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Schulleiter-Mangel
Entscheidungshilfen für Interessierte

An Duisburgs Grundschulen fehlen Dutzende Rektoren oder Konrektoren. Mancher Lehrer ist unsicher, ob er für die Leitungsaufgabe geeignet ist. Die Stadt, das Schulministerium und eine Stiftung haben deshalb ein Programm aufgelegt, mit dem sich Interessierte Klarheit verschaffen können.

Von Benjamin Sartory | 23.01.2018
    Eine Schule in Scharrel, auf der "Lütje Skoule Skäddel" steht
    Plötzlich für eine ganze Grundschule statt nur einzelne Klassen verantwortlich? Mancher Lehrer schreckt vor Schulleiter-Posten zurück, weil er nicht genau weiß, was da auf ihn zukommt. (Deutschlandradio / Hilde Weeg)
    Vanessa Kuhr ist seit fast sechs Jahren Lehrerin an der Grundschule Krefelder Straße in Duisburg-Rheinhausen. Im Grunde kann sich die 31-Jährige vorstellen, auch eine Rektorinnenstelle zu übernehmen. Allerdings zögert die zweifache Mutter noch, vor allem wegen der zu erwartenden Mehrbelastung. Vanessa Kuhr will also erst einmal wissen, was auf sie zukommt. Deshalb bewarb sie sich jetzt um eine Teilnahme beim neuen Duisburger Projekt zur Gewinnung von Grundschulleitungen.
    "Ich möchte gerne noch einmal einen anderen Einblick bekommen, was eine Schulleitung macht. Ich sehe zwar viel, was die Schulleitung macht. Aber ich denke, es gibt da noch ganz viele Dinge, die hinter verschlossenen – ja, was heißt verschlossene Türen – aber von denen man immer nichts mitbekommt. Und da nochmal Einblicke zu gewinnen."
    60 Grundschullehrer haben Interesse bekundet
    Die Stadt Duisburg, die Düsseldorfer Wübben-Stiftung und das NRW-Schulministerium wollen genau diese Einblicke mit ihrem Projekt ermöglichen. Genaue Bewerberzahlen gibt es noch nicht, aber knapp 60 Grundschullehrer haben bereits Interesse angekündigt. Wer am Ende mitmacht, erhält zum Beispiel Führungsseminare und darf Schulleitern einige Tage über die Schulter schauen. Kern des Programms ist aber ein Projekt, das die Lehrer an ihrer Schule durchführen sollen – um Leitungsaufgaben zu üben. Für die Umsetzung gibt es jeweils 3.000 Euro, erklärt Markus Warnke von der Wübben-Stiftung:
    "Dann müssten die Lehrerinnen und Lehrer sich überlegen, was wollen wir denn an der Schule tatsächlich machen? Also was brauchen wir? Ist es eine Leseecke oder das Thema Digitalisierung, wo wir im Prinzip gerne Geld einsetzen möchten und dann müssen sie im Prinzip einen Projektplan entwickeln. Also die lernen auch Projektmanagement."
    Die Grundschule in Duisburg-Rheinhausen sucht seit fast anderthalb Jahren eine neue Leitung. Zeitweise half die Rektorin einer Nachbarschule aus. Aber bald wurde klar, dass das nicht optimal ist. Deshalb übernahm die Lehrerin Iris Pöppelmann schließlich die Führung kommissarisch. Bald wird sie die freie Rektorenstelle wohl dauerhaft übernehmen. Aus ihrer Sicht könnte das neue Projekt auch anderen Lehrkräften helfen, über ihren Schatten zu springen:
    "Vielleicht lecken so viele Kollegen dann auch Blut. Weil ich wollte das auch nicht werden und bin auch dann hier reingerutscht. Dadurch, dass ich am Anfang hier die Stellvertretung hatte, konnte ich auch erstmal reinschnuppern."
    "Leitung ist was anderes als normale Lehraufgabe"
    Mehr als 90 Prozent der Kinder an der Grundschule in Duisburg-Rheinhausen stammen aus Einwandererfamilien. Soziale Probleme sind wie in vielen anderen Schulen der Stadt keine Seltenheit. Nach Einschätzung des Bildungsdezernenten Thomas Krützberg ist der Lehrer- und damit auch Schulleitermangel deshalb hier besonders ausgeprägt. Viele suchen sich lieber ruhigere Kommunen. Dieses Imageproblem lässt sich nicht von heute auf morgen lösen. Krützberg hofft aber, dass das neue Projekt wenigstens bei der Besetzung der Rektorenstellen hilft:
    "Leitung ist noch was anderes als eine normale Lehraufgabe. Und wenn wir jetzt ein zusätzliches Qualifizierungsangebot bieten können, hilft das den Lehrerinnen und Lehrern, sich auf solche Stellen zu bewerben. Da bin ich fest von überzeugt."
    "Wer kann denn nochmal wiederholen, was doppelte Konsonanten sind?"
    Die Sozialstruktur ihrer Schülerschaft macht Vanessa Kuhr nichts aus. Sie arbeitet gerne in Duisburg. Ob auch als Leiterin einer Grundschule, will sie in dem Schnupperjahr herausfinden. Noch ist die Lehrerin skeptisch.
    "Der Beruf ist ja schon sehr herausfordernd und sehr komplex. Und ich denke, dass die Leitzeit, die einer Schulleitung gegeben wird, um eine Schule zu leiten, im Verhältnis relativ gering ist. Sie hat trotzdem eine Klassenleitung, gerade wenn Personalmangel ist, und das andere ist eben zusätzlich. Und ich glaube, dass das jeder noch mal für sich dann abwägen muss."
    Grundschullehrer werden in NRW schlechter bezahlt
    Grundschullehrer werden in Nordrhein-Westfalen schlechter bezahlt als beispielsweise Gymnasiallehrer – obwohl ihre Ausbildung genauso lange dauert. Die neue schwarz-gelbe Landesregierung will das gerne ändern. Berlin hat das kürzlich vorgemacht, auch in Brandenburg ist ein solcher Schritt geplant. Die Bezüge für Leiter von Grundschulen wurden in NRW bereits von der früheren rot-grünen Regierung erhöht. Richtige Schritte, meint die Duisburger Lehrerin Vanessa Kuhr. Allerdings: Allein mit Geld könnte man sie nicht auf den Rektorinnensessel locken.
    "Entweder mache ich den Job dann gerne – oder eben nicht."