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Schwulsein in der Firma

Bei der Volkswagen Bank Financial Services hat sich die Situation für homosexuelle Mitarbeiter sehr verändert. Vor zehn Jahren wurde über das Thema nicht öffentlich gesprochen. Heute sponsort die Firma ein schwul-lesbisches Kulturfest in Braunschweig.

Von Susanne Schrammar |
    Als Jürgen Bittner vor zehn Jahren bei seinem Arbeitgeber, der Volkswagen Bank Financial Services anklopfte, ob das Unternehmen nicht das Braunschweiger schwul-lesbischen Kulturfest sponsern wolle, hieß es zunächst: Das haben wir bisher immer abgelehnt. Dann aber wurde der offen homosexuell lebende Personalentwickler zum Vorstand gerufen. Und der teilte überraschend mit: Die Bank wird sogar Hauptsponsor.

    " Und ich hätte doch gesagt, ich wäre nicht der einzige dort in der Firma, ob wir als Schwule und Lesben nicht auch Interesse hätten, auf diesem Fest dabei zu sein – mit einem Paradewagen, mit einem Stand. Ob wir uns nicht als Interessenvertretung organisieren würden? Das würde gerne gesehen und würde ebenfalls finanziell unterstützt. Ich sag Ihnen: Das war damals wie Weihnachten! Denn, man darf nicht vergessen, das ist jetzt zehn Jahre her. Das war noch nicht so selbstverständlich."

    Heute gehört das Thema "Sexuelle Orientierung" ganz selbstverständlich zum Diversity Management des Unternehmens und es gibt "queer direkt", eine Betriebsgruppe, in der etwa zwei Dutzend homosexuelle Bankmitarbeiter organisiert sind. Ein Beispiel mit Seltenheitswert in der deutschen Wirtschaft. In einer aktuellen Studie hat der Völklinger Kreis, der Bundesverband schwuler Führungskräfte, zwar festgestellt, dass die sexuelle Orientierung von Arbeitnehmern zwar häufiger thematisiert wird als noch vor Jahren, aber weiterhin unterrepräsentiert ist. Von 97 befragten Unternehmen und öffentlichen Arbeitgebern gab nur jeder zweite an, das Thema "im Rahmen des Diversity Managements zu berücksichtigen.

    " Erstmal spielen die Themen Alter, Herkunft, Geschlecht eine ganz große Rolle, auch das Thema Behinderung. Erst dann kommt – mit ganz großem Abstand das Thema "sexuelle Orientierung", dahinter liegt nur das Thema "Religion und Weltanschauung."

    Zur Begründung, sagt Albert Kehrer, Vorstandsmitglied im Völklinger Kreis, heißt es oft: "Wir haben mit Homosexualität im Betrieb nie Probleme gehabt" oder "Es gab bisher einfach keine Notwendigkeit für Aktionen". Wie oder wen jemand liebt, wird in vielen Firmen als Privatsache angesehen. Dabei ließen sich Beruf und Privatleben gar nicht trennen.

    "Ganz viele Heterosexuelle haben eben das Familienbild auf dem Schreibtisch in der Arbeit stehen, erzählen am Montag, was sie am Wochenende mit Familie und Kindern gemacht haben und das kann der Schwule nicht, wenn es keine offene Unternehmenskultur gibt. Wenn Sie zehn oder 20 Prozent Ihrer Energie darauf verwenden, nicht zu erzählen, wer Sie sind, dann kostet es sehr viel Energie, die sie nicht mehr für die Arbeit einsetzen können."

    Ein Betriebsklima schaffen, in denen Homosexuelle frei und in Würde arbeiten können – Unternehmen müssten allein schon deshalb ein Interesse daran haben, weil sich das volle Potential der Mitarbeiter nur so ausschöpfen lasse, sagt Kehrer. Und wenn alle die gleichen Rechte haben. Also, Sonderurlaub nicht nur für heterosexuelle Hochzeitspaare, sondern auch, wenn sich gleichgeschlechtliche verpartnern oder eine betriebliche Altersversorgung, die auch für die lesbische Ehefrau gilt.

    "Dann unterstützt man Mitarbeiternetzwerke, wo sich Leute gegenseitig austauschen können und man versucht letztendlich in allen Beförderungsprozessen eben nicht nur Frauen zu fördern, sondern eben eine Vielfalt von Mitarbeitern in jedem Beförderungspool zu haben, um damit letztendlich Motivation zu schaffen, um die besten Talente nach oben zu bringen."

    "Offenheit als Prinzip leben" - Bei Volkswagen Financial Services in Braunschweig können Mitarbeiter zehn Jahre nach Einführung des Diversity Managements ihre Homosexualität heute als Selbstverständlichkeit leben, sagt Personalcoach Jürgen Bittner. Die Unternehmensleitung finanziert zum Beispiel auch Workshops und unterstützt den Erfahrungsaustausch schwul-lesbischer Mitarbeiter.

    "Dass wir für etwas kämpfen müssen, eintreten müssen, sehen wir nicht so. Wir sind einfach da. Wir werden zum Beispiel, wenn der Welcome Day ist, es kommen neue Leute zu uns, da wird auch gesagt: Es gibt diese Gruppe, dass gerade auch neuen Mitarbeitern klar wird, was für ein Klima bei uns herrscht."

    In vielen deutschen Unternehmen spiele das Thema Homosexualität jedoch weiterhin kaum eine Rolle: in keiner einzigen daxnotierten Gesellschaft habe sich zum Beispiel ein Topmanager geoutet, bedauert Albert Kehrer vom Bundesverband schwuler Führungskräfte.