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Sicherheitsarchitektur auf dem Prüfstand

Der Krieg zwischen Russland und Georgien hat innerhalb der NATO tiefe Gräben sichtbar werden lassen. Während die einen Mitgliedsländer scharfe Töne gegenüber Moskau anschlugen, warnten die anderen vor einer weiteren Konfrontation. Der Konflikt hat in Bezug auf die NATO vor allem eins gezeigt: Das Verteidigungsbündnis braucht ein neues Konzept, das der geopolitischen Lage Rechnung trägt.

Von Rolf Clement | 22.08.2008
    Der Krieg in Georgien hat die NATO aufgeschreckt. Die strategische Ausrichtung der Allianz steht seit Jahren unter Anpassungsdruck - weg von den alten sicherheitspolitischen Konstanten, hin zu neuen Herausforderungen. Lord Robertson, der Generalsekretär der NATO in den späten 1990er Jahren, formulierte schon damals, dass bei der Beschreibung künftiger Sicherheitsrisiken nicht mehr Landesgrenzen bedeutsam seien, sondern Zitat: Fähigkeiten und Absichten potentieller Gegner.

    Die Grundaufgabe der NATO, die Sicherung der territorialen Integrität der Mitgliedsstaaten, sollte also nicht mehr vorwiegend durch Grenzsicherung gewährleistet werden. Vielmehr ging es dem Bündnis fortan um eine Mischung aus Raumdeckung und Bekämpfung möglicher Krisenursachen.

    Das aktuelle Handlungsspektrum der NATO ist sehr breit: Sie führt Friedensoperationen wie Kampfhandlungen in Afghanistan durch. Sie ist daran beteiligt, den Frieden im Kosovo abzusichern. Sie ist mit von der Partie, wenn in Bosnien-Herzegowina eine Armee nach dem Modell der NATO-Staaten aufgebaut wird. Sie ist im Mittelmeer daran beteiligt, durch Patrouillen zu verhindern, dass dort terroristische Gruppen verkehren können. Sie leistet der Afrikanischen Union Hilfe beim Transport von Truppen in die sudanesische Krisenregion Darfur. Sie bildet irakische Truppen aus. Von humanitären Einsätzen wie beim Erdbeben in Pakistan im Jahr 2005 ganz zu schweigen.

    Eine dieser Missionen ist die sogenannte "UNOMIG", die seit 1993 zur Überwachung des Waffenstillstands zwischen georgischen Regierungstruppen und abchasischen Separationsbewegungen eingesetzt ist. Diese ist zwar nicht von der NATO mandatiert, sondern von der UNO, aber NATO-Staaten sind daran beteiligt. Auch Deutschland. So sind in Abchasien zurzeit zwölf Sanitätssoldaten der Bundeswehr und drei Militärbeobachter im Einsatz. Von der deutschen Öffentlichkeit weitgehend unbeachtet kam in diesem Einsatz schon 2001 ein deutscher Bundeswehrarzt ums Leben, als ein ukrainischer Hubschrauber von einer der Konfliktparteien abgeschossen wurde. Er war der erste Angehörige der Bundeswehr, der bei Kämpfen zu Tode kam. Als die Kampfhandlungen von Südossetien auf Abchasien übergriffen, wurden die jetzt in Abchasien stationierten Soldaten, dem Vernehmen nach, sofort in sichere Unterkünfte gebracht, so dass für alle Beteiligten klar war, dass diese Truppe nicht in Kämpfe eingreifen würde.

    Die jeweiligen Bedürfnisse der Teilnehmer an Auslandseinsätzen stellen die NATO durchaus vor Probleme. Das Bündnis versucht, seine Streitkräftestruktur so auszurichten, dass es die ganze Bandbreite der militärischen Optionen abdecken kann. US-Verteidigungsminister Gates wird nicht müde, zu fordern:

    "Wir dürfen und können nicht eine zweigeteilte Allianz werden mit Staaten, die bereit sind, zu kämpfen, und solchen, die dazu nicht bereit sind. Eine solche Entwicklung mit all ihren Auswirkungen auf die kollektive Sicherheit würde am Ende die Allianz zerstören."

    NATO-Generalsekretär Jaap de Hoop Scheffer sieht das ähnlich:

    "Wir brauchen Streitkräfte, die fern von zu Hause das gesamte Spektrum von Peacekeeping bis zum Kampfeinsatz abdecken können. Und wenn ich sage wir, dann meine ich als Generalsekretär natürlich alle Verbündeten. In einer Allianz, in der alle füreinander da sind, kann es keine Arbeitsteilung geben, bei der sich die einen auf das Kämpfen und die anderen auf die Konfliktnachsorge spezialisieren. Jeder muss alles können."

    Das betrifft das militärische Rüstzeug. Der Krieg in Georgien zwingt die NATO, nun sehr schnell Antworten auf politische Fragen zu geben, die man eigentlich erst mit einem neuen strategischen Konzept beantworten wollte, das vielleicht im kommenden Jahr entstehen könnte.

    Die jetzt entstandene Lage hat allen vor Augen geführt, dass altes geopolitisches Denken und die Vorstellung von Interessensphären für die Großmächte in Russland neue Urstände feiert. Die NATO muss sich damit der Frage stellen, wie sie sich auf diese Politik der unterschiedlichen Interessensphären einstellt.

    So ist die NATO nun gezwungen, ein schwerwiegendes Problem schnell lösen zu müssen. Nicht zuletzt die neuen NATO-Mitglieder achten sehr genau auf das Verhalten ihrer Bündnispartner in dieser Situation. Viele von ihnen, vor allem die baltischen Staaten, leben in der Befürchtung, dass ihnen das auch passieren kann, was Georgien geschehen ist. Die Staatschefs von vier Bündnispartnern – Polen, Litauen, Lettland und Estland – sind sofort zu Solidaritätsbekundungen nach Tiflis gereist – ein Zeichen an Georgien, aber auch an die übrigen NATO-Verbündeten. Denn vor allem die baltischen Staaten haben Zweifel bekommen, ob die NATO ihnen wirklich hilft, wenn es in ihrer Region zu ähnlichen Auseinandersetzungen kommen sollte.

    Wenn man einmal einen Moment lang überlegt, was geschehen wäre, wenn Georgien bereits Mitglied in der NATO wäre, dann wird deutlich, wie gefährlich die Kriegstage von Georgien waren und worum es den Neuen im Bündnis geht: Hätte Georgien bereits dazugehört, wäre die NATO zum Beistand verpflichtet gewesen. Das wäre dann die Nagelprobe für die Ernsthaftigkeit der Beistandspflicht gewesen. Würde die NATO wegen eines Konflikts mit Georgien einen Krieg mit der Nuklearmacht Russland riskieren, von der viele NATO-Staaten zudem noch in Energiefragen abhängig sind?

    Für viele der neuen NATO-Mitglieder ist die Beistandsgarantie vor allem der USA der Hauptgrund für den Beitritt zur Allianz gewesen. Sie wollten sich nicht in erster Linie mit den europäischen Partnern sicherheitspolitisch verbünden – dafür hätte der EU-Beitritt ausgereicht -, es ging ihnen um diese Sicherheitsgarantie durch die Nuklearmacht USA. So schauen die mittel- und osteuropäischen Beitrittsstaaten jetzt sehr genau auf die Reaktion des Bündnisses. Jaap de Hoop Scheffer, der NATO-Generalsekretär, hat dies schon vorausgesehen, als er im Frühjahr auf der Kommandeurtagung der Bundeswehr meinte:

    "Es gibt einige wichtige Fragen, die wir besprechen müssen. Wie sollte Artikel 5, die Beistandspflicht, im 21. Jahrhundert gesehen werden? Was ist die richtige Mischung zwischen Auslandseinsätzen und dem Schutz unserer Bevölkerung zu Hause? Wie steht es um die Zukunft der Partnerschaften, die die NATO eingegangen ist? Viele weitere wichtige Themen stehen an. Ich kenne die NATO jetzt gut genug, dass ich weiß: Sie ist stark genug, um diese Debatten zu führen und dann gestärkt aus ihnen hervorzugehen."

    De Hoop Scheffer griff damit die seit Jahren laufende interne Debatte in der NATO darüber auf, ob ein neues strategisches Konzept nötig ist. Skeptiker wenden ein, dass die NATO-Staaten sich auf ein solches neues Konzept kaum einigen können, der Versuch, ein solches zu entwerfen, würde zu einer Auflistung der Meinungsverschiedenheiten führen. Johannes Varwick, Politologe an der Universität Kiel, weist darauf hin, dass es keine Einigung in der Allianz über die Art und die Intensität der Bedrohungen gibt, und dass Strukturprobleme hinzu kommen, weil die NATO in den außenpolitischen Erwägungen vieler Mitgliedstaaten nicht die erste Priorität hat.

    "Man hat den Eindruck, dass durch die neuen Aufgaben der NATO sich der Konsens, was die NATO gemeinsam machen will und machen kann, etwas aufgelöst hat, und in den einzelnen Einsätzen, die die NATO macht, haben wir ständig das Problem, dass die gemeinsame Willensbildung unendlich schwierig zu bewerkstelligen ist."

    Das geopolitische Interesse der NATO an Georgien steht im Zusammenhang mit den Rohstoffen in der Region und den Pipelines, die durch das Land führen. Damit ist es für die Energieversorgung des Westens von Bedeutung. Und damit rückt eine zentrale Frage eines künftigen NATO-Konzeptes in den Fokus, die der NATO-Generalsekretär auf den Punkt bringt, wenn er sagt:

    "Ein Beispiel ist die Verwundbarkeit unserer Energie-Infrastruktur. Kann die NATO hier unter bestimmten Umständen Schutzfunktionen übernehmen, und wenn ja, welche?"

    Die Reaktion der NATO auf den Georgien-Krieg macht deutlich, dass sie die Energieversorgung als schützenswertes Gut im Sinne des NATO-Vertrags ansieht. Ansätze dafür stehen schon in jenem Konzept, das die NATO 1999, beim 50. Jahrestag der Gründung, beschlossen hat.

    Schon damals wurden Energiefragen in den Katalog der Interessen aufgenommen. Und deshalb auch hat die NATO Interesse an Georgien erkennen lassen. Das zeigt sich an der klaren Position der Allianz zu den Konflikten in Georgien, aber auch an dem auf dem April-Gipfel in Bukarest beschlossenen Passus, dass Georgien – wie auch die Ukraine – Mitglied der NATO werden, nicht werden können, sondern werden! Diesen Satz hat die NATO in den letzten Tagen wiederholt, auch Bundeskanzlerin Merkel hat diese Position am vergangenen Wochenende in Tiflis vertreten, immer allerdings ohne eine konkrete Zeitperspektive und ohne die Antwort auf die Frage nach Beitrittsbedingungen. Und auch Generalsekretär de Hoop Scheffer hat diese Frage nach den Konditionen für einen Beitritt Georgiens zur NATO am Dienstag in Brüssel nicht beantwortet.

    Die politische Diskussion geht jedoch deutlich über den Fall Georgien hinaus. Sie strahlt in die gesamte Kaukasus-Region aus und zwingt die Allianz, ihre Interessen dort deutlich stärker zu artikulieren, als dies vor dem Georgien-Krieg nötig war. Vor dem Krieg gehörte Georgien in die Kategorie Regionalpolitik und wurde in der NATO auf einer niedrigeren Reizebene behandelt.

    Die Allianz hat seit langer Zeit zu den beiden Konflikten in Georgien – den in Südossetien wie dem in Abchasien - eine Position, die Generalsekretär de Hoop Scheffer nach der Sondersitzung der NATO-Außenminister am vergangenen Dienstag nochmals betont hat:

    "Die Minister haben die volle Unterstützung für die territoriale Integrität und Souveränität der Republik Georgien bekräftigt und wiederholt. Wir haben hier über ein souveränes Land, Georgien, gesprochen, das sollte man nicht vergessen."

    Diese Position deckt sich mit dem völkerrechtlichen Grundsatz, dass Grenzen nur im Einvernehmen aller Beteiligten verändert werden können – ein Grundsatz, den die NATO übrigens im Kosovo nicht beherzigt hat. Die Position zu Georgien hat der NATO-Rat schon vor den Kampfhandlungen vertreten. Die NATO hat Russland aufgefordert, den Vorkriegszustand wieder herzustellen. Bis dahin, so die Außenminister der Allianz, wird der NATO-Russland-Rat nicht mehr tagen. Generalsekretär de Hoop Scheffer:

    "Wir geben den NATO-Russland-Rat nicht auf, aber solange russische Truppen einen großen Teil Georgiens besetzt halten, kann ich nicht erkennen, dass der NATO-Russland-Rat zusammentritt, auf welcher Ebene auch immer. Aber ich will auch deutlich machen, dass wir nicht alle Türen der Kommunikation mit Russland zuschlagen wollen. Doch das, was in Zukunft geschieht, hängt davon ab, was die russische Seite nun tut."

    Der NATO-Russland-Rat wurde 1997 gegründet, als die NATO ihre erste Erweiterungsrunde mit Staaten aus dem ehemaligen Warschauer Pakt beschloss. Mit Russland sollte damit eine besondere Form der Zusammenarbeit begründet werden, um Moskaus Protest gegen die Ost-Erweiterung abzumildern. Später wurde dem zunächst nur als Beratungsgremium gedachten Rat eine Entscheidungsfunktion in Fragen von gemeinsamen Interessen zugewiesen.

    Nun also soll dieser Rat erst einmal nicht mehr tagen. Russland hat mittlerweile alle weiteren gemeinsamen Aktionen mit der NATO für dieses Jahr abgesagt. Man könne jetzt nicht zu "Business as usual" übergehen, meinte NATO-Generalsekretär de Hoop Scheffer. US-Außenministerin Rice sagt, Russland sei selbst Schuld an der Lage:

    "Die Vereinigen Staaten wollen Russland nicht isolieren. Die USA haben einen strategischen Rahmen für die Zusammenarbeit mit Russland, in dem alles enthalten ist: von der wirtschaftlichen Zusammenarbeit zur politischen Zusammenarbeit, kulturelle Zusammenarbeit, auch Angebote der Verteidigungszusammenarbeit. Wir wollen Russland nicht isolieren. Durch sein Verhalten in dieser jüngsten Krise isoliert sich Russland von den Prinzipien der Zusammenarbeit der Gemeinschaft der Staaten, durch Einmarsch bei kleinen Nachbarn, Bombardieren von ziviler Infrastruktur, wenn man in Dörfer geht und dort Zerstörungen herbeiführt, das isoliert Russland."

    Die Situation ist für die NATO prekär. Denn: Russland hat mit diesem Krieg seine Ziele erreicht: Es hat sich als Macht zurückgemeldet, die militärisch operationsfähig ist. Es hat deutlich gemacht, dass es seine Einflusssphäre wieder verteidigt, dass es seine Claims abgesteckt hat. Es hat die NATO in die Defensive gedrängt, so stark, dass innerhalb der Allianz Fragen der Glaubwürdigkeit aufgeworfen werden.

    In der NATO sehen das verschiedene Staatengruppen unterschiedlich. Da sind die Staaten Mittelosteuropas, die der Allianz neu beigetreten sind und die sich in unterschiedlichem Maße noch im Einflussbereich Russlands fühlen. Diese Gruppe reagiert alarmiert und will jede freundliche Zusammenarbeit mit Russland erst einmal einfrieren, erwartet vor allem aber eine klare Unterstützung aus der Allianz. Die USA sind bereit, diese Unterstützung zu gewähren. Außenministerin Rice:

    "Unser Beschluss ist eine klare Stellungnahme, dieses Bündnis, die NATO, die so weit gekommen ist nach dem Ende des Kalten Krieges und dem Zusammenbruch der Sowjetunion bei dem Bemühen, ein Europa zu erreichen, das ungeteilt, frei und friedlich ist, wird es nicht erlauben, dass eine neue Linie gezogen wird in Europa, eine Linie zwischen jenen, die schon das Glück hatten, in die transatlantischen Strukturen aufgenommen zu werden, und jenen, die noch hoffen, dorthin zu geraten."

    Die alten NATO-Staaten in Europa, und besonders der deutsche Außenminister, schätzen die Notwendigkeit einer Zusammenarbeit mit Russland höher ein. Frank-Walter Steinmeier:

    "Wenn der Abzug der russischen Truppen, wie im Waffenstillstandspapier vorgesehen, stattgefunden hat, dann muss man darüber nachdenken, ob das nicht auch Zeit für einen NATO-Russland-Rat sein könnte."

    Von daher ist es nur zu verständlich, dass die neuen NATO-Staaten den USA offen Beifall klatschen: Zum einen sind sie der Garant der erwünschten Sicherheitsgarantie durch die NATO, zum anderen sind sie – zumindest bei der gegenwärtigen Administration – am ehesten geeignet, die eigenen Befürchtungen zu zerstreuen. Wenngleich die NATO dennoch nicht nur nach den Vorgaben aus Washington handelt, so spielen die USA doch eine starke Rolle innerhalb der Allianz, was der Politologe Johannes Varwick nicht unbedingt als Nachteil ansieht:

    "Man wird sicherlich sagen können, dass gegen die USA im Bündnis überhaupt nichts geht, weil die USA einfach die politisch und auch militärisch dominierende Macht in der NATO sind. Ich würde das aber nicht zwingend als Problem sehen, weil natürlich viele internationale Organisationen darunter leiden, dass keine klare Führung ausgeübt wird."

    Russland verhält sich - auf seine Art - ähnlich. Es macht unverblümt deutlich, was es als störend empfindet, sagt aber augenzwinkernd, dass die gegenwärtig agierenden Politiker eigentlich ganz brauchbar sind. Der russische Außenminister Sergej Lawrow:

    "Natürlich haben wir registriert, dass auf dem Territorium der neuen NATO-Mitgliedstaaten neue militärische Infrastrukturen entstehen, sich Patrouillenflüge der Luftstreitkräfte intensivieren, neue Flugplätze gebaut werden, ausländische Militärbasen entstehen. Zwar hören wir, dass die NATO-Erweiterung nicht gegen Russland gerichtet sei, und was die heutigen Politiker im Westen angeht, glauben wir das auch. Aber ich darf an das Bismarck-Zitat erinnern: Bei der Militärpolitik zählt nicht die Absicht, sondern das Potential."

    Für die Diskussion um das neue strategische Konzept muss die NATO sich nicht nur entscheiden, wie sie auf die wieder erwachte geopolitische Debatte und die Zusammenarbeit mit Russland reagiert, sondern sie muss sich auch darauf festlegen, welche Themen sie als sicherheitsrelevant ansieht. Dabei muss die NATO vielleicht "zurückdenken": Die alten Konfliktlinien treten wieder zutage, wenn auch in einem neuen Gewand. Trotzdem bleiben die Aufgaben, denen sich die Allianz in den letzten beiden Jahrzehnten zunehmend gewidmet hat. Der Politologe Johannes Varwick:

    "Die NATO ist sicherlich für globale Stabilität mitverantwortlich. Sie ist eines der wenigen Bündnisse, die überhaupt zu schlagkräftigen Militäroperationen im vollen Spektrum in der Lage ist."

    Die Tagesordnung für die NATO muss also neu geschrieben, um einige Punkte erweitert werden. Orientierte sich die sicherheitspolitische Debatte vor 1989 an klaren Fronten, war sie in den letzten Jahren ausgerichtet an asymmetrischen Herausforderungen, so könnte jetzt beides zusammen die nächste, die neue Strategie der NATO prägen. Lord Robertson, der Generalsekretär des Bündnisses um die Jahrtausendwende, formulierte damals bereits eine Leitlinie für das Handeln der Weltgemeinschaft, die noch wie ein Vermächtnis von hoher Aktualität klingt:

    "Wir haben einen gemeinsamen Feind irgendwo da draußen – ob in New York oder Moskau, die Menschen wissen das und fühlen es, und sie erwarten von uns, dass wir handeln. Der 11. September hat den Tod über Tausende von Menschen gebracht aber auch eine Botschaft an die Führer der demokratischen Welt, Lösungen zu finden, und zwar gemeinsame Lösungen."