Archiv

Resozialisierung
Worauf es nach der Entlassung aus dem Gefängnis ankommt

Betreuungsangebote für ehemalige Häftlinge sind selten. Egal ob Behördengang, Wohnungs- oder Jobsuche: Viele fühlen sich allein gelassen, sind überfordert und werden deshalb wieder rückfällig. Experten fordern eine ganzheitliche Resozialisierung, die nicht am Gefängnistor endet.

Von Almuth Knigge |
    Die Jugendstrafvollzugsanstalt Regis-Breitingen im Sonnenuntergang.
    Die Jugendstrafvollzugsanstalt Regis-Breitingen im Sonnenuntergang. (picture alliance / dpa / Jan Woitas)
    Ein milder Nachmittag im Biergarten, mit rot-weißen Tischdecken und großen Bäumen. Entspannen, wann man will, wie lange man will, mit wem man will – das ist Lebensqualität - und auch ein Stück Freiheit. Für Bernhard S. war das lange Zeit nicht möglich.
    Der Rentner lehnt sich zurück und spielt ein wenig mit seinem Bierglas. 66 Jahre ist er alt – und von diesen 66 Jahren saß er weit mehr als die Hälfte im Gefängnis. Er war ein sogenannter Drehtürgefangener. Raus - und gleich wieder rein. So ging das seit seiner ersten Verhaftung im Januar 1965. Zum Beispiel 2008, als er nach acht Jahren freikam:
    "Ich bin dann nach Traunstein gegangen und ich habe einfach diese Angst gehabt wieder ins Gefängnis zu kommen, nicht weil ich Angst vor dem Gefängnis hatte – Angst vor dem Gefängnis habe ich nicht, sondern weil ich älter wurde und wusste, jedes Mal schnibbelst du etwas von deinem Leben weg."
    In Traunstein sagte ihm die Sachbearbeiterin im Wohnungsamt, er solle doch ein Dorf weiterfahren, dort eine Unterkunft suchen. Oder gleich ins Obdachlosenheim. Keine guten Voraussetzungen für eine Wiedereingliederung in die Gesellschaft.
    "Und 29 Tage nach der Entlassung, nach dieser langen Haftzeit, war ich wieder in Haft. Und ich war fast erleichtert, dass ich wieder drin war."
    Versuchter Einbruch unter Alkoholeinfluss. Und so ging es weiter für Bernhard – bis zum 25. Oktober 2012 – seinem vorerst letzten Tag im Gefängnis.
    Alltagstraining in der künstlichen Welt
    Für den Kriminologen Bernd Maelicke ist Bernhards Lebenslauf ein typischer Fall. Resozialisierung ist Maelickes Lebensthema. Reif für das Leben in Freiheit wird man in Freiheit - das ist sein Tenor.
    "Der Vollzug, die Gefängnisse sind eine künstliche Welt – und in einer künstlichen Welt kann ich nicht das simulieren, oder vorbereiten auf die reale Welt."
    1977 hat er über "Entlassung und Resozialisierung" promoviert. Seine feste Überzeugung ist, dass Resozialisierung unter den Rahmenbedingungen eines Gefängnisses überhaupt nicht möglich ist.
    "Aber Sie haben die Chance, und da sind wir verdammt noch mal sozialstaatlich verpflichtet, in dieser Zeit - damit sie nicht verloren ist - etwas zu machen."
    JVA Würzburg, mitten in einem Gewerbegebiet. Das Gefängnis gehört zu den jüngeren, progressiveren Justizvollzugsanstalten in Bayern.
    An den Wänden hängen Angebote zu Alphabetisierungskursen. Außerdem Verhaltensregeln – Im Schlafanzug darf man beispielsweise nicht den Gang betreten.
    Neben einer gut ausgebauten Sozialtherapie punktet Würzburg mit einem umfangreichen Bildungsangebot. Auf C1, der Studentenabteilung, hat Gerd Sachse Dienst. Ein ruhiger, besonnener Beamter.
    "Wir haben als Vollzug und als vollstreckende Behörde einen Behandlungsauftrag, und das beinhaltet insbesondere die schulische und berufliche Ausbildung."
    Aber bei vielen seiner Kollegen habe sich dieser Gedanke noch nicht durchgesetzt.
    "Wir haben Bedienstete, die gesagt haben, wie kann das sein, dass einer, der langfristig inhaftiert ist, die Möglichkeit bekommt zu studieren. Das Verständnis dafür muss erst einmal geprägt werden."
    Vor allem in der Gesellschaft. Die die Straftäter weggesperrt wissen will.
    Sachse sitzt im Wachraum gegenüber dem sogenannten Hörsaal, einem Raum, vielleicht 20 Quadratmeter groß, in dem 16 Computer stehen. Mit Internetzugang - und das im Gefängnis, wo normalerweise schon Briefgeheimnis aufgehoben ist. Aber Sachse und seine Kollegen lesen vom Wachraum aus mit. Das Internet ist nur dazu da, um an der Fernuni Hagen studieren zu können.
    "Die sind d, um aus ihrer Haftzeit was zu machen, deswegen haben sie sich angemeldet zum Studium, und das Niveau von der Verwahrung hin zum Studium ist natürlich ein ganz anderes."- "Aber die anderen sollen ja auch nicht nur verwahrt werden." - "Ja, sollte man meinen, aber wie ist es denn oft?"
    Knapp zehn Prozent der Gefangenen sind in Bildungsmaßnahmen – das heißt, sie machen Schulabschlüsse nach, absolvieren eine Lehre. Koch zu lernen ist sehr beliebt, manche studieren auch Wirtschaft, Jura oder Sprachen. Das ist Prävention. Sachse zitiert Dostojewski - den Stand der Zivilisation einer Gesellschaft erkennt man beim Blick in ihre Gefängnisse. Andere schreiben das Zitat Winston Churchill zu. Aber folgt man dem, dann könnte es besser stehen um die deutsche Gesellschaft.
    Resozalisierung nur in der Theorie
    Die Strafe besteht im Freiheitsentzug, man darf Gefangene nicht demütigen durch den Entzug von Frischluft oder Respekt. Doch vielfach ist das Theorie. Die Sozialarbeiter sind überfordert – man kümmert sich nur um den, der am lautesten Forderungen stellt. Noch immer wird um die Rentenansprüche von Häftlingen gestritten. Und immer noch oder wieder halten weite Teile der Gesellschaft Therapie und Ausbildung im Gefängnis für rausgeschmissenes Geld.
    Bernhard, der Einbrecherkönig, hat das immer wieder erlebt. Und er weiß auch, was bei ihm – und bei vielen anderen - alles schief gelaufen ist.
    "Normalerweise, es ist so – im Strafvollzugsgesetz steht ja drin - zum Beispiel – dass man spätestens drei Monate vor dem feststehenden Entlassungstermin sollte man auf die Entlassung vorbereitet werden – das heißt, man sollte nach draußen gehen, man sollte mit Menschen Umgang haben. Ich habe eine Woche vor der Entlassung zu meinem Abteilungsleiter gesagt ich muss einfach ein paar Sachen kaufen, mir passt nichts mehr, die Sachen, die ich habe, kann ich zum Teil nicht mehr tragen, da hat er gesagt, ja, da machen wir eine Ausführung."
    Vielerorts fehlen Helfer, die den Gefangenen bereits während der Haft kennengelernt haben und ihn unterstützen, wenn er seine Strafe verbüßt hat: Bewährungshelfer, Jugendgerichtshelfer, Anlaufstellen für Sexualstraftäter, Führungsaufsicht, Agenturen für Arbeit, freie Straffälligenhelfer, Schuldner- und Suchtberater.
    Zwei Drittel aller Entlassenen werden nicht weiter durch die ambulanten Dienste der Justiz oder anderer Träger betreut. Das ist, sagt der Kriminologe Bernd Maelicke, als würde ein Krankenhaus seine Patienten nach der Operation mit blutenden Wunden entlassen.
    "Da hab ich gesagt, was glaubt ihr eigentlich, dass ich eine Woche vor der Entlassung, ich hab ja jetzt sieben Jahre hinter mir, dass ich eine Woche vor der Entlassung und dann kam ein typischer Satz – natürlich kennen wir Sie, aber wir dürfen Sie heute nicht alleine lassen, denn es könnte ja sein, dass Sie was anstellen, da sage ich, aber nächste Woche könnte ich doch auch was anstellen und da kam die typische Antwort der Justiz – nächste Woche sind Sie entlassen, da gehen Sie uns nichts mehr an."
    Bernhard ist das lebende Zeugnis bundesdeutscher Justizgeschichte. Er hat die Zeiten erlebt, in denen sich die Einsicht durchgesetzt hat, dass Härtevollzug die Rückfallquoten nur steigert. Dass eine Kombination aus frühen Lockerungen, vorzeitiger Entlassung und intensiver Nachbetreuung die Zahl der Rückfälle verringert. Und er saß in verschiedenen Bundesländern in Haft, er hat erlebt, wie sich in Hamburg und Hessen die Law-and-Order-Befürworter wieder durchsetzten, wie Mittel für Projekte und Behandlungen gestrichen und Häftlinge unvorbereitet vor das Gefängnistor gestellt wurden. Was auch heute noch häufig geschieht.
    Das Entscheidende passiert draußen
    Aber - wo geht denn einer hin, wenn er seine Strafe abgesessen hat. Was passiert, wenn sich das Tor öffnet, und der Mensch mit seinen Habseligkeiten wieder in der Freiheit steht. Im Film setzt er sich meist in den Bus und fährt einer ungewissen Zukunft entgegen. Im richtigen Leben ist das auch so. Der Vollzug kann so gut sein, wie er will, das Entscheidende passiert draußen. Ein Credo des Strafvollzugsexperten Bernd Maelicke.
    Vier Milliarden Euro zahlt der Staat jedes Jahr für den Strafvollzug. 90 Prozent davon fließen in den stationären Bereich, also in die Gefängnisse. Der Rest, also nur zehn Prozent, geht an Bewährungshelfer und freie Träger. Bernd Maelicke war 15 Jahre lang Ministerialdirigent und Abteilungsleiter für Strafvollzug im Kieler Justizministerium. Er hat Zahlen zusammengestellt, die eindrucksvoll das System Haft und das System ambulante Resozialisierung vergleichen.
    "Wir kennen die Erfolgsquoten, wir wissen, dass die Bewährungshilfe 70 Prozent Erfolg hat und wir wissen, dass der Strafvollzug 70 Prozent Misserfolg hat. Da muss ich ansetzen und nicht im Gefängnis."
    Für die rund 52.000 Strafgefangenen in Deutschland sind insgesamt 40.000 Beamte und Angestellte zuständig, davon 30.000 Beamte und Angestellte im Allgemeinen Vollzugsdienst. Für die insgesamt 200.000 Menschen unter Bewährung gibt es nur etwa 3.000 Bewährungshelfer - im Schnitt teilen sich also 70 Klienten einen Bewährungshelfer. Egbert Böhmer, Bewährungshelfer in Bayern, kümmert sich um noch mehr.
    Bewährungshelfer aus Überzeugung
    Mitten in der Würzburger Innenstadt hat Böhmer sein Büro, es ist nicht leicht zu finden.
    "Wir haben bewusst darauf verzichtet, da eine große Tafel hinzuhängen, um den Leuten auch zu ermöglichen, dass sie hierherkommen können, ohne dass jeder, der sie dabei beobachtet gleich weiß, aha, das ist ein Knacki."
    Egbert Böhmer ist seit 33 Jahren Bewährungshelfer - aus Überzeugung.
    "Nicht umsonst heißt es ja im ersten Artikel unseres Grundgesetzes, die Würde des Menschen ist unantastbar - das heißt, es ist ein unveräußerliches Recht, das den Menschen innewohnt, und das wird letztendlich auch nicht dadurch verwirkt, dass jemand straffällig wird."
    Es gibt - das haben jene, die im Knast arbeiten, längst verinnerlicht - im modernen Rechtsstaat zum Konzept der Resozialisierung keine Alternative. Von Vergeltung steht nichts im Gesetz, erst recht nichts von pauschalem Wegschließen, wie es sich manche immer wieder für Kinderschänder wünschen. Zwar dient der Strafvollzug auch dem Schutz der Allgemeinheit, aber eben nur so lange, wie die Strafe dauert, die der Richter verhängt. 96 Prozent werden wieder aus dem Gefängnis entlassen.
    "Unser Strafvollzug ist in der Praxis letztendlich auf Sühne, auf Vergeltung ausgelegt, es wird einfach nur ein Straftatbestand, wird ein Zeitmaß gegenübergestellt, das abgesessen werden muss, aber das ist meines Erachtens nach viel zu wenig."
    Für Egbert Böhmer, den Bewährungshelfer, heißt die Antwort – so viel Fürsorge wie möglich. Aber diesen Anspruch umzusetzen, ...
    " ... das ist kein attraktives Thema, mit dem Politiker Stimmen hinter sich versammeln können, mit Straftätern möchte man nicht so sehr viel zu tun haben."
    Gleichwohl haben die Fachminister der Länder das Problem auf die Tagesordnung der diesjährigen Justizministerkonferenz gesetzt.
    "Denn eigentlich ist es ja ganz einfach, eine erfolgreiche Wiedereingliederung verhindert neue Straftaten und damit neue Opfer."
    Nicht nur Sache der Justiz
    Uta-Maria Kuder, Justizministerin der CDU in Mecklenburg-Vorpommern, ist in diesem Jahr die Vorsitzende. Die Justiz, da ist sie sich sicher, kann Resozialisierung unmöglich alleine schaffen – egal, was alles im Knast passiert. Alles, was draußen Halt gibt, ist bei der Wiedereingliederung in die Gesellschaft wichtig. Kirchen, Ärzte, Vereine, Familie. Auch dafür gibt es im Nordosten spezielle Programme.
    "Aber wir stoßen auch immer auf Probleme, wenn es darum geht, Wohnraum zu beschaffen. Wenn es darum geht einen Arbeitsplatz zu finden, es sind manchmal wirkliche Kleinigkeiten, wenn es zum Beispiel darum geht, wird die Arbeit im Vollzug, wenn es um die Arbeitslosenversicherung geht, so anerkannt wie das bei einem arbeitenden Menschen draußen ist.
    Nein, ist es nicht. Also das sind alles Dinge wo wir gucken müssen, wie gleichen wir das an das normale Leben draußen an."
    Die Justizministerkonferenz hat in diesem Jahr eine Arbeitsgruppe gegründet – Ziel ist es auszuloten, wie um die Justizvollzugsanstalten Netzwerke geschaffen werden können, um entlassene Strafgefangene auf ihrem Weg in ein straffreies Leben zu begleiten. Das heißt, Wohnraum anbieten, qualitative Arbeitsplätze schaffen. Gesetzlich verordnen kann man das allerdings nicht.
    "Da braucht man aber eine andere Sicht auch, weil man kann nicht so tun, als hätten wir alle nichts mehr damit zu tun, wenn die Entlassenen einmal im Gefängnis waren. Justiz, Bewährungshilfe, sieh zu, wie du das wieder hinkriegst."
    Uta-Maria Kuder hat recht geräuschlos in den vergangenen acht Jahren, seit der Strafvollzug im Rahmen der Föderalismusreform Ländersache ist, die Haft in Mecklenburg-Vorpommern reformiert. Eine Entwicklung, die auch der Vollzugsexperte Maelicke anerkennt. Er hatte zunächst einen Wettbewerb der Schäbigkeit befürchtet.
    "Wir hatten Angst dass wenn jetzt die Ländergesetze kommen, dass in einigen Ländern, die politisch auch vorher schon sehr restriktiv waren, dass das sehr restriktive Gesetze werden."
    Das ist in dem Maße nicht passiert, räumt er ein. Trotzdem könne man mit Law-and-Order-Forderungen immer noch Wahlkampf machen. Forderungen nach lebenslangem Wegsperren von Straftätern sind populär, verbunden mit der Diskussion vermeintliche Privilegien wie Fernseher in der Zelle oder Fitnessräume im Gefängnis.
    Wettbewerb statt gemeinsame Problemlösung
    In Mecklenburg-Vorpommern sollen Sicherheit und Resozialisierung keine Gegensätze sein, sondern zusammen gehören: Das ist der Kerngedanke in dem bundesweit wohl umfassendsten Konzept zur Behandlung von Straftätern - in der Medizin würde man es ganzheitlich nennen.
    "Wir haben das Sogenannte Landesamt für ambulante Straffälligenarbeit entwickelt und konstituiert – das heißt wir haben den Bereich "innen" – Gefängnisstruktur, und wir haben den Bereich alles, was "außen" mit Straffälligen passiert in einer klaren Struktur zusammengefasst. Das führt dazu, dass wir mehr machen können weil es sinnvoller strukturiert ist mit dem gleichen Personal."
    Für noch mehr Sicherheit hat Mecklenburg-Vorpommern einen Mix aus Hilfen und Kontrolle installiert – individuell auf den Gefangenen abgestimmt. Alle, die mit Häftlingen arbeiten, ob im Knast oder draußen, stimmen ihre Maßnahmen miteinander ab. Bundesweit ist so viel Kooperation einmalig. Die Ministerin sieht das nicht ohne Stolz – und sie hat eine Botschaft:
    "Das Menschenbild, was dahinter steckt, das ist auch mein ganz persönliches Menschenbild, das sagt, jeder Mensch hat immer und auch immer wieder eine Chance verdient",
    sagt Uta Maria Kuder für die Gefangenen im Nordosten. Aber was ist mit den anderen rund 52.000 Häftlingen, die zurzeit in bundesdeutschen Knästen sitzen?
    "Hätten wir jetzt Bundeszuständigkeit wären wir in Mecklenburg-Vorpommern wahrscheinlich noch gar nicht so weit. Deswegen – wir können als Land ein Stück voranschreiten, das ist der Vorteil der Föderalismusreform, wir können beispielgebend auch sein, hat vielleicht auch was damit zu tun, dass wir in einem Land leben, das überschaubar ist."
    Welches Bundesland den besten Strafvollzug und die beste Resozialisierung hat, ist schwer zu sagen; es gibt nicht mal eine vergleichende Rückfallstatistik. In Schleswig-Holstein ist die Gefangenenrate niedrig, viele Straftäter werden ambulant betreut. Berlin setzt im Gegensatz zu Bayern verstärkt auf offenen Vollzug, Bayern punktet dafür mit einer gut ausgebauten Sozialtherapie.
    "Klar, wenn wir überall alles gleich machen würden, dann hätten wir Gleichbehandlung über die Bundesrepublik. Aber ich glaube, die Standards wären bei Weitem nicht so hoch wie wir sie jetzt haben."
    Diesen Wettbewerbsgedanken hält Bernd Maelicke justizpolitisch für einen Skandal.
    "Das ist rechtsstaatlich nicht in Ordnung, gar keine Frage."
    Denn die Länder haben auch verpasst, nach der Föderalismusreform neben dem Vollzug auch die Resozialisierung in Gesetze zu gießen, nachzuholen, was es in der Bundesrepublik noch nie gab – Strafe und Resozialisierung gleichzeitig zu denken und zu regeln.
    "Denn wir wollen einen Mindeststandard von Rechtsstaat und Sozialstaat. Und wir wollen keinen Wettbewerb, weder nach oben noch nach unten. Sondern der Rechtsstaat muss gleichermaßen in jedem Dorf in Bayern in Schleswig Holstein in Brandenburg gleichermaßen berechenbar sein und der Sozialstaat mit seinen Leistungen auch. Und da ist der Wettbewerbsgedanke, das ist im Grunde Neoliberalismus, das ist ein völlig falscher Gedanke in diesem System."
    Und verstößt er nicht auch gegen den Gleichheitsgrundsatz des Grundgesetzes? Wie viel Freiheit ist möglich? Sollte man nicht mehr Alternativen zur Gefängnisstrafe suchen. Das könnte heißen - Kurzzeitstrafen abschaffen. Und dafür mehr Mittel in die Behandlung von Intensivtätern stecken.
    "Was mich am meisten ärgert ist, was fachlich möglich ist, wird von der Politik nicht eingelöst."
    Eine gnadenlose Gesellschaft?
    Man kann, sagt Maelicke, das Restrisiko minimieren, aber es gibt keine politische Kraft, die sich dafür einsetzt. Und - ist die Gesellschaft überhaupt bereit dafür?
    Bernhard, der Einbrecherkönig – hat darauf seine eigene Antwort.
    "Die Gesellschaft ist inzwischen gnadenloser geworden. Ich glaube, dass die Menschen zu sehr auch in ihren Ängsten verharren. Die Menschen haben Angst vor der Zukunft."
    Bernhard hatte Glück – er ist bei der ambulanten Straffälligenhilfe in Würzburg gelandet – zum ersten Mal in seinem Leben war er nach der Entlassung nicht allein. Er hat eine Freundin. Im Oktober war er zwei Jahre am Stück auf freiem Fuß. So lange hat er es noch nie geschafft.