemand, der einen Orden gründet und so tut, als sei er Heiliger, um den es einen ganzen Kult gibt, und dann sieht man, das war doch nichts, er hat uns betrogen. Er hat mich betrogen", sagt Laszlo Erffa.
    "Ich mag die Struktur von dem Orden immer noch nicht. Gehorsam ist nicht so meine erste Prämisse im Leben. Aber ja, man kann das oder ich hab gelernt, das aufzuteilen. Ich mag den Orden an sich nicht, aber die Leute in dem Orden schon. Ich hab es jetzt akzeptiert. Glaub ich", sagt die Regisseurin.
    Mit der Kamera ins Kloster - für Zita Erffa war das ein Mittel, um dringend nötigen privaten Gesprächen nicht länger aus dem Weg zu gehen. Und daneben auch: eine spannende Aufgabe als Filmemacherin.
    "Wir hatten das Gefühl, dass wir an einem Filmset sind, als wir da waren, weil alles so aus den 60ern ist, und auch die ganzen Kostüme mit den Soutanen und so, man hatte Gefühl, jemand macht einen Film, aber hat keine Ahnung von Kirche und übertreibt voll, weil alle sind in so schwarzen Gewändern, während normalerweise Priester heute eher schlicht gekleidet sind und nicht so schwarze Kostüme anhaben, eher so ein kleines Kreuz im Revers."
    Klosterleben und Drogenentzug
    Von den Legionären Christi zum absoluten Gegenteil: Der französische Wettbewerbsfilm "La Prière", das Gebet, zeigt gelebtes Christentum, das bewusst schlicht daherkommt. Es ist ein Spielfilm über eine Gemeinschaft, in der junge Abhängige einen Weg aus der Sucht finden sollen - mit nichts als Arbeit, Gebet und der nimmermüden Gemeinschaft mit den anderen.
    "Ich gewöhne mich an das Leben da oben", sagt der junge Thomas, die Hauptfigur des Filmes. "Auch ans Beten?", fragt Sybille aus dem Dorf unterhalb des Klosters zurück. "Bist du jetzt gläubig?" Thomas beginnt ein Ave Maria, lacht, ist sich unsicher. Aber, sagt er: "Das Beten tut gut, es beruhigt mich."
    "Die Religion ersetzt die Drogen nicht, sie gibt nur strenge Regeln vor. Es gibt keine Einsamkeit, man ist nie mehr allein. Sobald man alles abschaltet, das Fernsehen, den Computer, schafft man eine eigene Welt."
    Sagt Co-Autor Samuel Doux. Der Übergang vom Kloster zurück in die Welt bleibt bei dieser Form von Therapie natürlich das entscheidende Problem. Auch für Thomas, dem zunächst Ungläubigen, der übers Gebet zum Glauben findet. Schließlich will er sogar Priester werden - aber auf dem Weg zum Seminar biegt er dann doch ab, zu der jungen Frau, in die er sich verliebt hat. Kein geradliniger Weg zum Glauben also, den Regisseur Cedric Kahn zeigt, aber immerhin einer von der Sucht zur freien Entscheidung.
    "Ich konnte Thomas doch nicht wünschen, dass er im Priesterseminar landet, nachdem er so weit gekommen ist."
    Das Kloster ist ein Ort, an dem der Alltag mit seinen Ansprüchen und Verlockungen zurücktritt zugunsten einer Konzentration aufs Eigene und gleichzeitig: auf etwas Größeres. Dieses Verständnis ist nicht auf die christliche Religion beschränkt.
    Geld und Profit im buddhistischen Kloster
    Regisseur Midi Z begleitet in seinem Dokumentarfilm "14 Apples" einen Freund aus Myanmar: Der erfolgreiche, aber gestresste Geschäftsmann hat von einem Wahrsager den Rat bekommen, gegen Schlaflosigkeit und moderne Unrast 14 Tage in einem abgelegenen Kloster auf dem Land zu verbringen. 14 Äpfel soll er mitnehmen und jeden Tag einen verzehren. Mönchwerden auf Zeit, das ist im Buddhismus eine übliche Praxis. Aber das Klosterleben in dieser armen Gegend ist dann doch ganz anders.
    "Viele Leute kamen und fragten meinen Freund um Rat. Aber dabei ging es immer um materielle Dinge: wie man Geld macht, wie das Leben in der Stadt ist. Und bei den Mönchen war es genauso: Sie redeten über Geld, wie sie mehr Profit machen können, ein besseres Leben führen. Mönchen wie Laien geht es vor allen Dingen um weltlichen Besitz. Das entspricht sicher nicht der Vorstellung, dass buddhistische Mönche alles Weltliche aufgeben und nur noch ein geistliches Leben führen. "
    Der Mönch auf Zeit macht, was von ihm erwartet wird: Er sammelt fleißig Spenden. Nur eines findet er nicht: eine Alternative zu seinem Leben.
    "Mein Freund dachte, er würde Almosen sammeln, aber vor allem meditieren und Ruhe finden, so dass er besser schlafen kann. Aber zu seiner Überraschung drehte sich das Leben als Mönch um die gleichen Dinge wie sein Leben in der Stadt. Die Schlaflosigkeit konnte er so nicht kurieren."
    Schwangerschaft und Zuflucht
    Wenn die Filme der Berlinale das Kloster aufsuchen, erwarten sie sich etwas von diesem besonderen Ort. So auch der Film "Fortuna" von Germinal Roaux, ein Regisseur und Fotograf aus der Schweiz. Fortuna ist 14 Jahre alt, fast noch ein Kind. Ihre Sorgen kann sie nur der Jungfrau Maria im inbrünstigen Gebet anvertrauen. Mit ihren Eltern ist Fortuna aus Eritrea geflohen - in die vorläufige Sicherheit eines abgelegenen Alpenklosters hat nur sie es geschafft. In diesem Kloster haben Flüchtlinge verschiedener Herkunft Zuflucht gefunden: christliche Eritreer, muslimische Syrer oder Iraker. Von einem von ihnen wird Fortuna schwanger, und in der Debatte um einen möglichen Abbruch kulminieren weltliche und religiöse Logik, sagt Maryanne Redpath, die den Film für das Kinder- und Jugendprogramm Generation ausgewählt hat:
    "Der Abt sagt: Ja, ich verstehe, dass Sie das sagen, und es ist wahr, aber überlegen Sie sich, wonach dieses Mädchen sucht: nach Liebe und Geborgenheit. Und wenn sie nichts anderes in der Welt hat als dieses Kind, das in ihr wächst, vielleicht ist das der Ort, wo sie das sucht, ihr Zuhause."
    Der Film "Fortuna" findet keine einfache Antwort. Aber er erwartet, wie auch die anderen Klosterfilme der Berlinale, etwas von diesem Ort Kloster: Klarheit und die Gelegenheit, Verworrenes zu sortieren. Dabei rebellieren die meist jungen Regisseure nicht mehr gegen strenge Klosterregeln, ganz im Gegenteil: Sie erwarten von ihnen Hilfe und Unterstützung, wenn auch vielleicht nur auf Zeit.