"Ja, da in der Ecke war die Orgel. Und da sind noch ein paar Orgelpfeifen, ich kann Ihnen ja mal eine geben."
Josef Ostermann hebt Orgelpfeife auf und pfeift. Die Orgelpfeifen liegen im Staub. Sie werden im Müll landen. Ebenso wie die Kirchenbänke und die bunten Motivfenster. Sankt Maria Königin, katholische Filialkirche in Essen-Haarzopf, ist zum Abriss freigegeben. Josef Ostermann, 82 Jahre alt, ist an diesem Vormittag noch einmal hergekommen; er steht im düsteren Kirchenraum und erzählt von besseren Zeiten: von gut besuchten Gottesdiensten und Pfarrfesten, von Hochzeiten und Taufen.
"Ja, das sind schon so Erinnerungen. 40 Jahre habe ich hier gewohnt und aktiv mitgemacht."
Förderverein zur Rettung der Kirche
Das Bistum Essen hatte Sankt Maria Königin schon vor Jahren zur sogenannten "weiteren" Kirche erklärt. Ein Begriff, den manch einer als Euphemismus empfindet – bedeutet er doch, dass diese Kirchen kein Kirchensteuergeld mehr bekommen und damit auf lange Sicht ausgeblutet und geschlossen werden.
Doch in Essen-Haarzopf gab es Widerstand gegen diese Entscheidung: Die 600-Seelen-Gemeinde mit stabilem Gottesdienstbesuch wollte ihre Kirche so einfach nicht aufgeben. Vor zehn Jahren wurde ein Förderverein gegründet, mit Josef Ostermann im Vorstand. 120 Mitglieder engagierten sich, sie zahlten drei Euro Beitrag pro Monat, trieben Spenden ein und organisierten Feste. Manch ein Haarzopfer überließ nach dem Tod sein Vermögen dem Förderverein.
Josef Ostermann: "Und so haben wir also fünf Jahre lang aus eigenen Mitteln die Kirche mit all ihren Unkosten erhalten. Steuern und Strom und Wasser und Heizung, das ist über fünf Jahre geschehen, wir haben auch jetzt noch Geld in unserer Kasse."
Fünf Jahre lang finanzierte der Verein die Kirche mit jeweils 24.000 Euro pro Jahr. Doch es nutzte alles nichts, die Gremien in Pfarrei und Bistum entschieden dennoch, die Kirche abzureißen und das Grundstück zu verkaufen: Demnächst werden hier 14 Doppelhaushälften stehen. Von "brachliegendem Kapital" sei die Rede gewesen. Eine Enttäuschung auch für Josef Ostermanns Sohn Dietrich, der früher in Sankt Maria Königin Messdiener war:
"Man muss immer auch verstehen, dass die Kirche ein sozialer Raum ist, dass sie Identifikations- und Kristallisationspunkt ist. Nicht einfach nur ein Gebäude. Da steckt ja mehr drin. Und das ist alles einfach wegargumentiert worden."
Michael Niekämper hat diese Argumente oft gehört. Er war früher als Pfarrer zuständig für Sankt Maria Königin. Dem Abriss der kleinen Kirche hat er einst zugestimmt. Es ist ihm anzumerken, dass ihm die Entscheidung nicht leicht gefallen ist. Und doch steht er dahinter:
"Wenn wir uns nur auf die konzentrieren würden, die immer gekommen sind, so hart das klingt, dann haben wir die Zukunft der Kirche verloren."
Die Kirche verliert an Prägekraft
Viele Menschen in der Nachbarschaft der Kirche allerdings sehen es anders – selbst, wenn sie dort nie in die Messe gegangen sind. Das hat auch Pfarrer Niekämper zu spüren bekommen:
"Mir ist noch mal sehr deutlich geworden, in Sankt Maria Königin, wie sehr eine Kirche als Stadtteilorientierung, und vielleicht auch als Zeichen, wo wir herkommen, aus einer christlichen Kultur, für Menschen ungeheuer wichtig ist. Also insofern werden die heimatlos, die jetzt diese Kirche als ihren Gottesdienstort verloren haben. Aber auch andere verlieren ein Stück Identität, weil sie eben diesen Ort verloren haben, der für sie wahrnehmbar war als Zentrum dieser Siedlung."
Eine Kirche abzureißen, in der man früher gepredigt hat – wie frustrierend ist das für einen Pfarrer?
"Gute Frage..." Michael Niekämper denkt lange nach, bevor er antwortet: "Es frustriert mich schon, wenn ich wahrnehme, wie Kirche in unserer Gesellschaft an Wort verliert und an Substanz, obwohl ich genau weiß, dass ganz vieles auch falsch gemacht worden ist und dass das jetzt nicht zufällig geschieht. Insofern frustriert mich das schon auch, dass die Kirche so an Prägekraft in der Gesellschaft verliert."
Die Kirche verliert an Prägekraft – und das zeigt sich eben auch in leerstehenden Gebäuden. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurden viele Kirchen neu erbaut – heute gibt es zu viele für immer weniger Kirchenmitglieder und Gottesdienstbesucher. Mit ihnen bleiben auch die Steuereinnahmen weg, während die Kosten für Reparaturen, Heizung und Strom steigen. Allein im Bistum Essen wurden seit 1999 mehr als 100 Kirchengebäude "außer Dienst gestellt", wie es offiziell heißt.
"Viele Kirchen drohen in Sekten abzugleiten, von der Relevanz, von der massenmäßigen Relevanz; und Kirchen sind sehr auf der Suche, wie sie die Menschen heute ansprechen können."
Sagt der Hamburger Architekt Joachim Reinig. Einer seiner Schwerpunkte: alte und neue Kirchen. Reinig hält Kirchengebäude für unverzichtbar, als stadtbildprägende Ortsmarken, als Orientierungspunkte, die das urbane und gesellschaftliche Leben strukturieren: "Rathaus und Kirche oder der Dom waren immer die Zeichen für kirchliche und weltliche Macht, das hat Deutschland klar entwickelt."
"Nicht unterschätzen, welche Bedeutung auch leere Kirchen haben!"
Lange Zeit waren es einzig die Kirchtürme, die den Horizont einer Stadt überragten. Doch der Architekt hält Kirchen nicht nur aus baukultureller Sicht für bedeutungsvoll:
"Ja, also heute sind Kirchen wichtig. Und Glockengeläut am Sonntagmorgen, das die Menschen, wenn sie noch im Bett liegen und ausschlafen, hören, aha, da draußen läuten die Glocken, da treffen sich Menschen. Und wenn ich mal ein richtiges Problem habe, und ich es nicht anders nicht lösen kann, dann kann ich dahin gehen. Man sollte das nicht unterschätzen, welche Bedeutung auch leere Kirchen haben!"
Die katholische Kirche unterhält in Deutschland etwa 24.000 Kirchengebäude. In den vergangenen gut 100 Jahren wurden davon 366 profaniert, also entwidmet. 84 wurden verkauft, 88 abgerissen. Die EKD, die Evangelische Kirche in Deutschland, besitzt bundesweit mehr als 23.000 Kirchen, Kapellen und Gemeindezentren. Rund 300 davon stehen derzeit leer oder werden anderweitig genutzt, mehr als 100 wurden zwischen 1990 und 2014 abgerissen.
Zwischenzeitlich wurden zwar auch neue katholische und evangelische Kirchen gebaut, doch die Bilanz bleibt eindeutig: Kirchen werden weniger in Deutschland. Für eine neue Nutzung der Gebäude gibt es viele Beispiele. Es gibt ehemalige Kirchen, in denen heute Kletterhallen oder Kindergärten, Cafés, Konzertsäle, Kunstschulen oder einfach Wohnungen untergebracht sind. Ein Abriss wie in Essen-Haarzopf ist die Ultima Ratio und möglichst zu vermeiden, so steht es auch in einer Handreichung der Deutschen Bischofskonferenz:
"Eine Kirche ist ja nicht irgendein Gebäude. Eine Kirche ist nicht nur eine orientierende Landmarke, ein architektonischer Akzent in unseren Städten und Dörfern oder ein schützenswertes Denkmal. Unsere Kirchen sind steinerne Zeugen des Glaubens und – in ihrer architektonischen und künstlerischen Verschiedenheit – Gestalt gewordene Theologie."
Doch als solche, als Gestalt gewordene Theologie, werden sie immer weniger wahrgenommen. Bürger und Touristen schätzen Kirchen als kunstvolle Gebäude, doch das reicht für den Erhalt in vielen Fällen nicht. Es bleiben ja nicht nur die Mitglieder weg. Auch die Pfarrer fehlen vielerorts. Deutschland wird säkularer. Und: religiös vielfältiger.
Beten in der Tiefgarage
Die Al-Nour-Moschee in Hamburg St. Georg. Muslime aus aller Welt kommen hierher. Beim Freitagsgebet sind es um die 2.500 Männer. Sie beten in zwei Etappen, rappelvoll ist es dann, manche müssen auf der Straße warten. Ihre Moschee ist kein repräsentatives, kein schönes Gebäude, keine Ortsmarke und kein Orientierungspunkt. Ihre Moschee ist seit mehr als zwanzig Jahren eine ehemalige Tiefgarage.
"Wenn ich mir überlege, dass wir gerade beten, da wo früher Autos geparkt haben, ist das kein schöner Gedanke. Wir haben provisorisch viel versucht, das ganze zu verschönern, aber es behält auch seinen Tiefgaragen-Charakter."
Sagt Daniel Abdin, Vorsitzender des Islamischen Zentrums Al-Nour. Teppiche haben sie ausgelegt, die Wände verkleidet. Doch die Decken sind niedrig, das Neonlicht blendet grell. Ein unwürdiges Gotteshaus, findet Abdin:
"Im Winter ist es frostig kalt. Im Sommer ist es stickig. Und der ganze Raum ist schäbig. Im Grunde genommen: Es ist nicht repräsentativ und das finde ich wirklich schade."
"Deutschland braucht schönere Moscheen"
Mal abgesehen von den wenigen großen und repräsentativen Moscheen in einigen deutschen Großstädten ist die Al-Nour-Moschee in Hamburg ein typisches Beispiel: Viele Muslime beten hierzulande in unscheinbaren, heruntergekommenen Räumen. Der Kirchenarchitekt Joachim Reinig hat vor einigen Jahren die Hamburger Moscheen untersucht:
"Da zeigte sich, dass die Gemeinden oft in sehr billig angemieteten Hinterhöfen oder Tiefgaragen oder Nebengebäuden sind, oft in schlechten Lagen. Dass sie große Probleme haben, Baugenehmigungen zu kriegen oder zur Erweiterung ihrer Räume zu bekommen. Und das ist oft sehr diskriminierend, wie sie untergebracht sind."
Seine Studie sei nach wie vor gültig und ohne weiteres auf andere deutsche Städte übertragbar, sagt Reinig. Für ihn ist völlig klar: Deutschland braucht mehr und vor allem schönere Moscheen.
Das hat sich auch Daniel Abdin vom Islamischen Zentrum Al-Nour vorgenommen. Seine Gemeinde soll bald in einem aufsehenerregenden Gebäude beten. Er hatte viele Jahre vergeblich nach einer passenden Immobilie gesucht. Bis er im Internet auf ein Angebot stieß: "Ehemalige evangelische Kirche zu verkaufen", hieß es da.
"Ehemalige evangelische Kirche zu verkaufen"
"Wir haben nie im Traum daran gedacht," sagt Abdin, "eine Kirche zu kaufen und in eine Moschee umwandeln; das war nicht unser Ziel. Aber ich muss Ihnen sagen, die Verzweiflung, und die Neugierde, wer verkauft eine Kirche im Internet!"
Es war ein Investor, der die Kapernaum-Kirche zum Verkauf anbot. Die Evangelisch-Lutherische Kirche hatte das Gebäude Jahre zuvor aufgegeben – es waren kaum noch Menschen in den Gottesdienst gekommen, der Erhalt des denkmalgeschützten Gebäudes war zu teuer geworden. Der Investor hatte auf dem umliegenden Grundstück ein Altenheim gebaut, doch mit der Kirche konnte er nichts anfangen. Viele Jahre stand sie leer, Obdachlose hausten im Vorgarten. Es war die Gelegenheit für Daniel Abdin und seinen Moscheeverein.
"Wir stehen direkt vor der ehemaligen Kapernaumkirche, der zukünftigen Al-Nour-Moschee in Hamburg-Horn."
Ein Backsteinbau mit Kupferdach, 1961 fertiggestellt. Einen hohen sechs-stelligen Betrag habe sein Verein für die ehemalige Kirche gezahlt, erzählt Daniel Abdin. Hinzu kommen die Kosten für Sanierung und Umbau. 1,1 Millionen Euro gab der Staat Kuwait dazu, ganz ohne Bedingungen, wie Abdin betont. Allerdings laufen die Kosten nun aus dem Ruder:
"Wir haben uns definitiv verkalkuliert. Am Anfang sind wir von anderthalb Millionen Sanierungskosten ausgegangen. Mittlerweile sind wir bei vier Millionen."
Kirche wird zur Moschee
Wann die Moschee eröffnet werden kann, ist unklar, der Umbau geht schleppend voran. Immerhin, auf dem schmalen Glockenturm wurde das Kreuz bereits durch einen goldenen Schriftzug ersetzt. "Allah" ist dort zu lesen, auf Arabisch.
Abdin: "Wir haben am Anfang gedacht, wir machen einen Halbmond drauf, doch dann haben wir uns anders entschieden, wir wollen hier nicht differenzieren, sondern die Menschen zusammenbringen und haben uns entschieden, den Namen Gottes zu nehmen. Also in Arabisch heißt Gott Allah. Selbst die Christen und Juden in arabischen Ländern sagen zu Gott Allah."
Daniel Abdin schiebt den Bauzaun zur Seite: "Wir gehen jetzt rein und schauen uns das ganze von innen an."
Der Innenraum wurde renoviert, eine Gebetsnische in Richtung Mekka eingebaut. Vieles ist noch nicht fertig, Kabel hängen aus den Wänden. Die bunten, rautenförmigen Fensterelemente allerdings, sie lassen den Raum leuchten. Sie erzählen vom Ort Kapernaum in Galiläa, wo, so steht es in der Bibel, Jesus gelebt und gewirkt haben soll.
"Da die Häuser und das Blaue ist das Meer und die Berge, und da oben ist das Kreuz."
Ein christliches Kreuz in einer Moschee – so wird es bleiben. Muss es auch, denn die Fenster stehen unter Denkmalschutz. Daniel Abdin hat damit ohnehin kein Problem: "Unser Motto ist sowieso, außen Kirche, innen Moschee. Ich möchte auch nicht die beiden Religionen vermischen, sondern eher für eine respektvolle Begegnung sorgen."
"Es ist eine Ausnahme, es muss eine Ausnahme bleiben"
An der Umwandlung der Kirche zur Moschee hatte es anfangs allerdings scharfe Kritik gegeben; der damalige Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche Nikolaus Schneider sprach von einem "Missgeschick" und einer "geistlichen Zumutung", die Nachbarschaft in Hamburg-Horn war skeptisch.
Mittlerweile ist der Protest weitgehend verstummt. Das dürfte auch mit Daniel Abdin zu tun haben, der die Nachbarn auf die Baustelle einlud, Politiker herumführte, ein gutes Verhältnis zur Evangelischen Kirche pflegt. Der gebürtige Libanese bezeichnet sich selbst als Hanseat, er ist in der SPD aktiv und für den Dialog zwischen Christen und Muslimen setzt er sich seit Jahren ein. Er ist stolz auf sein Moschee-Projekt. Und doch weiß er, dass dies kein Vorbild werden sollte:
"Es ist eine Ausnahme, und es muss auch eine Ausnahme bleiben. Wir wollen keine Kirchen in Moscheen umwandeln. Kirche soll Kirche bleiben."
Eine Ausnahme wird es auch deshalb bleiben, weil die katholische und die evangelische Kirche ihre Gebäude nicht an muslimische Gemeinden abgeben wollen; es gibt dazu entsprechende Richtlinien. Dass die Kapernaum-Kirche zur Moschee wird, war möglich, weil es einen Zwischen-Eigentümer gab, den Investor. Alle Beteiligten wissen um die enorme Symbolkraft, die es hat, wenn in Deutschland eine Kirche zur Moschee wird. Es soll schließlich nicht der Eindruck entstehen, eine Religion siege über die andere.
Dazu Architekt Reinig: "Es gibt natürlich auch immer wieder Stimmen, wo Leute sagen: Jetzt triumphieren wir über die anderen. Wir nehmen das in Besitz. Das ist natürlich ein völlig falsches Denken. Wir leben in einer Welt, die säkular wird. Das heißt, die eigentliche Front ist doch zwischen denen, die an Gott glauben, und denen, die nicht an Gott glauben."
Dass der Umbau der Hamburger Kapernaum-Kirche zur Moschee eine Ausnahme bleiben wird, hat nach Ansicht von Kirchenarchitekt Joachim Reinig aber auch ganz praktische Gründe: Kirchen sind geostet, während Muslime in Richtung Mekka beten. Die baulichen Veränderungen wären in den meisten Fällen viel zu kompliziert und teuer oder wegen des Denkmalschutzes gar nicht erst möglich.
Ehemalige Kirche wird zur Synagoge
Weniger umstritten und auch weniger selten ist es, dass aus einer Kirche eine Synagoge wird. So wie im Kölner Stadtteil Riehl. Die ehemalige evangelische Kreuzkapelle ist die Heimat der jüdisch-liberalen Gemeinde Gescher LaMassoret. Gesa Biffio ist die Vorsitzende der Gemeinde; sie zeigt den Synagogenraum:
"So, das ist die ehemalige Kreuzkapelle. Wir haben da den Tora-Schrank, dort sind unsere Torarollen, die werden während des Samstagmorgengottesdienstes und zu besonderen Gelegenheiten herausgeholt. Dann wird direkt aus der Pergamentrolle gelesen."
Schon seit 2001 war die jüdische Gemeinde zu Gast bei der evangelischen Kirchengemeinde Köln-Riehl, mit einem Raum im Keller der Kapelle. Das sei immer schön gewesen, sagt Gesa Biffio, aber:
"Man hatte doch den Eindruck, dass wir hier so ein bisschen angequetscht sind. Und eigentlich zu Gast, was wir ja auch waren. Mit großem Dank an die Gastgeber, aber wir haben nicht den Eindruck vermittelt, auf eigenen Beinen zu stehen. Das war eher das Problem."
Das soll sich in diesem Jahr ändern. Die Kirchengemeinde will das Gebäude an den Landesverband der jüdischen liberalen Gemeinden verkaufen. Die Kapelle, die im vergangenen Jahr entwidmet wurde, trägt eine historische Last: Während der NS-Zeit wurden hier zum Christentum konvertierte Juden mit einem Gottesdienst in die Konzentrationslager verabschiedet. Doch gerade wegen dieser Geschichte sei der Verkauf richtig und gut, sagt Pfarrer Uwe Rescheleit:
"Weil diese Geschichte eine Art Umkehrung erfährt, man könnte auch sagen, eine Art Bereinigung, oder vielleicht sogar etwas von Heilung."
Rescheleit verheimlicht nicht, dass es auch um Geld geht, um Geld, das gebraucht wird, um die evangelische Hauptkirche im Stadtteil umzubauen. Und dass es für eine Gemeinde dennoch niemals einfach ist, ein sakrales Gebäude aufzugeben:
"Natürlich ist das ein Haus, in dem Gottesdienste gefeiert wurden. Und der Entwidmungsgottesdienst mit dem Präses: Das war schmerzhaft. Da gab es Tränen. Man gibt etwas her, das ist ein Traditionsabbruch."
Und doch überwiege die Freude über die künftigen Hausherren, sagt der evangelische Pfarrer:
"Das rührt mich auch an. Jesus war Jude! Von meinem Glaubenskostüm her. Von daher ist das für uns eine ganze tolle Sache, dass die Juden da einziehen."
Und Gesa Biffio ergänzt: "Und wir sind alle froh, sowohl die Gebenden als auch die Nehmenden, dass es Gotteshäuser bleiben, und nicht irgendwie ein Supermarkt wird, nicht?"
Eine Kirche wird Moschee, eine Kapelle wird Synagoge – Möglichkeiten der Weiternutzung gibt es viele. Irgendeine davon hätte sich auch Josef Ostermann für seine Kirche Sankt-Maria Königin in Essen gewünscht.
Der Abrissbagger ist da
Mittlerweile war der Abrissbagger da – die Kirche, für deren Erhalt Josef Ostermann jahrelang gekämpft hat, ist verschwunden. An ihrer Stelle werden jetzt Doppelhaushälften gebaut. Josef Ostermann bleiben Erinnerungen, und jede Menge Fotos.
"Ja, hier ist die Orgel, und hier werden die Bänke reingetragen, wie man sieht…"
Das Engagement des Fördervereins für die kleine Kirche hätte ein Pilotprojekt sein können, sagt er, ein Vorbild für andere Kirchen, die ebenfalls von der Schließung bedroht sind. Diese Chance habe das Bistum nicht erkannt.
"Das heißt für mich, hier herrscht der Pessimismus! Wo Sie hingucken, ist Pessimismus! Anstatt zu sagen: Kinder, Ihr müsst Euch jetzt mal auf die Socken machen und Geld zusammenkriegen, damit wir über diese Hürde kommen."
Seinem Glauben habe die ganze Geschichte nicht geschadet, sagt Josef Ostermann. Seinem Vertrauen in die Kirche allerdings schon.