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Sizilien
Das Elend afrikanischer Olivenpflücker

Olio Extra Vergine aus Sizilien verkauft sich auch in Deutschland gut. Damit es auch billig in den Supermarktregalen stehen kann, arbeiten afrikanische Olivenpflücker unter menschenunwürdigen Bedingungen - eine Veränderung ist nicht in Sicht.

Von Karl Hoffmann | 26.11.2015
    Blick auf Olivenbäume in der Toskana, aufgenommen im Oktober 2005.
    Oliven: In Sizilien werden sie zu Magerlöhnen gepflückt. (dpa picture alliance / Paul Mayall D2513)
    Nocellara heißt die Olivensorte, die im Südwesten Siziliens geerntet wird. Giovanni Isgrò ist stolz auf die runden grünen Früchte, die seine Ölmühle in Campobello di Mazara zum begehrten Olio Extra Vergine, dem jungfräulichen Olivenöl verarbeitet:
    "Schauen sie nur, wie sauber die gepflückt sind. Da sind keine Blätter drunter - sind sie nicht wunderbar?"
    Kistenweise lädt der Gabelstapler die Oliven in das Mahlwerk. Zweieinhalb Tonnen schluckt die Mühle in der Stunde. Und so verschwindet auch das sichtbare Zeichen mühevoller Handarbeit hunderter Erntehelfer.
    "Für die Ernte werden ausschließlich Arbeiter aus Afrika eingesetzt. Denen hat die Gemeinde jetzt endlich Räumlichkeiten zur Verfügung gestellt, das ist schon ein Fortschritt. Jetzt haben sie wenigstens einen Ort wo sie schlafen und sich waschen können, da sind sie bestimmt besser aufgehoben."
    Jahrelang unter unsäglichen Bedingungen
    Jahrelang hatten die die unverzichtbaren Erntehelfer unter unsäglichen Bedingungen hausen müssen, bestätigt Angelo Giorgi:
    "Sie mussten unter freiem Himmel leben in der Nähe des Armenviertels von Campobello. Sie haben sich Hütten und Kochherde aus weggeworfenen giftigen Asbestplatten zusammengezimmert. Diese Lage haben wir immerhin etwas verbessern können."
    Um diese Zustände zu beenden, hat Sozialarbeiter Giorgi mit einigen freiwilligen Helfern die Gemeindeverwaltung überredet, ein beschlagnahmtes Industriegelände, das einem Mafiaboss gehörte, freizugeben. Ein kleines Bürogebäude, eine leere Lagerhalle und davor ein großes asphaltiertes Areal, auf dem nun hunderte von kleinen Plastikzelten stehen, eingebettet in Müll und zum Trocknen aufgehängte Hemden und zerrissenen Jeans, praktisch unsichtbar und abseits am Ortsrand von Campobello gelegen. Stolz ist Angelo auf die Duschen und Toiletten, die die Gemeinde nach langen Verhandlungen in einer Holzbaracke installiert hat. Aber damit hat sich Lage der Erntearbeiter kaum verbessert.
    "Wir haben immer noch kein warmes Wasser und es fehlen ein paar größere Gemeinschaftszelte, in denen mehr Menschen schlafen können. Darum kämpfen wir zur Zeit noch."
    700 Menschen in bedrückender Enge
    700 Menschen, vorwiegend aus Ghana und Senegal leben in bedrückender Enge auf dem ehemaligen Fabrikhof, meist zu zweit in winzigen Einmannzelten, die auf dem nackten Asphalt stehen. Gekocht wird jetzt in alten Blechtonnen, die auf Holzfeuern mit beißendem Rauch erhitzt werden. Noch immer herrschen auf Sizilien Zustände, die man sonst nur von Bildern aus der dritten Welt kennt.
    Angelos Bemühen um bessere Zustände wirkt wie ein Kampf gegen Windmühlen, auch im Hinblick auf die Arbeitsbedingungen in den Olivenhainen. Mehdi aus Tunesien hat ein blutunterlaufenes linkes Auge. Er musste tagelang in seinem Plastikzelt bleiben, nachdem der Stachel eines Olivenblattes die Hornhaut verletzt hatte.
    "Wir arbeiten ohne irgendwelche Schutzmaßnahmen, wie die Sklaven. Ohne Augen- und Mundschutz, ohne Handschuhe. Die einfachsten Regeln werden hier nicht befolgt. Es ist furchtbar hier. Und das alles für 3,50 Euro pro Kiste mit Oliven."
    Tageslohn von knapp 50 Euro
    Damit Olivenöl auch in deutschen Supermärkten zu Billigpreisen verkauft werden kann, müssen die Löhne für die Erntearbeiter gedrückt werden. Neun Stunden Schuften für knapp 50 Euro – viele Männer müssen trotz Kontrollen und entgegen der Vorschriften auch noch schwarzarbeiten, sagt Mehdi.
    "In einer Gruppe von 15 Leuten erhalten fünf einen ordentlichen Lohn inklusive Sozialabgaben, zehn werden schwarz beschäftigt. Wenn dann die Carabinieri kommen und kontrollieren, müssen sich die Schwarzarbeiter verstecken, nur die Regulären bleiben zurück und alles scheint in Butter. Die Bauern hier sind schlau."
    Das Geld schickt er seiner Familie nach Hause, Fotos nicht. Niemand darf wissen, dass er hier in Europa seine Menschenwürde verliert.