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Rundfunk auf Sparflamme

Die Schließung des staatlichen Rundfunks ERT in Griechenland hat eine Regierungskrise ausgelöst. Auf einem Krisentreffen der Koalitionsparteien wird erneut eine Lösung gesucht. Das erste Programm von ERT sendet unterdessen weiter - im Netz.

Von Rodothea Seralidou | 20.06.2013
    Im Studio des sogenannten ersten Programmes - der Nachrichtenwelle des griechischen Staatsrundfunks. Seit knapp zehn Tagen ist es der einzige staatliche Radiosender, der weitersendet- trotz der offiziellen Schließung der ERT; empfangen wird er allerdings nur im Internet. Die 39-jährige Redakteurin Maria Kontou versucht sich auf den Sendeablauf zu konzentrieren. Doch es fällt ihr schwer:

    "Das was gerade passiert, macht mich sehr traurig. Ich bin nicht mehr wütend, aber ich bin traurig. Denn nach so vielen Jahren im Beruf wissen wir nicht, ob wir jetzt entlassen sind oder nicht. Wir alle wollten ja eine Umstrukturierung bei der ERT, aber doch nicht so!"

    Nach knapp 20 Jahren beim staatlichen Radio, hat Maria Kontou im Moment das Gefühl, sich in einem schlechten Traum zu befinden. Zwar habe sie am Montagabend kurz aufgeatmet, als das Oberste Verwaltungsgericht entschied, dass die ERT in der Übergangszeit bis zur Gründung einer neuen Rundfunkanstalt weiter senden müsse. Doch dann das Kleingedruckte: Die Richter erläuterten, dass dieses "Überbrückungsprogramm" auch von wenigen Journalisten gestemmt werden könne. Diese müssten nicht zwingend aus den Reihen der alten ERT-Mitarbeiter stammen.

    Dass es dem griechischen Premierminister Samaras mit seiner Entscheidung, die ERT über Nacht zu schließen, um echte Reformen ging, glaubt so gut wie keiner der Angestellten der ERT. Auch der 40-jährige Fernsehjournalist Kostas Ligdas nicht.

    "Ich glaube, das war ein sehr unüberlegter und übereilter Schritt. Man hat sich gesagt, wir müssen 2000 Leute entlassen. Wie viele hat die ERT? 2600? Lasst uns die ERT schließen! Die Gründe, die die Regierung anführt, sind lächerlich! Ich bin mir sicher: Bald wird es die nächsten Staatsangestellten treffen!"

    Über die Worte des Regierungssprechers, der in seiner Fernsehansprache alle ERT-Mitarbeiter pauschal als unproduktiv und privilegiert abstempelte, kann Kostas Ligdas nur den Kopf schütteln. Zehn Jahre habe er nur mit befristeteten Verträgen gearbeitet, höchstens 600 Euro im Monat verdient. Als Festangestellter kam er zuletzt auf gerade einmal 1200 Euro.

    Im Klangstudio B proben unterdessen rund 30 Mitglieder eines der zwei Rundfunkorchester für den Auftritt am Abend - so wie jeden Tag. Auch sie seien äußerst gekränkt von der Vorgehensweise des griechischen Ministerpräsidenten, sagt der 50-jährige Querflötenspieler Paschalis Plisis. Er und seine Kollegen arbeiten trotzig weiter:

    "Das ist unsere Art zu zeigen, dass wir als Musiker etwas wert sind, dass wir nicht die unnützen Staatsbediensteten sind, für die uns die Regierung hält und dass wir nicht zufällig im Rundfunkorchester sitzen. Wir präsentieren dem Publikum die ganze Facette unseres Könnens. Und wenn während des Auftritts Tränen fließen, ist es, weil wir es nicht geschafft haben, unsere Orchester am Leben zu erhalten."

    Drei Klangkörper hatte der staatliche Rundfunk bislang: Das Symphonieorchester, das Orchester für Gegenwartsmusik und den Chor- mit insgesamt über 75 Auftritten im In- und Ausland allein im vergangenen Jahr. Das Monatsgehalt der Musiker lag zwischen 800 und 1300 Euro. Doch die einstweilige Verfügung des obersten Verwaltungsgerichts lässt die Klangkörper der ERT außen vor. Und es gilt als unwahrscheinlich, dass in der neuen abgespeckten Rundfunkanstalt Platz für ein Rundfunkorchester sein wird. Dabei habe Griechenland schon jetzt großen Aufholbedarf, klagt der angesehene Dirigent Andreas Pilarinos:

    "Wir haben sehr wenige Orchester! In ganz Griechenland haben wir vier Symphonieorchester. Andere Balkanländer haben viel mehr, da hat jede Stadt eins. Und wir haben nur eine Oper, nur eine Oper im ganzen Land! Wenn wir jetzt auch noch unsere Rundfunkorchester dichtmachen, wird bald gar nichts mehr übrig bleiben!"

    Die Zukunft der ERT-Mitarbeiter bleibt weiterhin ungewiss. Heute Abend soll es erneut ein Treffen der Chefs der drei Koalitionsparteien geben. Doch egal was die griechische Regierung beschließt. Erst wenn auch das griechische Parlament über die Schließung des Staatsrundfunks abstimmt, werden die Angestellten der ERT Klarheit haben. Dann werden sie wissen, ob sie den Kampf um ihre Arbeitsplätze ein für alle Mal verloren haben oder ob die ERT wieder, wie früher, senden kann.