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Risiko Regentonne

Algentoxine sind Natursubstanzen, die von Cyanobakterien produziert werden. Gefährlich werden diese, wenn sich die Mikroben im Wasser stark vermehren und ihre Zellgifte ausbreiten. Denn dann könnte das Gift auch auf Nahrungspflanzen gelangen - über die Gieskanne.

Von Volker Mrasek | 18.09.2012
    Mit dieser Klasse von Naturstoffen ist nicht zu spaßen.

    "Gerade aktuell hat es wieder Fälle gegeben, wo Hunde aus belasteten Gewässern ihren Durst gestillt haben und das mit dem Leben bezahlten."

    An diesem Beispiel demonstriert Ronald Maul die Gefährlichkeit von Algentoxinen. Denn damit hatten sich die Hunde vergiftet - mit Natursubstanzen, die von sogenannten Cyanobakterien produziert werden. Früher nannte man sie noch "Blaualgen". Und noch immer spricht man von "Algenblüten", wenn sich die Mikroben im Hoch- und Spätsommer stark vermehren und schließlich ihre Zellgifte freisetzen.

    Das geschieht nicht nur im Meer, sondern auch in Seen und anderen stehenden Gewässern des Binnenlandes. Wenn die Cyanobakterien blühen, schimmert die Wasseroberfläche blaugrün ...

    "Toxine, die zum Großteil halt eben während des Wachstums der Bakterienkultur noch intrazellulär vorliegen, werden dann gerade beim Absterben dieser Kulturen massenhaft freigesetzt. Also, es sind durchaus relevante Naturstoffe, die infolge des Klimawandels sogar ein bisschen vermehrt jetzt auch in Deutschland auftreten und dort eben, ja, gerade im Spätsommer vermehrt zu finden sind."

    Wenn Gemüsekulturen mit Oberflächenwasser bewässert werden, das Algentoxine enthält, dann können die Nahrungspflanzen die Giftstoffe aufnehmen. Das ergaben Gewächshausversuche in der Bundesanstalt für Materialforschung in Berlin. Dort gibt es eine Arbeitsgruppe für Lebensmittelanalytik, zu der auch Ronald Maul gehört. Er stellte die Ergebnisse jetzt erstmals auf dem Deutschen Lebensmittelchemikertag in Münster vor.

    In der EU dürfen Landwirte für die Bewässerung ihrer Felder zwar nur reines Trinkwasser verwenden ...

    "Allerdings gibt es ja durchaus eine nicht zu vernachlässigende Zahl von Menschen, die ihr eigenes Gemüse im Garten bewässert. Und wenn man das aus der Regentonne tut, ist das natürlich eine hervorragende Quelle für solche cyanobakteriellen Kulturen. Dass dort Einiges an Cyanobakterien zu finden ist, davon kann ausgegangen werden. Und wenn man so etwas dann halt eben auf das Gemüse gibt, dann kann es durchaus dazu führen, dass dieses Toxin den Weg auch ins Gemüse findet."

    Mit dem Toxin meint Ronald Maul eine Substanz namens Cylindrospermopsin. Es ist eines der verbreiteten Algentoxine in unseren Binnengewässern. Damit arbeiteten die Forscher. Unter anderem behandelten sie die Wurzeln von Grünkohl mit einer Cylindrospermopsin-Lösung. Um zu sehen, ob das Gemüse den Giftstoff aus dem Boden aufnimmt. Bisher vermutete man, dass das nicht so ist.

    "Das konnten wir jetzt erstmals ganz klar widerlegen. Also, es findet eine Aufnahme über die Wurzel in die Pflanze statt. Auch zu einem ganz beträchtlichen Anteil. Ungefähr, kann man sagen, ein Fünftel dessen, was in dem Gießwasser oder in der applizierten Lösung auf die Wurzeln gekommen ist - ein Fünftel der Konzentration findet man auch in den oberirdischen Pflanzenteilen. Das ist der erste Befund dieser Art. Das ist so einfach noch nicht untersucht worden."


    Die Algentoxine könnten sogar in Lebensmitteln aus dem Supermarkt stecken. Untersucht hat das noch niemand genau.

    "Also, hier kommen ja nicht nur Lebensmittel in die Märkte und auf den Tisch, die tatsächlich hier in Deutschland produziert wurden. Gerade bei Gemüse ist eher ja doch die Importware von Interesse."

    Von der man nicht unbedingt weiß, wie sie bewässert worden ist. Mit sauberem Trinkwasser? Oder doch mit eventuell gifthaltigem Oberflächenwasser?

    Lebensmittelchemiker Maul möchte aber keine Ängste beim Verbraucher schüren, wie er sagt – zumal auch noch nicht klar sei, wie giftig Cylindrospermopsin für den Menschen genau ist.

    "Also, die toxikologischen Untersuchungen laufen dazu noch. Die endgültige Einordnung dazu kann noch nicht gegeben werden. Wir werden bei diesem Thema sicherlich am Ball bleiben. Allerdings würde ich jetzt nicht sofort Alarm schlagen und sagen: Esst niemals mehr Gemüse irgendwie, weil da jetzt diese Algentoxine drin sind! So weit sind wir beim besten Willen noch nicht. Im Moment kann man sagen, dass es sehr wahrscheinlich ist, dass – wenn man Gemüse mit toxinhaltigem Wasser bewässert - es dann dazu kommen wird, dass dieses Toxin in den Pflanzen nachweisbar ist, dass es da drin ist."

    Die Arbeitsgruppe möchte ihre Untersuchungen auf jeden Fall fortsetzen. Geplant ist, sie auch auf das Freiland und andere Gemüsesorten auszudehnen. Einen Rat für Kleingärtner gibt es aber jetzt schon: Regenwasser nicht so lange in der Tonne lassen, bis es grün und blau ist.