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Schulleitermangel
Grundschulen sind die Sorgenkinder

Viele Schulleiterstellen in Nordrhein-Westfalen seien nicht besetzt, sagt Udo Beckmann, der Bundesvorsitzende des Verbandes Bildung und Erziehung. Offizielle Zahlen, wieviele Stellen tatsächlich fehlen, gebe es nicht. Betroffen seien vorwiegend Grund- und Hauptschulen, die schlechte Bezahlung der Lehrkräfte sei das Hauptproblem.

Udo Beckmann, Bundesvorsitzender des Verbandes Bildung und Erziehung, im Gespräch mit Kate Maleike | 14.02.2014
    Kate Maleike: Campus & Karriere vom Deutschen Schulleiterkongress in Düsseldorf heute. Udo Beckmann ist bei uns, der Bundesvorsitzende des Verbandes Bildung und Erziehung, der diesen Kongress auch mit gestaltet. Guten Tag, Herr Beckmann!
    Udo Beckmann: Guten Tag!
    Maleike: Vor genau zwei Jahren haben wir beide hier schon mal gestanden und haben uns tatsächlich über den Schulleitermangel in Deutschland unterhalten. Hat sich seitdem aus Ihrer Sicht die Lage verbessert oder eher noch verschlimmert?
    Beckmann: Ich habe den Eindruck, dass die Lage sich noch weiter zugespitzt hat. Allein, wenn ich die Zahlen in Nordrhein-Westfalen sehe, wie sich die in den letzten Jahren entwickelt haben, ist signifikant nichts passiert, und von daher ist die Regierung, aber auch – nicht in der Regierung in Nordrhein-Westfalen, sondern auch in anderen Ländern dringend gefordert, dort gegenzusteuern.
    Maleike: Jetzt sind wir schon bei den Forderungen. Geben Sie uns doch mal eine Größenordnung. Es heißt immer, Tausende von Schulleiterstellen seien nicht besetzt. Haben Sie eine bundesweite Zahl, eine aktuelle?
    Beckmann: Es gibt keine bundesweite Zahl, weil die auch nicht erhoben wird. Sie werden auch bei der KMK keine bekommen. Das, was wir haben, sind eben die Zahlen in Nordrhein-Westfalen, die wir beobachtet haben über mehrere Jahre hinweg, und eben die Rückmeldung aus anderen Bundesländern. Wenn ich mit Kollegen ins Gespräch komme, dass die Situation dort nicht anders ist. Es betrifft natürlich in erster Linie Schulformen, die kleine Systeme haben, ich spreche von Grundschule, ich spreche von Hauptschule. Sie haben weniger das Problem bei den großen Systemen, Gymnasium oder Gesamtschule.
    Maleike: Also nach den neuesten Zahlen, jede achte Schule in Nordrhein-Westfalen, um das mal auf Nordrhein-Westfalen zu beziehen - das heißt, die Grundschulen sind ihre Sorgenkinder. Noch mal zur Frage, warum ist der Mangel eigentlich so groß?
    Beckmann: Der Mangel ist aus mehreren Gründen so groß. Es gibt sicherlich genügend Kolleginnen und Kollegen, die sagen, Schulleitung zu machen, wäre eigentlich eine reizvolle Aufgabe, ich kann Schule gestalten. Aber, und dann kommen die Fragezeichen, wie soll ich das Schaffen, die ganzen Herausforderungen, die auf mich zukommen in der angebotenen Leitungszeit. Wieso wird das, was ich tue, nicht adäquat honoriert? Das heißt, da sind wir beim Thema Bezahlung. Wieso muss ich als Schulleiter noch so viele Unterrichtsstunden geben und gleichzeitig das Amt als Schulleiter vollziehen? Und wenn ich Schule gestalten will als Schulleiter, dann brauche ich auch dazu die notwendigen Rahmenbedingungen, das heißt, ich brauche die notwendigen Lehrerstellen, alles, was dazu gehört. Auch das fehlt mir. Und viele möchten einfach nicht der Verwalter des Mangels sein.
    Maleike: Jetzt haben Sie gerade frische heute Morgen eine Forsa-Umfrage bekannt gegeben, Sie hatten die in Auftrag gegeben. Eine Befragung zur Frage in Deutschland, wie angesehen sind Schulleiter. Was ist die wichtigste Aussage?
    Beckmann: Es gibt zwei wichtige Botschaften, dass das Ansehen der Schulleitungen seit 2011, in dem Jahr haben wir diese Forsa-Umfrage schon mal durchgeführt, sich nicht signifikant etwas verändert hat. Und wir haben gerade vor der Diskussion um den Schulleitermangel eine neue Frage aufgenommen, nämlich wir haben die Menschen befragt: Was würde es für Sie bedeuten, wenn Sie Ihr Kind an einer Schule anmelden wollen, die keinen Schulleiter hat? Und da haben 50 Prozent der Menschen gesagt, insbesondere auch Eltern schulpflichtiger Kinder, das ist für uns schon ein wichtiger Aspekt. Wenn eine Schule keinen Schulleiter hat, würden wir überlegen, das Kind an einer anderen Schule anzumelden, weil den Eltern der konkrete Ansprechpartner fehlt, weil sie das Gefühl haben, diese Schule wird nicht so geführt, wie es eigentlich sein müsste. Und ich glaube, auch das ist ein Grund für die Arbeitgeber, das heißt, für die Landesregierung, darüber nachzudenken, dass hier Handlungsbedarf ist.
    Maleike: Und damit sind wir schon bei den Forderungen. Wir haben uns hier auch umgehört auf dem Kongress, was sich denn die Schulleiter und Schulleiterinnen wünschen, damit sich ihre Lage verbessert. Stephanie Kowalewski hat folgende Antworten mitgebracht:
    Sprecherin: Also vonseiten der Politik müsste sich eine Menge ändern, denn im Bereich Inklusion sind wir jetzt sehr stark gefragt. Wir sind eine Schule, die seit Jahren im gemeinsamen Unterricht tätig ist, und wir fühlen uns jetzt schon allein gelassen im Hinblick auf die personelle und finanzielle Ausstattung.
    Sprecher: Wir gehen jetzt in das gemeinsame Lernen, also Inklusion. Und da wünsche ich mir eigentlich noch mehr Fortbildung für meine Kolleginnen und Kollegen.
    Sprecher: Dass Schulleitung eine eigene Profession wird und nicht nur ein Lehrer in besonderer Verwendung.
    Sprecherin: Es muss aber auch, finde ich, weiterhin eine ständige Begleitung geben. Also, das ist so das, was uns fehlt.
    Sprecherin: Und die Bürokratie ist auch nicht ganz einfach. Klar, so ein bisschen Unterstützung im Verwaltungsbereich wäre nicht das Schlechteste. Ja, was Management und so angeht, da ist schon einiges, was wir heute mehr leisten müssen.
    Sprecherin: Wir brauchen mehr Zeit, Leitungszeit einfach. Dazu haben wir zu wenig.
    Maleike: Einige Forderungen also, Herr Beckmann. Was ist Ihre wichtigste Forderung und an wen?
    Beckmann: Also, an die Landesregierung ganz klar die Forderung, dass man die Schulleitungen mit der Leitungszeit ausstattet, die sie brauchen, um die Aufgaben, die sie aufgebürdet bekommen, auch adäquat lösen zu können. Es nützt einer Schule nichts, wenn sie einen überlasteten Schulleiter hat. Der Schulleiter ist eigentlich auch dazu da, die Kolleginnen und Kollegen in ihrer Arbeit zu unterstützen. Das kann er nicht leisten, wenn er sich ständig im Hamsterrad befindet und ständig aktiv sein muss, aber in anderen Feldern, und nicht die genügende Zeit dafür hat.
    Maleike: Jetzt ist natürlich auch der demografische Wandel zu spüren. Kann man davon ausgehen, dass die Landesregierungen eher sagen, na ja, jetzt warten wir mal ab, bis alle Schulen geschlossen werden, weil wir auch rücklaufende Schülerzahlen haben, dann erledigt sich das Problem von alleine?
    Beckmann: Das glaube ich nicht, dass sich das Problem von alleine löst. Das zeigen auch die vielen Themen, die wir hier auf dem Deutschen Schulleiterkongress haben. Das ist ja eine große Bandbreite an Aufgaben, die Schulleiter zu erledigen haben. Ich denke, entscheidend ist wirklich auch die Ausbildung. Bevor ich die Aufgabe des Schulleiters übernehme, dann aber auch die berufsbegleitende Weiterqualifizierung. Und Teilnehmerinnen und Teilnehmer hier auf dem Kongress zeigen uns ja, dass das genau das ist, was sie wollen. Sie brauchen Unterstützung für ihre Arbeit, um das Hinzubekommen. Neben dem Thema Leitungszeit, was Sie angesprochen hatten, neben dem Thema adäquate Besoldung.
    Maleike: Geben Sie uns eine Prognose fürs nächste Jahr, denn auch dann wird wieder ein Schulleiterkongress stattfinden. Reden wir dann wieder über Verschlimmerung, oder vielleicht auch mal über Verbesserung?
    Beckmann: Ich hoffe, dass wir über Verbesserungen reden können. Eins ist sicher: Der Deutsche Schulleiterkongress 2015 wird auch wieder viele Foren zur Verfügung stellen, in denen die Kolleginnen und Kollegen sich austauschen können. An den Rahmenbedingungen können wir durch den Schulleiterkongress konkret nichts ändern. Wir haben gerade das Thema Inklusion gehört, eine ganz große Herausforderung. Aber wir werden auf der politischen Ebene, werden wir sicherlich weiter dafür streiten, dass Schulleiterinnen und Schulleiter die Bedingungen bekommen, die sie benötigen.
    Maleike: Ein dickes Brett. Vielen Dank, Udo Beckmann, Bundesvorsitzender des Verbandes Bildung und Erziehung, für den Besuch heute bei uns.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.