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Schwimmender Plastikkontinent nach dem Schmelzen der Pole

Sie will mit ihren Bildern Inhalte ausdrücken und nicht nur Texte bebildern: Alexandra Klobouk hat schon mehrere sehr unterschiedliche Projekte realisiert, zuletzt wurde sie für "Polymeer" mit dem Preis der Stiftung Buchkunst ausgezeichnet.

Alexandra Klobouk im Gespräch mit Ute Wegmann | 15.09.2012
    Ute Wegmann: Ich begrüße im Studio die Künstlerin Alexandra Klobouk, 1983 in Regensburg geboren, lebt sie schon lange in Berlin und ist Meisterschülerin an der Kunsthochschule Weißensee, außerdem frisch ausgezeichnet mit dem Preis der Stiftung Buchkunst 2012 für ihr bebildertes Buch "Polymeer".

    Alexandra Klobouk, Sie haben sich selber als Kulturillustratorin bezeichnet. Was bedeutet das und wie unterscheiden Sie sich von anderen Illustratoren?

    Alexandra Klobouk: Man versteht unter einer Illustratorin jemanden, der einen Text bebildert. Und der Text gibt den Inhalt vor und das Bild führt ihn noch weiter aus. Ich habe mich mit meinem ersten Buch auf Entdeckungsreise meines Berufsbildes begeben und habe festgestellt, dass ich wesentlich mehr noch Geschichtenerzählerin bin und Beobachterin und meine Kommunikation oder meine Art der Mitteilung ist eben die Zeichnung. Und um deutlich zu machen, da kommt noch mehr als nur Zeichnung oder Deko, habe ich das Kultur davor gesetzt. Es ist vielleicht ungerecht gegenüber Illustratoren, die genauso Inhalte vermitteln, aber es macht eben deutlich, dass da noch ein bisschen mehr ist als nur Zeichnung und Bild.

    Ute Wegmann: Das heißt, der Begriff erweitert das Tätigkeitsfeld?

    Alexandra Klobouk: Genau!

    Ute Wegmann: Illustration ist ein Betätigungsfeld. Sie sind auch Sängerin einer Band "God help the girl".

    Alexandra Klobouk: Also, genau gesagt, bin ich nur Teil des Projektes "God help the Girl". Das ist ein Projekt des Sängers von Belle & Sebastian, eine schottische Indie-Band. Der Sänger hat sich vor Jahren vorgenommen, Songs für Mädchen zu schreiben. Und hat sich in seinem Freundeskreis umgehört und Leute aufgefordert, mitzusingen. Ich gehörte zufällig dazu! Das hat sich dann weiterentwickelt zu einem Musical und einem Film. Ich hab dann auf einer Platte mitgesungen, war eine der drei Backgroundsängerin. Das war nur ein Ausflug in eine andere Welt. Es hat mit meiner Arbeit und meinem Leben in Berlin und Lissabon nichts zu tun, aber es war natürlich schön und aufregend.

    Ute Wegmann: Ein anderes Projekt, das mich mindestens genauso interessiert: Sie sind Teammitglied der Sozialhelden. Was genau machen die Sozialhelden und was ist Ihre Aufgabe?

    Alexandra Klobouk: Da hatte ich auch nur eine ganz kleine Aufgabe. Die Sozialhelden ist ein ganz toller Verein, der wohltätig sein möchte ohne Mitleid, sondern, indem man Spaß dabei hat. Dazu gehört, dass man die Leute, die man unterstützt, miteinbezieht. Sso ist es auch Hilfe zur Selbsthilfe und es gibt ganz spannende Projekte. Aber da war ich leider nicht so aktiv, wie ich mir vorgenommen hatte, weil ich mit meinem Diplom ins Rotieren kam, deswegen schläft das ein bisschen. Aber die Sozialhelden sind erfolgreich und aktiv.

    Ute Wegmann: Wie wichtig ist Ihnen eine gesellschaftliche, politische Ausrichtung Ihrer Arbeit?

    Alexandra Klobouk: Ich interessiere mich grundsätzlich für Menschen und damit auch für Gesellschaft und Politik. Und ich versuche immer, nicht den Zeigefinger herauszuholen. Aber ich arbeite hauptsächlich über Themen, von denen ich denke, dass man darüber reden müsste, dass es da Diskussionsbedarf gibt. Und dass es mehr zu entdecken gibt, als man allgemein weiß. Das ist dann der Auslöser für mein Projekt und daran arbeite ich mich ab und finde meinen Weg, mich auseinanderzusetzen. Das erste Beispiel war mein erstes Buch: "Istanbul, mit scharfe Soße?" Das war ein Studienprojekt. Es ist dadurch entstanden, dass ich einige Jahre in Berlin gelebt habe. .Und da gibt es ja eine große deutsch-türkische Community. Und ich habe festgestellt, dass ich komische Vorurteile habe, derer ich mir gar nicht bewusst war. Und das habe ich gemerkt, als ich den Film "Crossing the Bridge" von Fatih Akin gesehen habe , der ja das aufregende, spannende, junge Istanbul zeigt. Und ich habe gemerkt, dass dieses Istanbul dem Bild in meinem Kopf völlig widerspricht. Und das hat mich so erschreckt, dass ich gedacht habe, das sollte ich mir selber mal ansehen und dort hingehen. Denn durch einen Film das Weltbild ändern, ist auch kurz gegriffen.

    Also ging ich nach Istanbul, um dort zu studieren. Ich konnte kein Türkisch, der Kurs war auf Türkisch. Aber zum Glück konnte ich ja visuell arbeiten, denn ich hatte Grafik studiert. Ich hab mit Türkinnen zusammengelebt und habe die Kultur von innen heraus kennenlernen dürfen. Als ich zurückkam, bin ich von ganz vielen Leuten gefragt worden, wie das denn so war und in diesen Fragen schwangen verhohlene Vorurteile und viel Unwissen mit, aber auch Neugierde. Ich wurde gefragt, wie man sich so fühlt als junge westliche Frau in einem islamischen Land. Und mit Ramadan und mit Alkohol und mit Kopftuch. Und dann habe ich angefangen, meine Erfahrungen zu sammeln und meine Impressionen in Einbildgeschichten aufzuschreiben: Wie ist es, wenn man bei einer türkischen Familie zu Gast ist, wie macht man türkischen Tee, wie ist das mit dem Verkehr in der Stadt?

    Ich habe den Text immer in Deutsch und Türkisch dazugeschrieben und habe das Buch dann komplett in der Hochschule gemacht, in Berlin-Weißensee, wo ich viel gelernt habe und sehr gut betreut wurde. Einer meiner Betreuer, Alex Jordan, meinte dann: Jetzt haben sie ja ein Buch, jetzt können sie einen Verlag suchen.

    Und dann ging ich mit meinem Buch ganz naiv auf die Leipziger Buchmesse und lief von Verlag zu Verlag und habe die Leute einfach angesprochen und hatte den Vorteil, dass ich ein bebildertes Buch vorzeigen konnte. Und die Leute konnten gleich sehen, ob es passt oder nicht.

    Ute Wegmann: Alexandra Klobouk ist heute Gast im Studio.
    Man kann sagen, es ist ein autobiografischer Text. Aber der Text setzt sich nicht nur mit ihren eigenen Voruteilen, sondern mit unser aller Vorurteile oder Unwissenheit auseinandergesetzt. Es geht um viele verschiedene Themen. Gastfreundschaft, Mentalität, Vaterlandsliebe, Kleiderordnung, Lautstärke, immerzusammen - nie allein, Ausreiseschwierigkeiten, Rituale.
    Viele spezielle Istanbulinfos sind beigefügt, wie der Kontinentenwechsel.
    Das alles in schwarz-weiß-rot gehalten. Vielleicht sagen Sie noch etwas zur Illustration.

    Alexandra Klobouk: Ja, das mit der Illustration hat sich auch so ergeben, weil es das entsprechende Mittel gewesen ist. Ich hab mich vorher gar nicht als Illustratorin und nicht mal als Zeichnerin gesehen. Ich habe ja visuelle Kommunikation studiert. Ich habe mir überlegt, was ist das beste Mittel, um Erfahrenes wiederzugeben, sodass ich es auch selbst interpretieren, zuspitzen, Situationen vereinfachen kann. Und da war die Zeichnung mit dem Text, immer ein oder zwei Sätze, die unter dem Bild stehen, das Entsprechende.

    So kam es, dass ich Illustratorin wurde. Da ich das vorher noch nicht gemacht habe, musste ich auch im Verlauf eine eigene Bildsprache entwickeln, was ich mit meiner Zeichendozentin Nane Meyer gemacht habe.

    Es ging darum, mich zu reduzieren, alles Überflüssige wegzulassen und so ist das Ganze sehr grafisch geworden, viel Outline, viel Schwarz und Fläche, wenig Hintergründe, da ja sowieso so viel Information vermittelt wird. Außerdem war es mir wichtig, dass nicht nur meine Geschichte erzählt wird, die auf meinen Erfahrungen abbasiert, sondern dass es exemplarisch wird. Ich habe zwar hier und da von meinen Freundinnen erzählt. Aber ich bin nur irgendjemand, der die Kultur erfahren hat, es könnte jeder sein.

    Somit habe ich die Figuren sehr reduziert, manchmal sieht man gar nicht, ob es Männlein oder Weiblein ist. Es gibt eine Grafik, in der ich darstelle, was mir passiert ist, als ich mal in Istanbul verloren ging und noch gar kein Türkisch konnte. Ein rettender Engel, eine Frau, hat sich meiner angenommen und hat mich gefühlte 30 Minuten über Stock und Stein geführt, mich in einen Bus gesetzt und dafür gesorgt, dass mich der Busfahrer da hinbringt, wo ich hinmusste. Und dann ist sie ganz schnell weggelaufen, um ihren eigenen Bus zu bekommen. Drei, vier Leuten haben mir erzählt, dass ihnen genau das Gleiche passiert ist. Das fand ich wahnsinnig schön.

    Ute Wegmann: Auffällig ist bei Ihrem Buch, dass es mit viel Charme, mit sehr viel Liebe zur Türkei und zum türkischen Volk, zur türkischen Kultur und mit sehr viel Witz erzählt wird. Wenn ich zum Beispiel an die Sequenz denke, wo es um Kleidung geht. Eine verhüllte Frau, die Zeichnung ist angelegt wie ein Daumenkino, bei der man mit jedem Bild mehr von dem sehen kann, was sie unter der Verhüllung trägt. Nämlich ganz schicke Dessous. Das ist witzig, aber ich habe mich gefragt, das Buch ist ja nun auch auf Türkisch geschrieben, wie reagieren denn Türken darauf?

    Alexandra Klobouk: Ich habe hier eine Freundin zitiert, deren Cousine in einem Dessousladen arbeitet. Und die meinte, immer wenn die vollverschleierten Damen ins Geschäft kommen, kaufen sie die heißesten Dessous. Und für mich war das eine total spannende Erkenntnis, weil ich bei den verschleierten Frauen nie an Sexualität gedacht habe, nur, weil ich sie von außen nicht sehe, nur weil Sexualität woanders, nämlich zu Hause ausgelebt wird. Und das fand ich total spannend, dass da soviel passiert, was sich meiner Wahrnehmung entzieht.

    In der Türkei haben sich alle über diese Bilder kaputt gelacht, auch die Leute, die in Deutschland geboren sind, aber türkischen Hintergrund haben. Aber die sogenannten Deutschtürken hier, die nicht so oft in die Türkei fahren, die hatten größere Probleme damit. Und das fand ich interessant, dass die Wahrnehmung in der Türkei teilweise anders ist als die Wahrnehmung in Deutschland auf die Türkei, auch von türkischer Seite. In der Türkei hatte niemand ein Problem damit, da fanden es alle lustig.

    Ute Wegmann: Das Zweite Buch, eingangs erwähnt, Polymeer, eine hochinteressante, sachlich-fundierte, gesellschaftlich engagierte und dabei trotzdem amüsante Geschichte über die Umweltverschmutzung der Meere war auch auf den "Besten 7" des Deutschlandfunk vertreten.
    Ich verkürze, worum es da geht: Wir schreiben das Jahr 2043, die Pole sind geschmolzen, ein Holländer überlebt auf dem Plastikmüllteppich, der im Nordpazifik schwimmt, während die anderen Holländer in die Schweiz evakuiert wurden. Aber die Holländer halten das nicht aus mit den Bergen, wollen wieder ans Meer und ziehen auf den Müllteppich, der zu einem neuen Kontinent wird. Wie entstand die Idee?

    Alexandra Klobouk: Ich musste mein Diplom machen und musste erstmal ein Thema finden. Und ich hatte das große Glück, mit "Istanbul scharfe Soße" wahrgenommen zu werden. Aber ich habe gedacht, wenn ich jetzt das Gleiche wieder mache, dann muss ich das immer so machen. Also beschloss ich, mir ein ganz anderes Thema und eine andere Technik zu suchen.

    Und so habe ich überlegt zu Wasser zu arbeiten, weil ich Wasserdarstellung spannend finde. Das ist ziemlich schwierig, weil man ja zweidimensional auf dem Papier ein flüssiges Medium darstellen muss. Ich habe angefangen zu Wasser zu lesen und kam dann ganz schnell in eine politische Richtung, weil Wasser ein Politikum ist. Und dabei stieß ich in meiner Recherche auf die Tatsache, dass es einen riesigen Plastikstrudel im Nordpazifik gibt, in dem geschätzte 100 Millionen Tonnen Plastik zirkulieren. Das erschien mir so absurd, das klang für mich wie Science-Fictoion, dass ich dachte, das kombiniert mit den anderen Tatsachen, die ebenfalls wie Science-Fiction klingen, dass die Pole schmelzen und das Meer steigt und Holland und niedrige andere Länder verschwinden, ist doch eigentlich eine Geschichte, die man sich in den 60er-Jahren hätte ausdenken können. Und so kam ganz schnell die Idee mit dem Plastikkontinent. Und dass das ein Holländer erfindet, weil die Holländer ganz findig sind und sich jetzt schon Gedanken machen. So kam es zu der Geschichte, dann musste ich mich noch an der Umsetzung abarbeiten, weil die komplett anders war als alles, was ich vorher gemacht hatte.

    Ute Wegmann: Das Cover hat eine schwarze, imposante Welle, die einem förmlich entgegen schwappt, versehen mit neonfarbenen Elementen, dem Plastikmüll, um den es ja geht in dem Buch. Sie haben ja schon gesagt, Sie haben anders gearbeitet, malerischer, sie haben collagiert. Welche Materialien haben Sie verwandt?

    Alexandra Klobouk: Eigentlich alles, was mir untergekommen ist. Ich hab mit Acryl gearbeitet, mit Tusche, ich habe aus Ikea-Katalogen und Wurfsendungen Plastikteile ausgeschnitten, Tomatennetz eingeklebt oder Klarsichtfolie, alles übereinandergeklebt. Eigentlich ist das Buch in Schwarzweiß gehalten und nur das Plastik ist bunt, da aber immer mehr Plastik dazukommt, wird das Buch immer bunter. Ich habe alles, was mir in die Finger kam, benutzt und sogar meinen eigenen MÜll durchwühlt, um es möglichst real zu halten.

    Ute Wegmann: Ich finde dieses Buch nachhaltig aufrüttelnd. Es gibt ja am Ende des Buches noch eine Doppelseite mit den richtigen Fakten, die kein Science-Fiction sind, sondern Realität. Und man überlegt nach der Lektüre zweimal, ob man etwas Plastikähnliches kauft. Dabei ist dieses Buch überhaupt nicht streng, sondern eher lustig, wenn man bedenkt, wie die Holländer aus der Schweiz abziehen, weil sie die Berge nicht aushalten.

    Nun hat dieses Buch einen Untertitel: Eine apokalyptische Utopie. Die Apokalypse als Metapher des Weltuntergangs, die Utopie als eine Wunschgesellschaft, einen Nicht-Ort. Was in der Geschichte ist Apokalypse und wo beginnt die Utopie?

    Alexandra Klobouk: Die Apokalypse ist der Weltuntergang für meinen holländischen Protagonisten, weil der steht am Anfang auf seinem Leuchtturm, er ist der letzte Holländer, alle anderen sind schon weg. Und er wird durch einen Tsunami von seinem Leuchtturm geschwappt, also das ist das Ende seiner Welt.

    Er gibt aber nicht auf, wie die Menschen so sind. Er ist findig und ideenreich. Und er denkt sich eine neue Welt aus und das ist der utopische Ort, der zwar auf einem Müllberg entsteht und natürlich auch auf Fisch- und Vogelresten, weil sie das Plastik gefressen haben, aber in dem Buch wird großzügig darüber hinweggegangen, dass es ein Müllberg ist. Man macht alles schön platt, pflanzt schön an und es erscheint wunderbar. Das ist natürlich sehr ironisch oder gar sarkastisch, weil nichts wunderbar ist. Ein scheinbares Happy-End, die Utopie ist geglückt und am Schluss geht die Geschichte unter und was man sich ausgedacht hat, hat nicht funktioniert.

    Wenn es eine Moral der Geschichte geben soll, dann: Ganz so einfach kann es ja auch nicht sein. Aber ganz ehrlich, bin ich nicht jemand, der denkt in 20 Jahren geht die Welt unter. Ich bin optimistisch, dass man Mittel und Wege findet. Aber das darf nicht so einfach sein, wie das, was ich mir ausgedacht habe.

    Ute Wegmann: Es gibt jetzt ein neues Buch: "Der Isalm - Für Kinder und Erwachsene". Ein Buch von Lamya Kaddor und Rabeya Müller, zwei Islamwissenschaftlerinnen und islamische Religionspädagoginnen. In elf Kapiteln erklären die beiden Autorinnen die Grundlagen des Islam mit allen Details: Fünf Säulen, Moscheen, Koran, Scharia, Muhammed, das Verständnis von Männern und Frauen, und Islamkritik.

    Dazu gibt es jetzt Ihre Bilder. Vignetten, Einzelbilder, Doppelseiten, Comicstrips. Und viele Texte sind handgelettert. Sie bebildern Rituale, die Waschung, das Gebet, sodass vieles nachvollziehbar ist. Und da erkennt man ihren ganz speziellen Blick auf die Welt generell, denn es hat etwas sehr Leichtes und Amüsantes. Darf man über denn den Islam so amüsant zeichnen?

    Alexandra Klobouk: Der C.H.Beck Verlag hat mir eine schöne Gelegenheit eingeräumt, mich auf drei Seiten am Ende des Buches dazu zu äußern, zu dem Thema, darf man den Islam zeichnen. Da begegnet man ganz schnell wieder einem Halbwissen. Bisher ist mir diese Frage immer nur von Nicht-Muslimen gestellt worden.

    Ute Wegmann: Meine Frage war allerdings, darf man ihn so amüsant zeichnen?

    Alexandra Klobouk: Ich glaube, das ist Interpretationssache. Ich hab meine eigene Herangehensweise, mich mit Themen auseinanderzusetzen, indem ich sie mir aneigne, mich begeistere. Und grundsätzlich finde ich die islamischen Rituale wahnsinnig spannend und sehr alltagsverbunden. Ich bin keine Muslima, aber ich denke, wenn man den Islam mit Liebe lebt, dann macht das auch Spaß, dann ist das keine bitterernste Geschichte, sondern etwas, das sich ins Leben integriert. Es können wunderschöne Rituale sein und ich sehe nicht, warum man sich immer mit einer großen Distanz und Angst einer Sache nähern muss. Ich glaube, wenn man sich dem liebevoll, interessiert und neugierig und fragend nähert, dann kann viel mehr Diskussion und Austausch und Lernen voneinander stattfinden, als wenn man sich dem didaktisch nähert oder man Angst hat, jemandem auf den Fuß zu treten.

    Ute Wegmann: Das ist auf jeden Fall etwas, das ihre Bilder vermitteln, den Spaß, die Religion im Alltag zu leben. Es gibt ein Bild, über das stolpert man. Man weiß, dass man Muhammeds Gesicht nicht zeigen darf. Sie haben das verdeckt mit einem blühenden Ast, dafür haben Sie aber das Pferd mit einem Frauengesicht versehen. Das habe ich für mutig gehalten.

    Alexandra Klobouk: Das ist lustigerweise gar nicht mutig. Ich habe mich dabei an eine muslimische Vorgabe gehalten. Also dieses Bild ist Muhammed im Paradies und in der Hölle, er ist dabei auf einem fliegenden Pferd geritten. Das ist die Geschichte aus dem Koran. Das ist eine mongolische oder aus dem asiatischen Raum kommende Darstellung, wo das Pferd mit einem Frauengesicht dargestellt wird. Und auch das Paradies, noch mehr meine eigene Interpretation, hält sich an die Vorgaben und auch die Hölle hält sich an Vorgaben, von denen wir nur oft nichts wissen.

    Ute Wegmann: Das heißt sie haben viel recherchiert?

    Alexandra Klobouk: Ich habe mindestens so viel recherchiert wie gezeichnet. Das ist auch dem Verlag zu danken, weil ich das Manuskript in einem frühen Stadium bekommen habe, aber ich als Nicht-Muslima kannte die Traditionen nicht gut genug. Und bin keine Expertin. So habe ich den Verlag gefragt, ob ich da selber recherchieren durfte. Der Verlag hat mir die Möglichkeit gegeben, mich als Rechercheuse genauso zu betätigen wie als Erzählerin und als Zeichnerin.

    Ute Wegmann: Nun sind Sie gerade zurück von einem Stipendiatenaufenthalt in Lissabon. Was haben Sie von dort mitgebracht?

    Alexandra Klobouk: Ich habe gleich drei Projekte mitgebracht. Das nächste ist das Kochbuch der portugiesischen Küche, natürlich wieder mit kulturellen Hintergrundinformationen. Und ich glaube, das wird ein ganz schönes Projekt.

    Ute Wegmann: Ich bedanke mich bei Alexandra Klobouk für das Gespräch.

    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.

    Buchinfos:
    • Istanbul, mit scharfe Soße?, Onkel & Onkel, 80 Seiten

    • Polymeer. Eine apokalyptische Utopie, Onkel & Onkel, 32 Seiten

    • Der Islam, von Lamya Kaddor und Rabey Müller. C.H. Beck Verlag, 175 Seiten.

    Alle genannten Titel sind illustriert von Alexandra Klobouk.