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Roboter tanzen Schwanensee

In Düsseldorf trifft sich alle zwei Jahre alles, was im Tanz Rang und Namen hat – bei der internationalen Tanzmesse NRW. In diesem Jahr liegt ein Schwerpunkt auf dem Schwanensee - mal inszeniert mit echten Schwänen, mal mit Roboterwesen aus Metall, Federn und Tüll, die überraschend viel Applaus fanden.

Von Wiebke Hüster | 31.08.2012
    Noch bevor die zuständige Ministerin die Internationale Tanzmesse NRW mit den Worten eröffnen konnte, der Tanz sei so wundervoll universell, starrte das nicht ganz ausverkaufte Opernhaus Düsseldorf auf eine sich den Hals verbiegende ferngesteuerte Konstruktion aus Straußenfedern, Kunststoff- und Metallteilen. Der Vogelähnliche Roboter bewegte sich auf einem Podest zu einem unnachahmlich elektronisch geschredderten Auszug aus Tschaikowskys Ballettkomposition "Schwanensee".

    Nach dem "Robocygne" präsentierten zwei taiwanesische Ensembles kürzere Stücke. Zuerst ließ das Legend Lin Dance Theatre aus Taipeh einen Mann mit Lanze in Zeitlupe auf eine weiß geschminkte Schönheit mit nacktem Oberkörper los. Als die beiden einander endlich erreicht hatten, küssten sie sich mehrfach, in Zeitlupe, und gingen schließlich, umringt von anderen Frauen mit brennenden Kerzen, wieder auseinander.

    "Cloud Gate 2" heißt das Junior Ensemble des taiwanesischen Exportschlagers Cloud Gate Dance Theatre des Choreografen Lin Hwai Minh. Seine jungen Nachwuchstänzer bewegten sich in "The Wall" sehr fließend und präzise, aber in ihren Gesichtern spiegelte sich währenddessen wenig von dem, was in ihnen vorgehen mochte.

    Martin Schläpfers Ballett am Rhein, auf dessen Bühne sich das alles abspielte, zeigte das sagenhaft schöne und berührende "Forellenquintett". Im Andante des zweiten Satzes friert alles ein, da langt in die bis dahin heitere Romantik der kalte Griff der Schwermut, der Todesahnung, der Reue nach jedem Einzelnen. Doch das internationale Fachpublikum des zeitgenössischen Tanzes, immer schwer mit Fragen nach Identität und Globalisierung beschäftigt, raschelte schon beim Anblick von Spitzenschuhen verstimmt mit den Festivalpapiertüten und verließ türenschlagend das Theater.

    Auf der kleinen Bühne des Düsseldorfer Schauspielhauses waren danach die "Desert Crossings" - die Wüstendurchquerungen – des südafrikanischen Choreografen Gregory Maquoma für die britische Compagnie "State of Emergency" zu sehen. Begleitet von den in der Bühnenecke in ihren Stühlen hängenden Sängern Elroy "Spoonface" Powell und Steve Marshall, tanzten vier Frauen und ein Mann so vor sich hin, schnürten ihr Bündel, packten es und tanzten so weiter vor sich hin. Die Wüste war groß.

    Fassungslos macht, wie der sogenannte zeitgenössische Tanz eine so breite Übereinstimmung in einem willigen Publikum erreichen kann darüber, dass es schön ist, wenn sich junge Leute bewegen, ob spröde oder verständlich, ob naiv oder banal. Es kommt einem wie ein riesiger weltweiter Verein vor, der sich das Erlangen von Subventionen zum Vorführen belanglosen Schrittmaterials in die Statuten geschrieben hat.

    Tanzmesse ist, wenn viele Menschen ohne "Schwanensee" je gesehen zu haben, stöhnen beim Anblick klassisch ausgebildeter Tänzer, aber Roboterfedervieh applaudieren und auf einer viertägigen staatssubventionierten Party zusammenkommen, um sich aus Litauen, Taiwan und Dänemark bestätigen zu lassen, dass der Tanz unbedingt nur kollektiv und total politisch funktioniert. Nennen wir den Austausch von Visitenkarten unter den Besuchern doch eine soziale Bewegung aus Steuergeldern. Man kann sich ja überlegen, dass man so was finanzieren möchte unter den Bedingungen des erweiterten Kulturbegriffs. Aber mit Kunst hat das wenig zu tun.