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Rubinstein-Wettbewerb
Tastenolymp in Tel Aviv

Seit 1974 lädt Israel junge Pianisten zu einem Klavier-Wettbewerb der Meisterklasse ein: dem Rubinstein-Wettbewerb. 30 Pianisten zwischen 18 und 32 Jahren waren zum diesjährigen Wettbewerb in Tel Aviv zugelassen. Die Jury lobte das hohe Niveau und kürte drei Preisträger.

Von Ruth Kinet | 15.05.2017
    Der polnische Pianist beim Rubinstein-Wettbewerb 2017.
    Neben dem ersten Preis der Jury wurde der polnische Pianist Szymon Nehring mit fünf weiteren Preisen ausgezeichnet (imago)
    Ein feucht-warmer Abend in Tel Aviv. Auf dem Vorplatz des Bronfman-Auditoriums, des größten Konzertsaals Israels, drängen Menschen in Trauben hin zur Sicherheitskontrolle vor den Eingangstüren. In der Hand eine Kostbarkeit: eine Eintrittskarte zu einem der Konzerte der letzten Runde des 15. Internationalen Rubinstein-Wettbewerbs.
    Einzigartiges Profil des Wettbewerbs
    30 junge Pianisten beteiligten sich am Wettbewerb, sechs von ihnen sind im Finale. Das Niveau des 15. Rubinstein-Wettbewerbs sei in diesem Jahr so hoch wie nie zuvor, lobt der Vorsitzende der Jury, der israelische Pianist und Träger des Israel-Preises 2017 für Musik, Arie Vardi; das Profil des Wettbewerbs einzigartig in der Welt:
    "Was diesen Wettbewerb auszeichnet, ist zum einen das Mainstream-Repertoire. Das entspricht dem Profil von Arthur Rubinstein, dessen Repertoire auch aus Chopin, Mozart, Beethoven, Brahms bestand. Zum anderen ist es uns wichtig, dass der Wettbewerb Festivalcharakter hat. Deshalb ist es erlaubt, Zugaben zu spielen und eine Beziehung zum Publikum aufzubauen. Von der ersten Stufe des Wettbewerbs an spielen die Teilnehmer vor einem ausverkauften Saal. Der Rubinstein-Wettbewerb ist gewissermaßen ein Festival unter Beteiligung einer Jury."
    Knapp 2.500 Zuhörer finden im Bronfman-Auditorium Platz, dem Konzertsaal des Israel Philharmonic Orchestra. Unter das Wettbewerbs-Publikum mischten sich viele Musiker, Komponisten, Musikagenten, Vertreter großer internationaler Konzerthäuser und Klavierbauer. Einzelne von ihnen haben Artur Rubinstein, der 1887 im polnischen Lodz geboren wurde, noch im Konzert erlebt. Dina Yoffe zum Beispiel. Die 64-jährige Pianistin und Professorin an der Talent Academy im norditalienischen Brescia ist eine von elf Juroren des Wettbewerbs.
    "Dieser Klang, diese Wärme, diese Großzügigkeit"
    Auch die kanadische Pianistin Janina Fialkowska war Mitglied der Wettbewerbs-Jury und deren stellvertretende Vorsitzende. Sie hat ihre Karriere Arthur Rubinstein und dem Rubinstein-Wettbewerb zu verdanken. Sie war ein Kind als sie Rubinstein in Montréal das e-Moll-Konzert von Chopin spielen hörte:
    "Ich war elf Jahre alt. Er hat Chopin gespielt und das hat mich so gerührt, ich weiß, weil ich in mein Tagebuch geschrieben habe. Dieser Klang, diese Wärme, diese Großzügigkeit wenn er gespielt hat und alles war so gesund und ehrlich."
    Janina Fialkoska und Dina Yoffe amtierten gemeinsam mit ihren Pianisten-Kollegen Peter Donohoe, Menachem Pressler, Elisso Virsaladze und sechs weiteren Juroren unter der Leitung von Arie Vardi. Gemeinsam waren sie einem Klang auf der Spur, der außergewöhnlich und unvergleichlich sein sollte.
    Im Finale standen sechs Pianisten
    Sechs Finalisten ließen sie zur letzten Runde des Wettbewerbs zu. Eine Amerikanerin, einen Rumänen, einen Polen, einen Koreaner, einen Kanadier chinesischer Herkunft und einen Israeli. Für die letzte Wettbewerbsrunde wählten drei von ihnen aus den 19 zur Auswahl stehenden Konzerten für Klavier und Großes Orchester das Konzert Nummer 3 von Sergej Prokofiev. Daniel Ciobanu zum Beispiel. 25 Jahre alt, geboren und aufgewachsen in Rumänien. Er studiert an der Universität der Künste in Berlin.
    Seine große rhythmische Kraft und Präzision, sein unverwechselbarer Zugang zu den von ihm interpretierten Werken und auch seine körperliche, mimische und gestische Präsenz haben das Publikum in Tel Aviv begeistert und auch die Jury überzeugt. Daniel Ciobanu wurde mit dem Zweiten Preis ausgezeichnet. Sara Daneshpour aus den USA spielte das Konzert Nummer 3 von Sergej Rachmaninow. Daneshpour zeigte sich in allen Phasen des Wettbewerbs und besonders auch im Finale als ausdrucksstarke, kenntnisreiche und kluge Interpretin mit einem tiefgehenden Verständnis für musikalische Struktur und innere Sinnzusammenhänge. Die Jury würdigte ihre Leistung mit dem dritten Preis.
    "Mein Großvater hat mich und das Klavier zusammengebracht"
    Der 21-jährige Szymon Nehring aus Krakau bereitete für das Grand Concerto im Finale Rachmaninow 3 vor. Aus sehr persönlichen Gründen, wie er sagt:
    "Mein Großvater hat mich und das Klavier zusammengebracht. Sein Lieblingskonzert für Klavier ist Rach 3. Vor vielen Jahren hat er mir eine Aufnahme des Konzerts von Peter Donohoe geschenkt, der hier einer der Juroren ist. Auf Schallplatte. Ich habe die Platte heute dabei und hoffe, dass Peter Donohoe sie nachher für mich signieren wird. Es war immer mein Traum, Rach 3 zu spielen, so wie für viele Pianisten. Für mich war es aber noch mehr: Es war eine Art Ehrbezeugung gegenüber meinem Großvater, dass ich heute hier dieses Konzert spielen konnte."
    Nach dem letzten Konzertabend der Finalrunde mit den Großen Klavierkonzerten und dem Israel Philharmonic Orchestra unter Leitung von Omer Meir Wellber harrte das Publikum aus, bis die Jury nach etwa 40 Minuten ihre Entscheidung verkündete. Szymon Nehring, der mit fünf Jahren begann, Klavier zu spielen, ist Absolvent der Musikakademie in Bydgoszcz. Beim Internationalen Chopin Wettbewerb in Warschau vor zwei Jahren war der damals 19-Jährige zwar auch unter den Finalisten, wurde aber nicht von der Jury, sondern vom Publikum mit einem Preis bedacht. Jetzt, in Tel Aviv, zeigte sich Nehring mit einer weiten klanglichen Varianz, einem tiefen Musikverständnis und einem einzigartigen Anschlag. Das Votum der elfköpfigen Jury fiel nahezu einstimmig aus. Neben dem ersten Preis der Jury wurde Nehring mit fünf weiteren Preisen ausgezeichnet, unter anderem dem Preis für die beste Interpretation einer Komposition von Chopin. Dabei mag Nehring Wettbewerbe eigentlich nicht:
    "Musik hat nichts mit Wettbewerb zu tun. Wir spielen auf Wettbewerben, weil wir in der Zukunft mit guten Orchestern spielen wollen und Musik machen wollen. Dieser Wettbewerb aber, ist besonders. Er ist ein Festival. Das Publikum ist so warm und geht so sehr aus sich heraus. Es war so schön, so viel Unterstützung vom Publikum zu bekommen.”