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Soda-Kultur
Wie eine Münchner Manufaktur eine Tradition wiederbelebt

Von Andi Hörmann |
    Der Klang handelsüblicher Sodastreams, dieser unschönen Kunststoff-Apparaturen mit ihren lieblos eingeschraubten Plastikflaschen, amüsiert Jonas Dieterle:
    "Diese furzen, wenn man auf den Knopf drückt. Ja, genau."
    Ordinäre Blubberbläschen, stilloses Mineralwasser - ein echter Soda-Siphon besticht durch edle Einfalt, stille Größe. Der Klang von perlendem Mineralwasser, das im Glas feine Blasen wirft.
    "Wir können gerne mal einen zischen lassen."
    Der Soda-Siphon ist ein Relikt aus der Vergangenheit: sinnlich und cool zugleich. Es weckt Sehnsucht und stillt den Durst nach Nostalgie. Das Film-Requisit par excellence!
    "Sei es in Indianer Jones, da gibt es eine Szene, wo er an der Bar steht und genau einer dieser Sparklets-Soda-Siphons zum Einsatz kommt. In den Marx Brothers, später in England. Und auch heutzutage noch in Serien, wo man es überhaupt nicht denkt. Wenn man damit arbeitet achtet man drauf. In modernen Sachen wie 'How I Met Your Mother' in Family Guy stehen im Hintergrund oft Soda-Siphons als Deko."
    Eleganz der Form
    In der Siphon Manufaktur von Jonas Dieterle und Martin Gräbeldinger werden sie restauriert: mundgeblasene Kristallglas-Flaschen mit ihrem markanten Schutzgewand, einem Metall-Netz im griffigen Rautenmuster. Art Déco - die Eleganz der Form, die Sinnlichkeit des Inhalts: Wasser.
    "Auf der Flasche sitzt der Kopf. Jeder Kopf bekommt seine Dichtungen neu gemacht. Den nehmen wir komplett auseinander, sägen oben auf, der wird neu verchromt."
    In Industrie-Regalen stehen sie nach Herkunftsort sortiert: New York, London, Berlin. Die ältesten sind fast 100 Jahre alt: Die Mechanik ist angegilbt und die Glasflasche verkalkt, die Dichtungen sind spröde und das Metall hat Flugrost angesetzt.
    "Das bekommen wir hin mit viel bürsten und der ein oder anderen magischen Essenz, dass dieser ganze Rost runter kommt. Und wir reinigen die Flaschen von innen mit diversen Bürsten und Vorrichtungen, die wir inzwischen ausgeklügelt haben."
    "Jetzt schrauben wir die Kapsel CO2 ein. Da ist ein Dorn im Gewinde, der in die Kapsel einsticht. Dadurch tritt das Gas ein. Das zischt jetzt gleich und blubbert ein bisschen. Jetzt ist der Druck drin, dann kannst du ..."
    ... fein perlendes Soda-Wasser zapfen. Erfrischend und prickelnd, den Gaumen kitzelnd. Kenner schwören darauf: Jeder Gin-Fizz schmeckt mit Soda aus dem Siphon runder als mit banalem Sprudel aus dem Getränkemarkt.
    "Den Siphon, den Soda-Siphon wie er jetzt hier steht, würde ich jetzt erst mal zwei Stunden in den Kühlschrank stellen, weil das Wasser da drin ein bisschen Zeit braucht. Soda entsteht durch drei Faktoren: Das ist einmal der Druck, die Zeit - es muss sich ein bisschen vermischen - und der dritte Faktor ist Kälte. Je kälter das Wasser, je länger es steht und je mehr Druck drin ist, desto stärker sprudelt das Wasser am Ende."
    "Ich persönlich trinke wahnsinnig gerne Wasser. Und ich finde, dass es eben heutzutage ziemlich verloren gegangen ist, dass man auch ein Glas Wasser genießt und es nicht immer ein Cola sein muss, oder ein Saft - sondern auch Wasser, diesen elementaren Grundbaustein vom Leben zu zelebrieren und auch diesen Moment zu genießen."
    In Holzkisten verpackt, treten die restaurierten Soda-Siphons aus München schließlich ihre Reise an in die Bars dieser Welt. Ein seltenes Stück kann dabei schon mal ein paar tausend Euro kosten.
    "Die haben eigentlich alle mindestens einen Weltkrieg gesehen, eine Mondlandung, und was weiß ich noch an persönlichen Geschichten."
    Und wir erinnern uns an die Momente kurz nach dem Klang der Eiswürfel, wenn das Soda zischt - die Welt wird dadurch nicht besser, aber das Leben einen Spritzer schöner.