Dienstag, 07. Mai 2024

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Sängerin Saori Jo
"Am Ende siegt die kindliche Seele"

Die junge Elsässer Sängerin Saori Jo, die eigentlich Marjorie Pascot heißt, zitiert in ihrer Musik verschiedene Stile: Rock, Blues, Folk, Triphop. Sie singt, für eine Französin erstaunlich, ausschließlich auf Englisch. Nun ist sie mit ihrem ersten Album auf Tournee.

Von Jörg-Christian Schillmöller | 29.03.2014
    Die Musikerin Saori Jo auf einer Wiese in blauem Kleid mit bunten Stiefeln, wirft ihre Arme in die Luft und schmeißt ein Bein nach vorne, hinter ihr hängt eine Jacke an einem Ast.
    Saori Jo spielte bereits im Vorprogramm von "Jethro Tull" (Sebastien Moullier, Mose Infographie)
    "Das Album heißt 'Home 2.17 a.m.', weil wir es bei mir zuhause aufgenommen haben, und das war eben diese besondere Stunde, frühmorgens, um 17 Minuten nach zwei: In dem Moment haben wir die letzte Note aufgenommen."
    Ein Haus am Ende der Straße in dem kleinen Dorf Mützig im Elsass. Luftlinie 30 Kilometer nach Deutschland. Das Haus liegt auf einem Hügel mitten im Weinberg, und von dort oben hat man einen wunderbaren Blick über das Land.
    "Das war eine außergewöhnliche Stimmung. Wir haben das ganze Haus in ein Studio umgebaut, und jedes Zimmer spielte eine Rolle, die Schlafzimmer, das Wohnzimmer, die Küche. Die Musiker kamen und wohnten in diesem Heim-Studio, das ging sicher zwei Wochen lang so."
    Rockig, verspielt, jugendlich
    Auf der Internetseite saorijo.com ist nachzulesen, wer in welchem Zimmer gespielt hat. Das Schlagzeug stand im Wohnzimmer, das Streichquartett musste ins Esszimmer, mitten drin Saori Jo auf einem Sofa, eine ihrer Katzen auf dem Schoß, und in der Regie der Tontechniker Doug Cook, der mit Jeff Beck gearbeitet hat und extra aus Großbritannien ins Elsass kam.
    In jedem der 14 Lieder steckt Gefühl: Wut, Enttäuschung, Liebe: Die Bandbreite ist groß, und jedes Lied hat einen anderen Sound. Mal klingt das ein bisschen bombastisch mit Anklängen an den Rock der Siebziger, dann wieder wie ganz gewöhnlicher Pop und manchmal auch einfach nur ganz verspielt und jugendlich.
    "Was mich bewegt", sagt Saori Jo, "das ist die vergängliche Seite des Lebens. Das Thema interessiert mich schon seit meiner Kindheit. Damals wurde ich ziemlich schnell mit gar nicht so fröhlichen Situationen konfrontiert. Meine Mutter hatte einen Hirntumor, und danach einen Schlaganfall, und so musste ich schnell erwachsen sein und mich kümmern, und da habe ich dann diese Dringlichkeit zu leben gespürt, und das ich tun muss, was ich liebe."
    "Am Ende siegt die kindliche Seele"
    Besonders deutlich zeigt sie das im Video von "Some chocolat": Die Hauptfigur ist eine Puppe in Menschengröße mit Knöpfen als Augen und Fäden an den Gliedern wie eine Marionette. Ein Bild dafür sei das, sagt Saori Jo, dass viele Menschen ein Leben führten wie eine Puppe an Fäden, ganz automatisiert und leer. Saori Jo selbst tritt ebenfalls auf in diesem Clip.
    "Ich spiele das Bewusstsein, diese kindliche Seele, die in uns schlummert, und ich versuche, die Puppe dazu zu bringen, dass sie reagiert. Ich schneide ihr Grimassen, aber sie lebt ihr geregeltes Leben weiter, und ich werde wütend, und am Ende siegt die kindliche Seele und ergreift wieder Besitz von diesem Körper."
    Der Weg zur ersten Platte war steinig: Sie sei an einen zwielichtigen Manager geraten, erzählt Saori Jo - im Französischen sagt sie "escroc", das heißt Schuft, und dieser Schuft habe zwar Kontakt zu großen Plattenfirmen gehabt, sie aber um viel Geld gebracht, und am Ende habe sie dafür kämpfen müssen, die Rechte an ihrer Platte zurückzubekommen. Sie gründete dann eine eigene Firma und brachte das Album mit weniger namhaften Partnern selbst heraus. Aber ein Gutes hatte der Kontakt zu dem streitbaren Manager: Sie lernte Ian Anderson von Jethro Tull kennen, der sie für drei Konzerte als Vorgruppe engagierte. Die Chemie hat sofort gestimmt, sagt Saori Jo, und immer noch ungläubig erzählt sie von jenem Moment, als Ian Anderson sie auf ein bestimmtes Lied ansprach.
    "Hörmal, sagte er, ich hab Deine CD gehört im Flugzeug. Wäre es Dir recht, wenn ich morgen bei Lied Nummer vier mitspiele, bei "Fairy World"? Ich dachte, ich höre nicht richtig, also dass da so ein Monument der Rockgeschichte einer jungen und unbekannten Künstlerin aus dem Elsass anbietet, mit ihm aufzutreten. Ich habe ein kleines Ja gestammelt, ziemlich schüchtern."
    Ruhe für neue Ideen
    Der Traum ging weiter: Am nächsten Abend spielte die ganze Band "Jethro Tull" bei "Fairy World" mit, und dann tourte Saori Jo plötzlich ganz regulär mit "Jethro Tull" durch die großen deutschen Konzertsäle als Vorgruppe. Ian Anderson nahm seinen Part an der Querflöte auch für das Studio-Album auf.
    Saori Jo steckt bis zum Rand voll mit Energie, gibt permanent Konzerte und hat inzwischen einen Fanklub. Und auch wenn sie heute nicht mehr in dem schönen Haus auf dem Hügel von Mützig im Elsass wohnt: Auch in ihrem neuen Haus, sagt sie, ist es ganz ruhig - ruhig genug für viele Ideen, geschrieben auf Englisch von einer Französin, die besonders gern in Deutschland auftritt.